Finanzen

Kommt mit der Abschaffung des Bargelds der Tauschhandel zurück?

Wenn das Bargeld verschwinden sollte, würden die Bürger in vielen Bereichen zum Tauschhandel übergehen. Dann könnten die Bürger Währungen entstehen lassen, die der “Zigarettenwährung” ähneln.
09.05.2020 19:33
Aktualisiert: 09.05.2020 19:33
Lesezeit: 3 min
Kommt mit der Abschaffung des Bargelds der Tauschhandel zurück?
Eine Frau bezahlt am 22.07.2017 an einem Gemüsestand auf dem Wochenmarkt in Nagold. (Foto: dpa) Foto: Christoph Schmidt

Wenn in Zukunft das Bargeld komplett verschwinden sollte, würde dies zwangsläufig zum Aufstieg des Tauschhandels führen, um digitale Zahlungen weitgehend zu umgehen. Wenn das Geld irgendwo bar gelagert wird, hat der Staat keinen Zugriff auf das Bargeld. Die Nutzung von Bargeld birgt das Risiko in sich, dass das Geld dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird. Das ist ein Risiko aus Sicht des Staates, der dazu neigt, möglichst hohe Summen der erwirtschafteten Einnahmen der Bürger einzuziehen.

Die Bürger würden in einer Welt ohne Bargeld dazu neigen, Zahlungen in Naturalien vorzunehmen. Es wäre auch durchaus möglich, dass Grauzonen und regelrechte Schwarzmärkte entstehen würden, auf denen Ersatzwährungen - wie die “Zigarettenwährung” - sich etablieren könnten. Denn Scienexx berichtet zutreffend und realistisch: “In unserem Alltag gibt es zahlreiche Situationen, in denen Bargeld ganz selbstverständlich eingesetzt wird. Dazu gehören auch kleinere Gefälligkeiten unter Bekannten. Ein Beispiel: Ein Automechaniker hilft nach Feierabend seinem Nachbarn beim Montieren der Winterreifen. Dafür bekommt er als Dank ein kleines Trinkgeld. Eine solche oder vergleichbare Situation ist absolut üblich und bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone. Selbst in völlig legaler Form gäbe es ohne Bargeld keine Möglichkeit mehr, solche Gefälligkeiten zu bezahlen, ohne dazu ganz offiziell einen Dienstleister zu bemühen. Dass zudem deshalb immer die Gefahr besteht, dass der Fiskus misstrauisch kontrolliert, kommt hinzu – jegliche Form legaler Nachbarschaftshilfe wäre plötzlich ungleich schwieriger und automatisch mit einem Stigma des Halbkriminellen versehen.”

In einer arbeitsteiligen Wirtschaft “tauscht”  man Geld gegen Ware. Ist kein Geld mehr vorhanden, muss die Ware selbst die Geldfunktion übernehmen, schließlich benötigt der Friseur nach wie vor Brot und der Bäcker Kleidung, so Wolfgang Herling in seinem Buch “Der menschliche Handelsrahmen”. Im Verlauf der Corona-Krise hätte sich unter bestimmten Voraussetzungen eigentlich Toilettenpapier als neue temporäre “Zigarettenwährung” durchsetzen können. 

Die Bundesbank berichtet: “Der Gebrauch von Warengeld ist weder auf eine Zeitepoche noch auf einen Kulturkreis beschränkt. So kommt man wieder auf Warengeld zurück, wenn beispielsweise die offizielle Währung das Vertrauen der Menschen verloren hat. Beispielsweise nutzte man in Deutschland kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Schwarzmärkten Zigaretten anstelle der wertlos gewordenen Reichsmark als Zahlungsmittel. Mit der Einführung der D-Mark 1948 ( Währungsreform ) verschwand der Schwarzmarkt und mit ihm die ,Zigarettenwährung’.”

Der Gastautor Florian Semmle führt auf LGT Finanzblog aus: “Zigaretten erfüllen dabei zugleich die Kriterien eines begehrten Konsumguts und viele Eigenschaften einer Währung: Sie sind leicht transportierbar, kaum verderblich und als Stangen, Schachteln oder einzeln nahezu beliebig teilbar. Als vergleichsweise genormtes Gut lassen sie sich einfach verrechnen und funktionieren über Länder- und Sprachgrenzen hinweg. Sie verfügen sogar über einen impliziten Inflationsschutz, den Franken und Euro nicht besitzen: Da selbst in Zeiten höchster Not immer ein Teil der Zigarettenwährung buchstäblich verraucht, reduziert sich die Währungsmenge auf natürliche Weise – Nikotinsucht sorgt somit für die Stabilität des flüchtigen Zigarettengelds.”

Die Zeit berichtete am 15. Mai 1958: “Und zweitens sind amerikanische und englische Zigaretten heute – noch – deutsche Standardwährung. Sie kosten nach Hamburger Kursen augenblicklich beim "Höker" 6 RM. Die Frage ist nun, wie kommen die Zigaretten in solchen Mengen zu uns, daß sie den Wertmaßstab darstellen können, den sie ohne Zweifel repräsentieren? Der Nicht-Schwarz-Großhändler kann sich dabei auf zwei Tips verlassen: Als Belsen durch eine Razzia kurze Zeit als Lieferant ausfiel, stiegen die gerade gefallenen Zigarettenpreise von 5 auf 7 RM ... Und in amerikanischen Zeitungen inserieren viele, sehr viele Versandfirmen 2000 Camel, Lucky Strike and so on für 10 $.”

Der deutsche Mittelstand und die Mehrheit der deutschen Bürger sind gegen die Abschaffung des Bargelds. Allerdings sollten auch Strategien entwickelt werden, um die Abhängigkeit von digitalen Währungen zu minimieren, falls die EZB willkürlich die Abschaffung des Bargelds direkt oder geschickt indirekt forcieren sollte. 

Mehr zum Thema:

Der Staat will uns das Bargeld nehmen: Sollen wir das zulassen?

Corona-Krise: Besitz von Bargeld muss im Grundgesetz verankert werden

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