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Rassismus-Debatte: Sollen private Sicherheitsfirmen die Polizei ersetzen?

Lesezeit: 3 min
19.06.2020 12:00
Die aktuelle Rassismus-Debatte schießt übers Ziel hinaus: Sie könnte zu einer Entmachtung der Polizei führen. Dann würde das staatliche Gewaltmonopol in die Hände von „privaten Polizeien“ und Sicherheitsfirmen fallen.
Rassismus-Debatte: Sollen private Sicherheitsfirmen die Polizei ersetzen?
Ein Berliner Polizist im Einsatz. (Foto: dpa)

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Die Tötung des nahezu wehrlosen George Floyd durch einen Polizeibeamten in der US-Großstadt Minneapolis hat wie auf Knopfdruck sowohl in den USA als auch in Europa zahlreiche Anti-Rassismus-Proteste ausgelöst. Jawohl, auch in Europa: Dabei hatte das Schicksal der in den USA durch Polizeigewalt getöteten Afroamerikaner auf dieser Seite des Atlantik eigentlich nie jemanden interessiert. Aber, so wie man vor einigen Wochen noch gegen den Klimawandel demonstrierte, demonstriert man heute eben gegen Rassismus im fernen Minneapolis, in Dallas, in New York.

Mittlerweile wird der Fall Floyd zum Anlass genommen, über Gesetze nachzudenken, die Diskriminierungen durch die Polizei verhindern sollen. Dass es auch in Deutschland - genau wie in anderen europäischen Ländern - tatsächlich Fälle von Diskriminierungen gibt, lässt sich ja auch nicht leugnen.

Doch die „Anti-Diskriminierungs-Gesetze", wie sie derzeit im Gespräch sind, werden nur die Funktion haben, die Polizei abzuschrecken, ihre Zuständigkeiten wahrzunehmen. Weder die Alltagsdiskriminierung noch die strukturelle Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und an Schulen werden durch sie eingedämmt. Ganz im Gegenteil: Wenn nur in einem Fall publik werden sollte, dass sich ein Bürger fälschlicherweise über die Polizei wegen Diskriminierung beschwert hat, wird dies ein gefundenes Fressen für die Gegner von Gleichbehandlung und Gleichberechtigung sein.

Doch es existiert noch ein weiteres Problem, das sogar noch um einiges brisanter ist. In den USA gibt es beispielsweise die sogenannte „Private Police“. Diese privat geführten Polizeien verfügen in einigen Bundesstaaten über die Kompetenzen von Polizisten, die das staatliche Gewaltmonopol vertreten.

Private Polizeien in den USA

Aus dem „2013 South Carolina Code of Laws, Title 40 - Professions and Occupations, CHAPTER 18 - PRIVATE SECURITY AND INVESTIGATION AGENCIES“ geht hervor, dass die privaten Sicherheitsbeamten über dieselben Befugnisse verfügen, die auch das Personal des jeweiligen Sheriffs hat.

Der folgende Abschnitt ist besonders interessant: „Der Sicherheitsbeamte kann eine Person verhaften, die gegen ein Strafgesetz dieses Staates verstößt, besitzt jedoch die Befugnis zur Festnahme nur auf dem Grundstück, auf dem er beschäftigt ist.“

Das U.S. Department of Justice führt in einem Bericht aus: „In Boston, Massachusetts, werden mehr als 100 Wohnprojekte und einkommensschwache Wohnhäuser nicht von der Polizei, sondern von privaten Sicherheitsleuten überwacht. Eine Firma, die 'Naratoone Security Corporation', setzt an diesen Standorten 122 traditionelle Wachmänner sowie 43 'Spezialpolizisten´' ein, die vom Boston Police Department bewaffnet und zertifiziert sind und - wenn auch begrenzte - Festnahme-Befugnisse haben. Laut dem Leiter der Zertifizierungs-Abteilung des Boston Police Department: ,Wir machen die Straßen, sie machen Privateigentum."

In Arizona dürfen private Colleges unter bestimmten Voraussetzungen private Polizisten anstellen, die über alle Befugnisse von normalen Polizeibeamten verfügen. Der private Polizist wird „Arizona Peace Officer“ (Friedensbeauftragter) genannt. Er verfügt über „alle Strafverfolgungsbefugnisse“, heißt es in einem Dokument der Arizona State Legislature.

Zurück nach Deutschland:

Um es nochmals klar zu machen: Nicht Maßnahmen zur Eindämmung von Diskriminierungen im öffentlichen und privaten Bereich sind das Problem, sondern die Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Polizei. Wenn beispielsweise in Berlin ein Polizeibeauftragter als oberste Landesbehörde eingesetzt werden soll, der im Zusammenhang mit Polizeibeamten die DSGVO umgehen darf, wird das viele Beamte davor abschrecken, ihrem Dienst nachzukommen. Besonders problematisch ist, dass alleine schon die „Behauptung“ über ein mögliches Fehlverhalten der Polizei ausreicht, um Untersuchungen gegen den betroffenen Beamten einzuleiten. Dieses Gesetz wird wahrscheinlich in den kommenden Monaten vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet.

Sollten derartige Fälle Schule machen, könnten die Innenministerien und Polizeien darauf hinarbeiten (um sich selbst zu schützen), dass ein Teil ihrer Kompetenzen auf private Strafverfolgungsbeamte übertragen wird. Damit könnten sie sich auch der Haftung entziehen, wie dies bereits in Arizona und anderen US-Bundesstaaten geschieht.

Die gesetzlichen Grundlagen für einen solchen Schritt liegen noch nicht vor. Aber die betroffenen Länderparlamente könnten ein „Gesetz zur Anstellung privater Strafverfolgungsbehörden“ erlassen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.

Im Rahmen eines derartigen Szenarios wäre es natürlich auch möglich, sich gegen die Handlungsfähigkeit der Polizei gerichtete Gesetze auszusprechen. Doch nur die wenigsten Politiker würden sich trauen, dies zu tun, um sich nicht dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt zu sehen.

Am Ende sollte es die Bürger nicht wundern, wenn in Deutschland die Mitarbeiter privater Polizei-Unternehmen zum Einsatz kämen. Wir sprechen hier von einem Milliarden-schweren Markt, woran sehr viele Sicherheitsfirmen verdienen würden – vielleicht sogar internationale Sicherheitsfirmen. Sowie die Nachfrage da ist, wird auch das Angebot zur Stelle sein.

Gehören diese Ausführungen in die Welt der Märchen? Wir werden sehen.

                                                                                ***

Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.


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