Politik

Die Proteste in den USA: Trump macht alles richtig

DWN-Chefredakteur Hauke Rudolph analysiert, welche Auswirkungen die Proteste in den USA auf die Wiederwahl von Präsident Donald Trump haben.
14.06.2020 11:00
Lesezeit: 4 min
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Die Proteste in den USA: Trump macht alles richtig
Den USA steht ein harter Wahlkampf bevor. (Foto: dpa)

Die landesweiten Proteste in den USA halten an. Jetzt stellt sich die Frage: Werden sie die Präsidentschafts-Wahlen im November beeinflussen – und wenn ja: Wie?

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten haben mit dem Historiker Prof. Manfred Berg von der Universität Heidelberg gesprochen. Der Experte für die Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre in den USA sagt, es sei äußerst wahrscheinlich, dass die Proteste einen Einfluss auf die Wahlen haben werden. Welchen Einfluss – das sei derzeit allerdings noch nicht absehbar, so Berg (und widerspricht damit der Mehrheit der deutschen Journalisten, die schreiben, dass die Proteste den Sargnagel für Trumps Präsidentschaft darstellen): „Zu Beginn der Bürgerrechtsbewegung in den amerikanischen Südstaaten in den 1960er Jahren führten die Bilder von Polizisten, die Demonstranten niederknüppelten und scharfe Hunde auf sie hetzten, dazu, dass die Bewegung landesweit an Sympathie gewann. Doch als die Proteste Mitte des Jahrzehnts immer gewalttätiger wurden, wendete sich das Blatt. Im Endeffekt halfen sie dem Kandidaten der Republikaner, Richard Nixon, die Präsidentschaftswahlen von 1968 zu gewinnen, und führten sogar dazu, dass der äußerst weit rechtsstehende Kandidat der ´Amerikanischen Unabhängigkeits Partei´, George Wallace, der für die Rassentrennung eintrat, 13,5 Prozent holte – im Zweiparteiensystem der USA ein eher ungewöhnliches Ereignis.“

Geschichte wiederholt sich nicht - oder vielleicht doch?

Laut Berg ist dem Wahlkampfteam von Trump völlig klar, dass ihr Chef bei den Wahlen im November insgesamt weniger Stimmen holen werde als Biden (genau wie 2016, als er 46,09 Prozent der Stimmen bekam, während die letztendliche Wahlverliererin Hillary Clinton 48,18 Prozent holte). Es gehe jetzt um die sogenannten „Swing States“, als die circa fünf bis sechs Staaten, die noch auf der Kippe stehen. In diesen Staaten müsse Trump laut Berg zweierlei tun:

  • Die weiße nationalistische Wählerschaft maximal mobilisieren. Dabei könnten ihm die Proteste durchaus in die Karten spielen, weil sie ihm die Gelegenheit gäben, sich als Hardliner zu präsentieren.
  • Die Stimmen derjenigen Weißen gewinnen, die durch die Unruhen zutiefst verunsichert sind und einen Präsidenten wollen, der „law and order“ durchsetzt (von den Latinos erwartet er nur wenige Stimmen, von den Schwarzen kaum welche).

Trump verhält sich klug

Ich komme nicht umhin, anzuerkennen, dass sich der Präsident im Sinne des Erreichens dieser Ziele bisher durchaus klug verhalten hat. Er hat die Gouverneure mehrerer Bundesstaaten zur Entsendung von Einheiten ihrer jeweiligen Nationalgarden aufgefordert – eine Bitte, die von mehreren Gouverneuren abschlägig beschieden wurde. Er hat vorgeschlagen, das Militär gegen gewalttätige Demonstranten einzusetzen – eine Idee, gegen die sich sein Verteidigungsminister, Mark Esper, deutlich ausgesprochen hat.

Das heißt: Trump hat äußerst hartes, eskalierendes Eingreifen gefordert, ganz im Sinne seiner Anhänger und vieler bisher unentschlossener Wähler, die Recht und Ordnung herbeisehnen. Sollten die Proteste, die bisher - vor allem im Vergleich zu den bürgerkriegsähnlichen Ereignissen der 1960er-Jahre - relativ friedlich verlaufen sind, doch noch zu ernsthafter Gewalt führen, kann der Präsident immer darauf verweisen, dass er von Anfang an auf Härte setzen wollte, die liberalen Kräfte sowie sogar seine eigenen Leute dieses jedoch verhindert hätten.

Klug verhielt er sich auch, als hochrangige Ex-Generäle - teilweise harsche - Kritik an seinem Verhalten während der Proteste übten. Er ignorierte sie einfach. Das Gleiche tat er, als der Polizeipräsident von Houston - der immerhin viertgrößten Stadt des Landes - ihn aufforderte, doch bitteschön den Mund zu halten, solange er nichts Konstruktives beizutragen habe: Er kam der Bitte des Ordnungshüters prompt nach.

Die Proteste nützen dem Präsidenten

Im Endeffekt ist es ganz im Sinne von Trump, wenn die Proteste sich ausweiten, sowohl in ihrer Breite als auch in ihrer Intensität. Bisher hat der Präsident deshalb auch immer wieder ordentlich Öl ins Feuer gegossen – wahltaktisch eine kluge Entscheidung. Tatsache ist nämlich: In allen Umfragen der letzten Wochen führt der wahrscheinliche demokratische Herausforderer, der frühere Vize-Präsident (unter Barack Obama) Joe Biden. Er hat aber auch schon vor Beginn der Proteste geführt. Um das Steuer noch einmal herumzureißen, bedarf es eines einschneidenden Ereignisses. Frühere amerikanische Präsidenten haben gerne mal mit einem außenpolitischen Abenteuer die Nation hinter der Flagge vereint („rally around the flag“) und so ihre Wiederwahl-Chancen erhöht (beispielsweise ließ Ronald Reagan über Weihnachten und den Jahreswechsel 1983/84 Panama von Spezialeinheiten, Marine und Fallschirmjägern einnehmen, während Bill Clinton zwei Monate vor der 1996er-Wahl nach dreijähriger Feuerpause wieder irakische Stellungen bombardieren ließ). Trump dürfte kaum zu diesem Mittel greifen (können): Es wäre kaum vereinbar mit seiner bisherigen außenpolitischen Strategie, die eher in Richtung Isolationismus geht; darüber hinaus sind die Amerikaner Abenteuern an fernen Gestaden zusehends müde.

Biden führt – noch

528 Stimmen umfasst das Wahlmännergremium („Electoral College“´) bei den US-Wahlen, das heißt, der Sieger benötigt 270 Stimmen. Derzeit hat Biden 180 Stimmen so gut wie sicher, Trump 125. Sollte es in den einzelnen Staaten keine großen Überraschungen mehr geben, beträgt das Stimmenverhältnis derzeit 233 zu 204 zugunsten Bidens. Hart umkämpft sind noch sechs Staaten, in fünf von ihnen führt der Herausforderer: Arizona (Führung: 3,4 Prozent / 11 Wahlmännerstimmen); Florida (3,4 Prozent/ 29 Stimmen); Michigan (7,3 Prozent/ 16 Stimmen); Pennsylvania (3,3 Prozent/ 20 Stimmen) sowie Wisconsin (3,4 Prozent/ 10 Stimmen). Trump führt lediglich in einem der umkämpften Staaten, nämlich North Carolina (0,3 Prozent/ 15 Stimmen). [Die jeweiligen Prozent-Angaben entsprechen der Summe der durchschnittlichen Prozentzahl der durchgeführten Befragungen, die teilweise leicht voneinander abweichen]. Das heißt, derzeit steht es 319 zu 219. Dazu kommt, dass Trumps Führung im Staat mit den zweitmeisten Wahlstimmen (38), dem eigentlich so konservativen Texas, lediglich 2,2 Prozent beträgt (auf die Bedeutung von Texas für die Wahlen hatten die DWN bereits in einem früheren Artikel hingewiesen).

Alles auf eine Karte

Die Präsidentschaftswahlen finden in fünf Monaten statt - viel Zeit bleibt Donald Trump also nicht mehr, um einen Umschwung zu seinen Gunsten herbeizuführen. Die derzeit stattfindenden Proteste bieten ihm Gelegenheit dazu. Das heißt, der Präsident muss jetzt alles auf eine Karte setzen – entweder er schafft die Wende oder er geht mit fliegenden Fahnen unter. Es muss ihm gelingen, gleichzeitig seine Anhänger zu mobilisieren und unentschiedene Wähler für sich zu gewinnen, ohne dabei zu viele von letzteren zu verprellen. Eine schwierige Aufgabe – vor allem für einen Mann seines Temperaments. Es wäre eine Ironie der Geschichte, würden seine größten Gegner – Antifa-Mitglieder und andere Radikale – dem wohl umstrittensten Präsidenten der amerikanischen Historie vier weitere Jahre im Weißen Haus bescheren.

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