Politik

US-Regierung droht China mit Wiederaufnahme des Handelskrieges

Die US-Regierung droht, neue Zölle gegen chinesische Produkte zu erheben. Dahinter steckt der laufende Propagandakrieg zwischen Washington und Peking, der Teil eines größeren neuen Kalten Krieges ist. Es droht ein Wiederaufflammen des Handelskrieges zum schlechtesten aller möglichen Zeitpunkte.
04.05.2020 11:34
Aktualisiert: 04.05.2020 11:34
Lesezeit: 4 min
US-Regierung droht China mit Wiederaufnahme des Handelskrieges
US-Präsident Donald Trump. (Foto: dpa) Foto: Evan Vucci

Drohende zusätzliche Belastungen für die Weltwirtschaft schicken Europas Börsen auf Talfahrt. "Sollte US-Präsident Donald Trump die Pandemie jetzt zum Anlass nehmen, um den Zollkrieg mit China neu zu entflammen, könnte das die Weltwirtschaft von der Rezession in die Depression stürzen", wird ein Analyst des Vermögensberaters QC Partners von der Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Denn im Streit über die Rolle Chinas beim Ausbruch der Coronavirus-Krise droht Trump dem Land mit neuen Strafzöllen. Hintergrund der Entwicklung ist ein seit einigen Wochen laufender Propagandakrieg zwischen den USA und China um die Frage, wer Schuld an der Corona-Pandemie habe. Der Corona-Propagandakrieg wiederum muss als Teil eines neuen Kalten Krieges zwischen beiden Ländern klassifiziert werden.

Chinesische Staatsmedien hatten zuletzt Vorwürfe der US-Regierung über Vertuschung in der Corona-Krise und den Ursprung des Virus als "grundlose Beschuldigungen" zurückgewiesen. Es sei eine Strategie, von der eigenen "Unfähigkeit" im Kampf gegen die Pandemie abzulenken, kommentierte am Montag die Zeitung Global Times, die vom kommunistischen Parteiorgan "Volkszeitung" herausgegeben wird.

Die Äußerungen von US-Außenminister Mike Pompeo, Geheimdienste gingen "signifikanten" Belegen nach, dass das Virus aus einem Labor in der chinesischen Stadt Wuhan stamme, nannte das Blatt einen "Bluff". "Die Wahrheit ist, dass Pompeo keinerlei Beweise hat." Wenn es sie gäbe, sollten die USA die Belege Forschungsinstituten und Wissenschaftlern geben, damit diese sie prüfen könnten. Ziel der US-Regierung sei es, China die Schuld für die Pandemie zu geben, um die öffentliche Meinung zu manipulieren und "Klagen wegen Amtspflichtverletzung" hinsichtlich der eigenen Reaktion auf die Pandemie zu entgehen. "Das ultimative Ziel ist es jetzt, die Wahl zu gewinnen", schrieb der Kommentator zu den Anstrengungen von Präsident Donald Trump, im November eine zweite Amtszeit zu erreichen. Kritiker werfen ihm vor, die Gefahr lange heruntergespielt zu haben.

Zu der Theorie, dass das Virus aus dem Labor in Wuhan stammen könnte, sagte auch Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau nach Angaben kanadischer Medien, es sei "zu früh, um feste Schlüsse zu ziehen". Auch der australische Premierminister hatte sich zuletzt in diese Richtung geäußert. Kanada und Australien sind Mitglieder der Geheimdienstallianz "Five Eyes" mit den USA, Großbritannien und Neuseeland. Die australische Zeitung "Saturday Telegraph" hatte zuvor über ein Geheimpapier der Gruppe berichtet, in dem schwere Vorwürfe gegen China erhoben wurden. Das 15-seitige Dossier beklagt dem Blatt zufolge Vertuschung und weist auf riskante Forschungsarbeiten in dem Labor in Wuhan hin, berichtet die dpa. Es erwähnt demnach allerdings auch die Differenzen in dem Geheimdienstbündnis über den Verdacht, dass das Virus wirklich aus dem Labor stammen könnte.

Wissenschaftler halten es für viel wahrscheinlicher, dass Sars-CoV-2 von Fledermäusen über ein anderes Tier und durch den Wildtierhandel auf den Menschen übertragen wurde. China hatte im März den Handel mit wilden Tieren per Gesetz verboten. Experten haben auch nachgewiesen, dass das Virus nicht künstlich erzeugt worden ist, sondern natürlichen Ursprungs ist, wie vergangene Woche auch die US-Geheimdienste bestätigt hatten.

Der Finanz-Dienstleister Solvencon kommentiert die Entwicklungen in einem ausführlichen Kommentar zum Thema mit Blick auf die aus der Schuldfrage möglicherweise noch folgenden Maßnahmen: 

In den letzten Wochen wurde von diversen Seiten der US-Politik das Narrativ der Verantwortlichkeit Chinas bedient und damit sukzessive durch das Stilmittel der Wiederholung medial aufbereitet und in der Öffentlichkeit hoffähig gemacht. Im Mittelpunkt der möglichen Sanktionen steht die Aufhebung der staatlichen Immunität Chinas oder die Nichtanerkennung der US-Verbindlichkeiten (US-Staatsanleihen) gegenüber China neben weiteren Zollandrohungen.

Alleine die Erwägung, US-Staatsschulden nicht zu honorieren, ist verstörend, denn die USA spielen mit dem Status der US-Weltleitwährung. Wenn Vermutungen, angebliche Beweise und damit Narrative ausreichen, zu erwägen, die eigenen Staatsschulden nicht zu honorieren, stellt sich eine grundsätzliche US-Bonitätsfrage. Die Ratingagenturen sind jetzt im Vorwege möglicher US-Maßnahmen hoffentlich nicht zu leise, denn sie wollen sich doch nicht als US-Paladine klassifizieren lassen und selbst ihre machtvolle Rolle unterminieren!

Dax und EuroStoxx50 fielen am Montag um jeweils mehr als drei Prozent auf 10.525 und 2827 Punkte. Ein Teil dieser Verluste gingen aber auf das Konto von Nachhol-Effekten, sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Am Freitag hatten zahlreiche europäische Börsen wegen des Mai-Feiertags geschlossen und konnten nicht auf die Kursverluste in Tokio, London und New York reagieren.

Unabhängig von den handelspolitischen Spannungen seien die Kursgewinne der vergangenen Wochen ohnehin überzogen gewesen, sagte Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets. Schließlich seien die jüngsten Konjunkturdaten desaströs ausgefallen und würden sich voraussichtlich noch verschlimmern. Im April hatte der breit gefasste europäische Index Stoxx600 mit einem Plus von insgesamt 6,2 Prozent den größten Monatsgewinn seit viereinhalb Jahren verbucht.

ÖLPREIS UNTER DRUCK - "SICHERE HÄFEN" GEFRAGT

Wegen der handelspolitischen Spannungen zogen die Volatilitätsindizes VDax und VStoxx, die die Nervosität der Anleger messen, um jeweils mehr als zehn Prozent an. Die Verunsicherung spiegelte sich auch im Ölpreis wider. Die Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um 2,5 Prozent auf 25,77 Dollar je Barrel (159 Liter).

Daher flüchteten einige Investoren in die Weltleitwährung. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, gewann 0,3 Prozent. Im Gegenzug verbilligte sich der Euro um 0,4 Prozent auf 1,0940 Dollar.

Gefragt war auch die "Antikrisen-Währung" Gold, die sich um 0,3 Prozent auf 1704,65 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) verteuerte. Die Aufwertung der US-Währung bremse den Kursanstieg allerdings, weil sie das Edelmetall für Anleger außerhalb der USA verteuere, sagten Börsianer.

AUSVERKAUF BEI THYSSENKRUPP UND KLÖCO

Zu den größten Verlierern am deutschen Aktienmarkt zählte Thyssenkrupp. Die Einbußen durch die Coronavirus-Krise fräßen Einnahmen aus dem milliardenschweren Verkauf der Aufzugssparte auf, warnte der Stahlkonzern. Weitere Finanzspritzen könnten notwendig werden. Die Aktie brach zeitweise um gut 17 Prozent auf 5,04 Euro ein und steuerte auf den zweitgrößten Tagesverlust der Firmengeschichte zu.

Die Papiere von Klöckner & Co. (KlöCo) verbilligten sich um rund 13 Prozent auf 3,24 Euro. Die Warnung vor einem operativen Verlust im laufenden Quartal sei eine Überraschung, sagt ein Börsianer. Außerdem verdiente der Stahlhändler zum Jahresauftakt weniger als erhofft.

In London verloren die Titel von Rolls-Royce zeitweise mehr als acht Prozent. Der Triebwerksbauer denkt einem Insider zufolge über den Abbau von 15 Prozent der Stellen nach. Ein solcher Schritt erscheine unausweichlich, kommentierte Analyst Sandy Morris von der Investmentbank Jefferies. Die Aktien des deutschen Konkurrenten MTU verloren sieben Prozent.

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