Finanzen

DWN-Ratgeber Mittelstand: Alternative zu Staatskredit in Corona-Krise prüfen

Der Sanierungs-Experte Lucas Flöther - der unter anderem als Insolvenzverwalter der Air Berlin agiert - rät Mittelständlern, in der Corona-Krise geeignetere Instrumente als staatliche Kredite zu erwägen.
13.04.2020 12:26
Lesezeit: 2 min
DWN-Ratgeber Mittelstand: Alternative zu Staatskredit in Corona-Krise prüfen
Lucas Flöther. (Foto: dpa) Foto: Britta Pedersen

Der Staat bietet derzeit viele Bürgschaften, günstige Kredite und Hilfen an, damit möglichst viele Unternehmen die Corona-Krise überstehen. Aus Sicht des Air-Berlin-Insolvenzverwalters und Sanierungs-Experten Lucas Flöther ist das nicht für alle Betriebe die beste Lösung. Mit solchen Maßnahmen werde das Grundproblem nämlich oft nur in die Zukunft verschoben, sagt der Jurist.

«Die Krise reißt bei diesen Firmen langfristig ein tiefes Loch in die Finanzen», so Flöther. «Dadurch werden diese Unternehmen zu klassischen Sanierungs-Kandidaten". Letztes heißt auch: Übernahmekandidaten. Deshalb, so Flöther, sei es sinnvoll, unter Umständen auf staatliche Hilfe zu verzichten und sich stattdessen "über Schutzschirm-Verfahren und andere echte Restrukturierungs-Werkzeuge" Gedanken zu machen.

Ein Schutzschirm ist die mildeste Sanierungsform im Insolvenzrecht, bei dem die Chefetage weiterhin die Geschäfte führt. Weil das Management viel Einfluss behält, erlaubt das Gesetz den Schutzschirm nur zu Beginn einer wirtschaftlichen Schieflage.

«Wenn sie jetzt erst die Kreditprogramme in Anspruch nehmen und ihre letzten Vermögenswerte den Banken überlassen, und dann in einem halben Jahr merken, dass sie nicht mehr weiterkommen, dann wird es für ein Schutzschirmverfahren meist schon zu spät sein», mahnt Flöther. Der Vorteil des Schutzschirmverfahrens sei, dass sich Unternehmen von einigen besonders drückenden Kosten und Verbindlichkeiten befreien könnten. «Selbst langfristige Schuldverhältnisse und Mietverträge können gekündigt werden, auch ein Schuldenschnitt ist möglich.»

Damit könnten in der Krise mit vielen Einnahmeausfällen auch die Kosten gesenkt werden. Voraussetzung sei, dass die Unternehmer erfahrene Berater an ihrer Seite hätten. «Denn ein Schutzschirmverfahren gibt den Unternehmern die Werkzeuge an die Hand, die sonst aus gutem Grund nur Insolvenzverwalter haben, das sind aus Sicht der Gläubiger oft Folterwerkzeuge.»

Zuletzt hat unter anderem die Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof die Möglichkeit des Schutzschirmverfahrens genutzt. Auch der Modekonzern "Esprit" ging den Schritt für mehrere Töchter. Die Fluglinie Condor nutzte diese Möglichkeit nach der Pleite ihrer Mutter, dem britischen Reiseanbieter Thomas Cook, ebenfalls.

Bei Condor überwacht Flöther als Sachwalter, dass die Interessen der Gläubiger gewahrt bleiben. Aus Sicht der Gläubiger habe das Verfahren auf den ersten Blick nicht so viele Vorteile, räumte Flöther ein. Banken, Vermieter und Leasing-Geber müssten befürchten, dass langfristige Verträge gekündigt oder neue Konditionen verhandelt würden. «Andererseits erlebe ich, dass Insolvenzpläne nach Sanierungen in Eigenverwaltung oft 100 Prozent Zustimmung von den Gläubigern bekommen, obwohl jeder von ihnen auf viel Geld verzichten muss.» Das liege daran, dass es für die Gläubiger besser sei, wenn ein Vertragspartner weiter existiere als ganz vom Markt verschwinde.

Aus Flöthers Sicht sollten auch mittelständische Betriebe über ein Schutzschirmverfahren nachdenken. Wegen der nötigen intensiven Beratung eigne es sich nicht für ganz kleine Betriebe wie Dönerläden. «Aber schon für den Autohändler mit zwei oder drei Autohäusern.»

Wegen der weltweiten Corona-Pandemie rechnen Experten weltweit wie auch in Deutschland mit schwerwiegenden und anhaltenden negativen Folgen für die Wirtschaftsleistung. Der Internationale Währungsfonds warnte jüngst, er erwarte die schlimmste Entwicklung seit der Weltwirtschaftskrise in den 1920er und 30er Jahren. Bund und Länder versuchen die negativen Corona-Folgen in Deutschland derzeit mit milliardenschweren Zuschuss-, Kredit- und Bürgschafts-Programmen sowie Erleichterungen bei Steuern und Zugang zur Grundsicherung abzufedern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin 2026: Droht der nächste Crash oder ein neuer Reifegrad des Marktes?

Wie sich Bitcoin im Jahr 2026 verhalten wird, lässt sich nicht eindeutig voraussagen. Was sich jedoch belastbar analysieren lässt, sind...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Neues Silberpreis-Rekordhoch: Warum das Edelmetall vor einer historischen Neubewertung steht
15.12.2025

Die Silber-Rallye ist ungebrochen und die Kurse eilen von einem Allzeithoch zum nächsten. Warum trotz neuem Silberpreis-Rekordhoch zum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gewinneinbruch bei Autobauern: Deutsche Hersteller besonders unter Druck
15.12.2025

Die weltweite Krise der Autoindustrie macht den deutschen Herstellern stärker zu schaffen als vielen internationalen Wettbewerbern. Eine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Vertrauensverlust im Mittelstand: Wirtschaft zweifelt an Merz:
15.12.2025

Das Vertrauen des deutschen Mittelstands in die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) nimmt deutlich ab. Laut einer aktuellen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 63.000 Jobs bedroht: Ostdeutsche Chemiebranche drängt auf Rettungsplan
15.12.2025

Die Chemieindustrie in Ostdeutschland steht unter Druck: Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften haben der Bundesregierung einen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bahnhofstoiletten bleiben kostenpflichtig: DB sieht keinen Spielraum
15.12.2025

Kostenlose Toiletten an Bahnhöfen sind in Deutschland selten. Laut Bundesregierung sieht die Deutsche Bahn aus Kostengründen keine...

DWN
Finanzen
Finanzen Barzahlen wird zur Ausnahme: Bundesbank sieht Akzeptanzlücken
15.12.2025

Bargeld ist in Deutschland nach wie vor beliebt, doch in Ämtern und Behörden stößt man damit nicht immer auf offene Türen. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bauern protestieren gegen niedrige Butterpreise bei Lidl
15.12.2025

Mit Traktoren demonstrieren Landwirte in Baden-Württemberg gegen aus ihrer Sicht ruinöse Milch- und Butterpreise. Im Fokus der Kritik...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI revolutioniert Unternehmen: Wie Künstliche Intelligenz Verhandlungen effizienter macht
15.12.2025

Künstliche Intelligenz verändert zunehmend die Arbeitsweise in Unternehmensbereichen, in denen bislang menschliche Erfahrung dominierte....