Politik

Anti-Hass-Gesetz: Facebook und Twitter müssen IP-Adressen dem BKA melden

Dem „Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität“ zufolge müssen Twitter und Facebook strafbare Inhalte künftig dem BKA melden. Doch Hass in den sozialen Medien kann nur dann eingedämmt werden, wenn andere EU-Staaten gesetzlich nachziehen. Die EU-Kommission arbeitet an einer gesamteuropäischen Lösung.
02.06.2020 17:45
Aktualisiert: 02.06.2020 17:45
Lesezeit: 4 min
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Der Bundestag wird bald ein „Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität“ verabschieden. Die EU-Kommission führt zum Inhalt aus: „Neben Verschärfungen im nationalen Strafrecht werden die im deutschen NetzDG bestehenden Compliance-Pflichten für Anbieter sozialer Netzwerke zur effektiveren Strafverfolgung von Hasskriminalität erweitert. Die Anbieter sollen Inhalte, die ihnen im Rahmen einer Beschwerde von Nutzer als strafbar gemeldet wurden, sowie die IP-Adresse des Nutzers, für den der Inhalt hochgeladen wurde, an eine Zentralstelle beim Bundeskriminalamt weiterleiten. Dort soll dann die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelt werden, um die effektive Strafverfolgung von Hass-Postings zu ermöglichen. Die Weiterleitungspflicht ist auf bestimmte demokratiefeindliche und unter Strafe stehende Delikte beschränkt. Die Pflicht ist bußgeldbewehrt. Als zuständige Verwaltungsbehörde nach § 36 OWiG bestimmt der Entwurf das Bundesamt für Justiz.“

In dem Gesetzesentwurf heißt es beim „§ 3a Meldepflicht“ im Juristendeutsch: „Der Anbieter eines sozialen Netzwerks muss dem Bundeskriminalamt als Zentralstelle zum Zwecke der Ermöglichung der Verfolgung von Straftaten Inhalte übermitteln, 1. die dem Anbieter in einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte gemeldet worden sind, 2. die der Anbieter entfernt oder zu denen er den Zugang gesperrt hat und 3. bei denen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie mindestens einen der Tatbestände a) der §§ 86, 86a, 89a, 91, 126, 129 bis 129b, 130, 131 oder 140 des Strafgesetzbuches, b) des § 184b in Verbindung mit § 184d des Strafgesetzbuches oder c) des § 241 des Strafgesetzbuches in Form der Bedrohung mit einem Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit erfüllen und nicht gerechtfertigt sind. (3) Der Anbieter des sozialen Netzwerks muss unverzüglich, nachdem er einen Inhalt entfernt oder den Zugang zu diesem gesperrt hat, prüfen, ob die Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 3 vorliegen, und unverzüglich danach den Inhalt gemäß Absatz 4 übermitteln.“

Darüber hinaus sei dem Gesetzgeber zufolge darauf hinzuweisen, dass die Meldungen der Anbieter sozialer Netzwerke über eine vom Bundeskriminalamt zur Verfügung zu stellende und freizugebende Schnittstelle erfolgen muss. Ohne die Freigabe können die Meldungen nicht an das Bundeskriminalamt übermittelt werden. Zuvor seien die technischen Details vom Bundeskriminalamt vorzugeben.

Besonders positiv ist hervorzuheben, dass der Gesetzesentwurf auch „frauenfeindlichen Hass“ in den sozialen Medien eindämmen soll. Aus dem Entwurf geht hervor: „Frauen sind in spezifischer Weise von Hassrede betroffen. Sie sind sexistischen Pöbeleien und Vergewaltigungsdrohungen ausgesetzt. Dies stellt eine besonders schwerwiegende Verletzung von Persönlichkeitsrechten dar und hat als mit digitalen Mitteln ausgeübte Gewalt oft massive körperliche und psychische Auswirkungen. Prominente Fälle von Politikerinnen, Journalistinnen oder sogenannten Netz-Aktivistinnen zeigen anschaulich, dass auf das Geschlecht zielende Herabwürdigungen und Drohungen von besonderer Bedeutung sind.“

Ausschlaggebend ist der Satz, dass das materielle Strafrecht noch deutlicher als bisher auf die mit Hasskriminalität verbundenen Rechtsgutsverletzungen ausgerichtet werden müsse – „insbesondere durch angepasste Tatbestände und verschärfte Strafandrohungen“.

Das materielle Strafrecht umfasst das Strafgesetzbuch (StGB) und das Nebenstrafrecht. Dort ist zusammengefasst, was verboten ist und wie es bestraft wird. Das formelle Strafrecht umfasst hingegen alles, was den Ablauf des Strafverfahrens von Ermittlung bis zur Vollstreckung der Strafe regelt und nennt sich Strafprozessordnung (StPO). „In der Strafprozessordnung (StPO) ist die Erhebung von Bestands- und Verkehrsdaten gegenwärtig explizit nur für Maßnahmen gegenüber Telekommunikationsdiensteanbietern geregelt. Eine spezielle Regelung für die Datenerhebung gegenüber Telemediendiensteanbietern fehlt bisher. Diese soll nun geschaffen werden“, heißt es in dem Entwurf.

EU-Kommission arbeitet an europaweiter Lösung

Im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten sagte eine Sprecherin der EU-Kommission, dass Hassreden, terroristische Propaganda oder Kindesmissbrauchsmaterial in unserer Gesellschaft keinen Platz haben – weder online noch offline.

Die EU-Kommission teile voll und ganz das Ziel des deutschen „Gesetzentwurfs zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität“, über den am 17. Februar bestimmte Änderungen mitgeteilt wurden. Allerdings wurde der Bundesregierung mitgeteilt, dass es einige Unvereinbarkeiten der Änderungen mit dem EU-Recht gebe, jedoch nicht aus verfahrenstechnischer Hinsicht. Es müsse ein harmonisiertes Schutzniveau für alle Online-Nutzer innerhalb der EU geboten werden. Deshalb wird von der EU alsbald ein „Digital Services Act“ ausgearbeitet werden, um die Regeln für die Bereitstellung digitaler Dienste und die Verpflichtungen von Anbietern digitaler Dienste zu aktualisieren und zu harmonisieren.

Es gebe einige Hürden. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung müsse auf die Vereinbarkeit mit der DSGVO und der E-Commerce-Richtlinie geprüft werden. „Generell befürchten wir, dass zunehmend unterschiedliche nationale Vorschriften, mit denen versucht wird, Probleme in viel größerem Umfang anzugehen, möglicherweise nicht wirksam bei der Bekämpfung illegaler Inhalte auf Online-Plattformen sind. Daher muss die Regulierung von Plattformen auf europäischer Ebene gelöst werden. Die Kommission hat bereits angekündigt, bis Ende dieses Jahres ein Digital Serviced Act-Paket vorzuschlagen. Es wird sich mit weiteren Verantwortlichkeiten großer Online-Plattformen in Bezug auf ihre Rolle als Online-Gatekeeper befassen, wobei das Ziel berücksichtigt wird, die Medienvielfalt und den Pluralismus in einem wirklich funktionierenden Binnenmarkt zu fördern“, so die Sprecherin.

Ein klarer und kohärenter europaweiter Rechtsrahmen gewährleiste einen fairen digitalen Marktplatz für alle.

Richterbund fordert zusätzliche Staatsanwälte

Allerdings stellt das „Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität“ die Judikative vor neue personelle Herausforderungen. Der Deutsche Richterbund (DRB) geht davon aus, dass jährlich 150.000 zusätzliche Verfahren bei den Staatsanwaltschaften geführt werden müssen. „Nach den üblichen Personalschlüsseln der Justiz braucht es bundesweit etwa 400 zusätzliche Staatsanwälte und Strafrichter, um die neuen Aufgaben effektiv bewältigen zu können“, zitiert Legal Tribune Online DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn.

Ulrich Kelber, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, hatte zuvor mitgeteilt, dass das „Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität“ erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Bürger anstrebe. „Der Entwurf enthält erhebliche Eingriffe in Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Es ist zweifelhaft, ob diese in jeder Hinsicht erforderlich und damit verhältnismäßig sind. Bereits die Grundkonzeptionen der Meldepflicht und der Rolle des Bundeskriminalamtes (BKA) werfen erhebliche Fragen auf“, so Kelber in einer Stellungnahme.

Doch auch dieses Problem wird mittlerweile im Gesetzesentwurf angeschnitten: „Die Einführung einer Meldepflicht schränkt die Berufsausübungsfreiheit der Anbieter sozialen Netzwerke ein. Gleichzeitig stellt sie einen Eingriff in das Grundrecht der Inhalteverfasser auf informationelle Selbstbestimmung dar. Diese Grundrechtseingriffe sind nur dann gerechtfertigt, wenn der weitergeleitete Inhalt konkrete belastbare Anhaltspunkte dafür bietet, dass der Tatbestand einer Katalogstraftat vorliegt. Eine Meldepflicht darf daher nicht schon bei der reinen Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung ausgelöst werden, sondern bedarf objektiver, nachprüfbarer und erkennbarer Indizien, die für jedermann die Verwirklichung eines Katalogstraftatbestandes nahelegen.“

Damit gibt der Gesetzgeber zu, dass es Grundrechtseingriffe gibt. Allerdings macht er deutlich, dass dies nicht wahllos erfolgen kann, sondern ganz bestimmten Voraussetzungen unterliegt. Eine Eingriffsermächtigung der Strafverfolgungsbehörden ist nur dann erlaubt, wenn es auch ernsthafte „konkrete belastbare Anhaltspunkte“ für eine „Katalogstraftat“ gibt.

Als „Katalogstraftaten“ werden Straftaten umschrieben bei deren Verdacht die Strafverfolgungsbehörden zu besonderen Maßnahmen ermächtigt werden.

So folgt aus § 100a Abs. 1 Nr. 1 StPO (Telekommunikationsüberwachung): „Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat.“

Durch die Erweiterung von § 100g StPO auf Nutzungsdaten nach § 15 Absatz 1 TMG wird eine normenklare und verhältnismäßige Rechtsgrundlage für die Erhebung von Metadaten bei Telemediendiensteanbietern geschaffen, so der Gesetzgeber.

Auf der Webseite des Bundesjustizministeriums geht detailliert hervor, welche Änderungen des StGB geändert werden.

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