Politik

Neues Gesetz: Polizisten sollen Weltanschauung und Sexualleben offenlegen

In Berlin soll ein Gesetz verabschiedet werden, wonach ein „Beauftragter für die Polizei Berlin“ alle schutzbedürftigen Daten von Polizeibeamten, gegen die Beschwerden aus der Bevölkerung vorliegen, einholen darf. Dazu gehören unter anderem Daten zur Weltanschauung, zum Sexualleben und zur Gewerkschaftszugehörigkeit. Die DSGVO wird faktisch außer Kraft gesetzt.
12.06.2020 15:47
Aktualisiert: 12.06.2020 15:47
Lesezeit: 2 min
Neues Gesetz: Polizisten sollen Weltanschauung und Sexualleben offenlegen
Deutsche Polizeibeamte auf Streife. (Foto: dpa) Foto: Andreas Arnold

Im Berliner Abgeordnetenhaus haben die Fraktionen der Linken, der Grünen und der SPD eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet, die die Einführung eines „Beauftragten für die Polizei Berlin“ fordert. Diese Stelle soll als „oberste Landesbehörde“ eingerichtet werden. Der Beauftragte wird „vom Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt und von dem Präsidenten oder der Präsidentin des Abgeordnetenhauses ernannt.“

Das Gesetz könnte in den kommenden Monaten verabschiedet werden.

Aus „§ 5 Befugnis zur Datenverarbeitung“ der Gesetzesvorlage geht hervor:

„Der oder die Bürger- und Polizeibeauftragte ist befugt, personenbezogene Daten, auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO), zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung seiner oder ihrer Aufgaben erforderlich ist. Hierbei darf er oder sie insbesondere personenbezogene Daten an das Abgeordnetenhaus, die in §§ 10 und 11 genannten Stellen und den Polizeipräsidenten oder die Polizeipräsidentin in Berlin übermitteln und bei diesen Stellen erheben.“

Im Klartext: Der „Beauftragte für die Polizei Berlin“ darf alle personenbezogenen Daten von Polizeibeamten unter Umgehung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einholen.

Die Einholung von personenbezogenen Daten kann über mündliche oder schriftliche Auskünfte und Berichte, Akten und sonstige Unterlagen sowie durch Ortsbesichtigungen erfolgen.

Bei dem gesamten Prozess geht es nach Darstellung der Fraktionen darum, rechtswidrige Handlungen durch Polizeibeamte einzudämmen. Aus § 11 Abs. 1 der Gesetzesvorlage geht hervor: „Jeder oder jede, der oder die ein persönliches Fehlverhalten einzelner Polizeidienstkräfte oder die Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Maßnahme behauptet, kann sich mit einer Beschwerde an den oder die Polizeibeauftragte(n) wenden. Jeder oder jede, die eine mittel- oder unmittelbare sowie institutionelle ungerechtfertigte Benachteiligung behauptet, kann sich mit einer Beschwerde an den Berliner Polizeibeauftragten oder die Berliner Polizeibeauftragte wenden.“

Dieses Gesetz soll offenbar als Ergänzung zum Anti-Diskriminierungsgesetz dienen. Aber: Ist die Umgehung der Schutzvorschriften der DSGVO bei Polizisten wirklich grundsätzlich zulässig? Das sollte die Rechtsprechung schnellstens prüfen. Denn warum sollten Polizisten von der DSGVO weniger geschützt sein als andere Bürger?

Ein weiteres Problem stellt sich im Bereich des Persönlichkeitsrechts dar. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) ist ein „absolutes“ Recht, das - selbstverständlich - auch für Polizisten gilt. Es ergänzt die Freiheitsrechte, die im Grundgesetz normiert sind. Zudem gewährleistet das APR die engere persönliche Lebenssphäre - und die kann durch das geplante Gesetz zweifellos beeinträchtigt werden, und zwar in hohem Maße.

Wie weit die Übermittlung personenbezogener Daten von Polizisten an den künftigen Polizeibeauftragten von Berlin gehen darf, wird in der Gesetzesvorlage verschachtelt dargestellt.

Aus der Gesetzesvorlage geht - wie bereits erwähnt - hervor, dass „auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO)“ von Polizisten abgeschöpft werden dürfen.

Und hier kommt, man kann es nicht anders sagen, der fragwürdigste Teil:

Ein Blick in den Art. 9 Abs. 1 DSGVO zeigt uns, welchen besonderen Schutz „besondere Kategorien personenbezogener Daten“ genießen: „Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.“

Im Klartext: Der „Beauftragte für die Polizei Berlin“ kann alle schutzbedürftigen Daten von Polizisten einholen, wenn gegen diese eine Beschwerde wegen Fehlverhaltens im Dienst vorliegt.

Forderung: Die Juristen der Fraktionen des Abgeordnetenhauses Berlin sollten die Gesetzesvorlage einer erneuten Prüfung unterziehen. Eine mögliche Nachbesserung unter Berücksichtigung der DSGVO, dem Grundrecht auf Datenschutz und der Persönlichkeitsrechte in Verbindung mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss unbedingt geschehen - im Sinne einer funktionierenden Rechtsordnung.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

avtor1
Cüneyt Yilmaz

                                                                                ***

Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.

DWN
Politik
Politik Über eine Milliarde Euro für Lobbyarbeit: In welchen Bereichen Konzerne besonders oft Einfluss nehmen
01.04.2025

Lobbyisten gaben 2023 rund eine Milliarde Euro für Einflussnahme auf Bundesebene aus. Eine Gesetzesänderung von 2024 verschärft die...

DWN
Politik
Politik Nato: Die Möglichkeit eines Zusammenbruchs ist real
01.04.2025

US-Präsident Donald Trump hat das westliche Verteidigungsbündnis Nato in eine historische Krise gestürzt. Die Bedrohung kommt nicht von...

DWN
Technologie
Technologie Arbeitsmarkt: Top-Berufe, die es vor 20 Jahren noch nicht gab
31.03.2025

Eine Studie von LinkedIn zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) neue Jobs und Fähigkeiten schafft, Karrieren und Arbeitswelt verändert:...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie: Kurs knickt nach Orcel-Aussage deutlich ein
31.03.2025

Die Commerzbank-Aktie muss nach einer starken Rallye einen Rückschlag hinnehmen. Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte zuvor einen möglichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU vor Herausforderungen: Handelskriege könnten die Wirtschaft belasten – der Ausweg heißt Binnenmarkt
31.03.2025

Die protektionistischen Maßnahmen der USA und mögliche Handelskonflikte belasten die EU-Wirtschaft. Experten wie Mario Draghi fordern...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Betonblock: Lego verklagt Hersteller von Anti-Terror-Betonklötzen
31.03.2025

Lego verklagt das niederländische Unternehmen Betonblock. Die Anti-Terror-Blöcke des Herstellers erinnerten zu sehr an die...

DWN
Technologie
Technologie Neue EU-Vorschriften: Plug-in-Hybriden drohen deutlich höhere CO2-Emissionen
31.03.2025

Mit der Einführung neuer, verschärfter Emissionsmessungen für Plug-in-Hybride (PHEVs) wird die Umweltbilanz dieser Fahrzeuge erheblich...

DWN
Politik
Politik Marine Le Pen wegen Veruntreuung zu Fußfesseln verurteilt - FN-Chef Bardella: "Hinrichtung der französischen Demokratie"
31.03.2025

Marine Le Pen wurde in Paris wegen der mutmaßlichen Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament schuldig gesprochen - das...