Deutschland

Datenschutz: Bundesregierung will Steuer-ID auch für Rentenübersicht nutzen

Einem Gesetzesentwurf zufolge soll ein Bürger, wenn er über das Internet seine Rentenansprüche abfragen will, seine Steueridentifikationsnummer angeben. Diese Prozedur erfolgt nach Einwilligung des Betroffenen. Allerdings wird hier der Datenschutz aufgeweicht. Zuvor hatte die Bundesregierung mit der E-Patientenakte den Datenschutz nahezu komplett ausgehebelt.
18.09.2020 13:54
Aktualisiert: 18.09.2020 13:54
Lesezeit: 2 min
Datenschutz: Bundesregierung will Steuer-ID auch für Rentenübersicht nutzen
17.06.2019, Brandenburg, Meseberg: Hubertus Heil (SPD, unten), Bundesminister für Arbeit und Soziales scherzt mit Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, vor dem Beginn des 10. Zukunftsgespräches der Bundesregierung mit den Sozialpartnern im Gästehaus der Bundesregierung in Meseberg. (Foto: dpa) Foto: Ralf Hirschberger

Aus dem „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung und der Rehabilitation sowie zur Modernisierung der Sozialversicherungswahlen - Gesetz Digitale Rentenübersicht“ geht hervor, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Steuer-Identifikationsnummer im Zusammenhang mit der digitalen Rentenübersicht nutzen möchte.

„Nach dem Rentenübersichtsgesetz hat die Zentrale Stelle für Rentenübersicht die Aufgabe, auf Anfrage und mit Einwilligung der und des Nutzenden eine individuelle Rentenübersicht zu erstellen und digital zum Abruf zur Verfügung zu stellen (…) Hierfür kommt aus Gründen der Vollständigkeit, der Datensparsamkeit und des möglichst geringen Erfüllungsaufwands nur die Identifikationsnummer nach § 139b AO in Frage, die mit Einwilligung der betroffenen Person auch für außersteuerliche Zwecke verwendet werden kann (§ 139b Absatz 2 Satz 2 AO)“, heißt es im Entwurf.

Telepolis führt aus: „Besondere Bedeutung gewinnt Heils Gesetzesvorhaben vor dem Hintergrund eines zweiten, zeitlich parallel von Bundesinnenminister Seehofer verfolgten Gesetzesvorhabens zur Registermodernisierung, das im Rahmen der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ein ,registerübergreifendes Identitätsmanagement‘ vorsieht.“

Doch ein Vorhaben, dass die Daten von Bürgern systematisch zusammengeführt werden sollen, „um auf dieser Grundlage gezielt in deren Sphäre privater Lebensgestaltung vorzudringen und das Innerste ihrer Persönlichkeit auszuleuchten. Das Verfahren, mit dessen Hilfe die chinesische Regierung in ausgewählten Regionen die soziale Zuverlässigkeit anhand eines Score-Wertes misst, entwirft insoweit - neben den Erinnerungen aus der NS-Zeit und der DDR - eine abschreckende Kontrastfolie: Es greift zur Identifikation der Betroffenen auf eine Kennziffer zurück“, so ein Gutachten der Universität Speyer.

Zudem geht aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juli 1969 hervor: „Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren, sei es auch in der Anonymität einer statistischen Erhebung, um ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist.“

Ein solches Eindringen in den Persönlichkeitsbereich durch eine umfassende Einsichtnahme in die persönlichen Verhältnisse seiner Bürger ist dem Staat auch deshalb versagt, weil dem Einzelnen um der freien und selbstverantwortlichen Entfaltung seiner Persönlichkeit willen ein „Innenraum“ verbleiben muß, in dem er „sich selbst besitzt“ und „in den er sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt“ (Wintrich, Die Problematik der Grundrechte, 1957, S. 15 f.; vgl. auch Dürig in Maunz-Dürig, GG 2. Aufl., Rdnr. 37 zu Art. 1).

In diesen Bereich kann der Staat unter Umständen bereits durch eine - wenn auch bewertungsneutrale - Einsichtnahme eingreifen, die die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch den psychischen Druck öffentlicher Anteilnahme zu hemmen vermag.

Doch es gibt noch weitere umstrittene Bereiche. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will der gewinnorientierten Gesundheitswirtschaft offenbar die geschützten Daten von 73 Millionen zur Verfügung stellen. Das erschließt sich zumindest aus einer Verordnung zur Neufassung der Datentransparenzverordnung.

Unbemerkt von der Öffentlichkeit, hatte die Bundesregierung zuvor durch ein neues Patientenakten-Gesetz den Datenschutz ausgehebelt. In der Akte sollen alle relevanten Patientendaten gespeichert werden. Ein Widerspruchsrecht auf die Speicherung der Patientendaten gibt es nicht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht zeitweise unter 90.000 US-Dollar: Kryptomarkt in extremer Angst
18.11.2025

Der Bitcoin-Kurs ist am Dienstag zeitweise tief gefallen und hat weltweit Unruhe unter Anlegern ausgelöst. Der Fear-and-Greed-Index warnt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Flixtrain bereit zum harten Wettbewerb um Bahn-Kunden
18.11.2025

Im Fernverkehr auf deutschen Schienen herrscht bislang wenig Wettbewerb. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Ein kleiner...

DWN
Technologie
Technologie Fliegende Autos: XPeng eröffnet erste Produktionsstätte für Flugfahrzeuge in China
18.11.2025

China eröffnet erstmals industrielle Strukturen für Fahrzeuge, die sowohl am Boden als auch in der Luft nutzbar sein sollen. Wird damit...

DWN
Technologie
Technologie Cloudflare down: Internetdienste X und ChatGPT massiv von Cloudflare-Störung betroffen
18.11.2025

Die Cloudflare-Dienste sind seit Dienstagmittag weltweit massiv gestört, betroffen sind darunter große Plattformen wie X und ChatGPT. Das...

DWN
Finanzen
Finanzen Nokia-Aktie und Nvidia-Aktie im Fokus: Wie die Partnerschaft 5G-Wachstum antreibt
18.11.2025

Die einst vor allem für Handys bekannte Nokia hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und rückt nun wieder in den Fokus von...

DWN
Finanzen
Finanzen Vestas-Aktie im Minus: So sollen 900 gezielte Entlassungen die Ertragsziele stützen
18.11.2025

Die Vestas-Aktie steht derzeit unter Druck. Dass das Unternehmen weltweit 900 Bürostellen abbaut, scheint den Anlegern auch Sorgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erfolg im Job: Warum Diplome nicht mehr über Karrierechancen entscheiden
18.11.2025

Die Anforderungen an Fachkräfte haben sich deutlich verändert, und Arbeitgeber legen zunehmend Wert auf Fähigkeiten, Persönlichkeit und...

DWN
Technologie
Technologie Digitale Souveränität in Europa: Beckedahl kritisiert Bundesregierung
18.11.2025

Deutschland feiert neue Google- und Microsoft-Rechenzentren, während die digitale Abhängigkeit von US-Konzernen wächst. Der...