Der Zusammenbruch der globalen Lieferketten durch die Corona-Krise brachte im März den Goldmarkt erheblich durcheinander. In der Folge waren Goldbarren an der New Yorker Terminbörse plötzlich deutlich teurer als in London und anderswo, was in den folgenden Monaten einen der größten Transfers von physischem Gold in der Geschichte auslöste.
Der Goldmarkt war im März in Aufruhr geraten, weil Flugzeuge am Boden und Raffinerien geschlossen blieben. Händler mussten befürchten, dass sie das versprochene Gold nicht rechtzeitig nach New York bringen können, um es gegen ihre Terminkontrakte zu liefern. In der Folge schnellten die Gold-Futures in New York in die Höhe, die normalerweise nahe am Londoner Spotpreis gehandelt werden.
Noch immer liegen der Londoner Spotpreis und der Futures-Preis an der New Yorker Rohstoffbörse relativ weit auseinander. Dies zeigte sich erneut in der letzten Woche, als der Goldpreis am Terminmarkt zum ersten Mal seit 2011 wieder über die Marke von 1.800 Dollar stieg, während der Spotpreis deutlich unter dieser Marke verharrte.
Nun haben ähnliche Marktverwerfungen offenbar auch den globalen Handel mit Silber und den Platin erfasst, was nun auch bei diesen beiden Edelmetallen zu erheblichen Preisunterschieden zwischen den großen Handelsplätzen sowie zu einem Anstieg der Edelmetallbestände an den Rohstoffbörsen geführt hat.
Zwar handeln Silber- und Platin-Futures bereits seit Anfang April auf erhöhten Niveaus im Vergleich zum Londoner Spotpreis, doch zuletzt haben sich die Preisunterschiede noch deutlich verschärft. Und wie zuvor beim Gold so hat nun auch bei Silber und Platin der höhere Futurespreis zu einem starken Anstieg der Börsenbestände in New York geführt, wie Bloomberg berichtet.
Diese physische Lieferungen an die Rohstoffbörse Comex dienen den Banken als eine Möglichkeit, ihr Risiko von Preisverwerfungen zu reduzieren und das Risiko zu begrenzen, zitiert Bloomberg David Holmes, ein Senior Vice President bei der Edelmetallraffinerie Heraeus Metals New York.
Die starken Preisunterschiede beim Gold Anfang des Jahres hatten einigen Banken, die in der Regel Futures in New York als Absicherung für ihre Positionen auf dem Londoner Freiverkehrsmarkt verkaufen, erhebliche Verlusten zugefügt. Die britische Großbank HSBC etwa hat auf diese Weise an einem einzigen Handelstag rund 200 Millionen Dollar verloren.
Silber und Platin weisen nun ähnliche Preisunterschiede auf. Die Differenz zwischen dem Silber-Futurespreis und dem Spotpreis lag zum Ende des zweiten Quartal auf dem höchsten Stand seit fast vier Jahrzehnten. Beim Platin stieg die Differenz auf den höchsten Stand seit Anfang 2008, und bei Palladium seit Beginn der Aufzeichnungen, die bis 1993 zurückreichen.
Diese Verwerfungen haben auch dazu geführt, dass man an der Comex einen sprunghaften Anstieg der Lagerbestände verzeichnet. Die Vorräte an Silber und Platin sind kürzlich auf einen Rekordstand gestiegen und verharren weiterhin nahe diesen Niveaus, so wie es im Mai auch beim Gold der Fall war.
Verstärkt wird diese Schieflage noch dadurch, dass die Futures-Positionen stark geschrumpft sind. Denn wenn eine Bank auf niedrigere Kurse gewettet hat, ist es schwierig, die Arbitrage zu schließen. "Daher mussten sie, anstatt ihre Position mit zunehmender Ausweitung der Arbitrage zu erhöhen, ihre Position entweder konstant halten oder sie sogar reduzieren", sagt David Holmes von Heraeus Metals New York.
Das Open Interest bei Platin, also die Summe aller offenen Positionen im Terminhandel, ist seit Januar um mehr als 56 Prozent zurückgegangen und liegt nahe dem niedrigsten Stand seit acht Jahren. Das Open Interest bei Silber ist gegenüber Februar um fast ein Drittel zurückgegangen. Bei Palladium liegt das Open Interest so niedrig wie seit 16 Jahren nicht mehr. Beim Gold hat sich die Lage hingegen zuletzt wieder entspannt.