Finanzen

Warum dieser Investment-Manager jetzt (widerwillig) in Gold investiert

Der Investment-Manager Vitaliy Katsenelson kennt alle Nachteile des Goldes und hat bisher stets auf die Aktien ausgewählter Unternehmen gesetzt. Doch in der aktuellen Krise investiert er nun erstmals auch in Gold und nennt seine Gründe für die "ungeliebte Absicherung".
26.08.2020 14:24
Lesezeit: 4 min

Vitaliy Katsenelson ist Chief Investment Officer bei Investment Management Associates in Denver. In einem Artikel für MarketWatch hat er die Gründe dargelegt, warum sein Unternehmen in der Vergangenheit niemals Gold gekauft hat und warum sich diese Ablehnung gegenüber dem Edelmetall in diesem Jahr geändert hat.

Katsenelson beginnt mit einem Rückblick in die Geschichte. Er schreibt, dass der Dollar in der Folge des Zweiten Weltkriegs zur globalen Reservewährung wurde, weil die USA "die größte, stärkste (stetig wachsende und konservativ finanzierte) Wirtschaft und ein stabiles politisches System (verankert in der US-Verfassung) hatten". Doch dies habe sich nun geändert.

"Im Jahr 2020 wird das Verhältnis der US-Verschuldung zur Wirtschaftskraft wahrscheinlich 120% übersteigen (und könnte bis zu 130% betragen). Man kann die Coronavirus-Pandemie für einiges davon verantwortlich machen, aber die Staatsverschuldung ist stetig gestiegen. Die USA hatten in schlechten und in guten Zeiten, lange vor dem Virus, enorme Haushaltsdefizite."

Im Jahr 2000 beliefen sich die Schulden der USA noch auf 6 Billionen Dollar, was einer Schuldenquote von 30 Prozent entsprach. Im Jahr 2010 betrugen die Schulden 14 Billionen Dollar und im vergangenen Jahr sogar 23 Billionen Dollar. Die Schuldenquote lag nun bereits bei über 100 Prozent und stellte damit die Quote der EU von 86 Prozent in den Schatten.

Obwohl die US-Wirtschaft angeblich boomte, stiegen die Schulden um rund 1 Billion Dollar pro Jahr. "Oder vielleicht war dies der Grund für den Boom der Wirtschaft", schreibt Katsenelson. "Die USA haben ihre staatliche Kreditkarte mit 1 Billion Dollar pro Jahr belastet, Jahr für Jahr, um Dinge zu kaufen und dieses Wachstum zu steuern."

Corona-Krise beschleunigt die Verschuldung

"Dann kam COVID-19", so Katsenelson weiter. "Die USA haben (bis jetzt) 12 Prozent des BIP ausgegeben, um ihre Wirtschaft während des Lockdowns über Wasser zu halten - in Bezug auf das BIP ist das doppelt so viel wie der Rest der Welt, viermal so viel wie die größten europäischen Länder, dreimal so viel wie Japan."

"Unsere Schulden sind wohl um weitere 6 Billionen Dollar in die Höhe geschnellt - es ist noch zu früh, um das genau zu sagen. Die Fed besaß schon 2019 US-Staatsanleihen im Wert von 2,5 Billionen Dollar, und jetzt besitzt sie Staatsanleihen im Wert von 3,7 Billionen Dollar und kauft auch Unternehmensanleihen und ETFs. Aktien werden wahrscheinlich als nächstes dran sein."

Weiter schreibt Katsenelson: "Aber der große Schuldenberg der USA ist nur ein Teil der Geschichte. In der größten Volkswirtschaft der Welt, dem standhaftesten Verfechter freier Märkte, werden die Kosten des Geldes (des wohl wichtigsten Rohstoffs) von einem Dutzend Wirtschaftswissenschaftlern festgelegt."

Im Jahr 2020 reißt das soziale Gefüge der amerikanischen Gesellschaft auseinander, schreibt Katsenelson. Der Zweite Weltkrieg oder der Anschlag vom 11. September hätten das Land vereint. Doch das Coronavirus habe das Land gespalten. Der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen im November werde daran voraussichtlich nichts ändern.

"Früher betrachtete die Welt die USA als globale Führungsmacht, als moralischen Kompass. Lassen Sie es mich so sagen: Wenn die Marsmenschen heute auf der Erde gelandet wären und das Verhalten der Amerikaner genau unter die Lupe nähmen, würden sie wohl kaum zu dem Schluss kommen, dass wir das strahlende Licht der Demokratie sind."

Warum Katsenelson jetzt in Gold investiert

"Obwohl es unwahrscheinlich ist, dass der US-Dollar in naher Zukunft seinen Status als Reservewährung verlieren wird - aus dem einzigen Grund, dass es keine besseren Alternativen gibt (jeder Kandidat hat seine eigenen Probleme) - wird die Stärke, die der Dollar in den letzten zehn Jahren erfahren hat, wahrscheinlich nachlassen."

"Das Virus hat bereits eingetretene Trends beschleunigt - es hat den Beginn des Endes der Globalisierung beschleunigt. Die Globalisierung war ein Rückenwind für den US-Dollar in seiner Rolle als zentrales Medium des globalen Austauschs, und die Deglobalisierung (Lokalisierung) hat den gegenteiligen Effekt. Wir stecken auch knietief in einem kalten Krieg mit China."

Der Verfall des Dollars könne zu einer höheren Inflation und zu höheren Zinsen führen, so Katsenelson. "In den Portfolios meiner Firma sind wir durch den Besitz ausländischer Aktien bereits teilweise für diese Verschiebung positioniert - ein schwächerer Dollar bedeutet, dass die Gewinne ausländischer Unternehmen in US-Dollar steigen werden."

"Aber es gibt noch eine weitere Anlage, die wir kaufen - Gold. Wir haben uns lange dagegen gewehrt. Es gibt so viele Gründe, warum ich Gold nicht mag: Ich weiß nicht, wie viel es wert ist (es hat keinen Geldfluss), es ist ein mittelalterliches Relikt, und es hat keinen produktiven Wert - es liegt nur in den Tresoren der Zentralbanken oder unter Matratzen."

"Aber Gold sichert unsere Kunden gegen zwei Szenarien ab: einen schwächeren US-Dollar und die Entwertung aller Währungen. ... Ein Teil des Geldes wird in Euro, britische Pfund und Schweizer Franken fließen, und ein anderer Teil in Gold - eine unbestechliche Anlageklasse (Zentralbanken und Politiker können nicht mehr Gold schaffen)."

"In der Vergangenheit war unsere Rechtfertigung dafür, kein Gold zu besitzen, dass wir lieber gute Unternehmen besitzen, und das werden wir auch weiterhin tun. Gold wird nur eine weitere Position in unseren Portfolios werden - eine ungeliebte Absicherung."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaskraftwerke für Deutschland: Teuer, umstritten und auch politisch fragwürdig
08.11.2025

Können Wind und Sonne nicht genug erneuerbare Energien liefern, sollen bis zu 40 große Gaskraftwerke einspringen, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin, Ether und Co.: Wie Sie an der Börse sicher in Kryptowährungen investieren
08.11.2025

Wollen Sie Kryptowährungen kaufen? Dann müssen Sie dafür nicht auf irgendwelchen unseriösen Internetportalen herumsurfen. Kurse von...

DWN
Politik
Politik Donald Trump und die US-Präsidentschaftswahl 2028: Strebt er eine dritte Amtszeit an und geht das so einfach?
08.11.2025

Die Diskussion um Donald Trumps mögliches politisches Comeback zeigt das Spannungsfeld zwischen Recht, Strategie und Macht in den USA....

DWN
Technologie
Technologie Deep Tech als Rettungsanker: Wie Deutschland seine industrielle Zukunft sichern kann
08.11.2025

Deutschland hat große Stärken – von Forschung bis Ingenieurskunst. Doch im globalen Wettlauf um Technologien zählt längst nicht mehr...

DWN
Technologie
Technologie So optimiert KI in Belgien die Landwirtschaft: Schwankende Ernten prognostizieren? Kein Problem!
08.11.2025

Die Landwirtschaft muss Erträge effizient planen und Schwankungen ausgleichen, wobei KI zunehmend Entscheidungen auf verlässlicher Basis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Managergehälter: Wie viel Mut hinter den Millionen steckt
08.11.2025

Topmanager reden offen über ihr Einkommen? In Estland sorgen zwei Führungskräfte für großes Staunen. Sie zeigen, wie viel Disziplin,...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Leitzins: Stillstand oder Strategie? Was die EZB-Zinsentscheidung wirklich bedeutet
08.11.2025

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins beim jüngsten EZB-Zinsentscheid nicht angerührt – doch das Schweigen ist laut. Christine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Schmuck aus Holz und Stein: Holzkern – wie Naturmaterialien zum einzigartigen Erfolgsmodell werden
07.11.2025

Das Startup Holzkern aus Österreich vereint Design, Naturmaterialien und cleveres Marketing zu einem einzigartigen Erfolgsmodell. Gründer...