Politik

Wenn im Mittelmeer ein Krieg ausbricht, ist Chinas Neue Seidenstraße tot - Teil 1

Lesezeit: 10 min
24.09.2020 16:05  Aktualisiert: 24.09.2020 16:05
Chinas Neue Seidenstraße kann nur gelingen, wenn die Anrainer-Staaten im östlichen Mittelmeer sich vertragen. Doch im Moment stehen die Zeichen auf Sturm.
Wenn im Mittelmeer ein Krieg ausbricht, ist Chinas Neue Seidenstraße tot - Teil 1
Die Routen der Neuen Seidenstraße. (Grafik: WE Forum)​

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der internationale Disput im östlichen Mittelmeer hängt direkt mit der chinesischen „One Belt, One Road“-Initiative (OBOR) zusammen, die im deutschsprachigen Raum als „Projekt zur Neuen Seidenstraße“ umschrieben wird. Die Neue Seidenstraße besteht aus einem Land- und einem Seeweg. Deshalb spielt das östliche Mittelmeer eine wichtige Rolle, um China und Europa handelspolitisch miteinander zu verbinden. Diese Sichtweise ist entscheidend, um die aktuellen Spannungen im östlichen Mittelmeer nachvollziehen zu können. Denn China ist darauf aus, in den Anrainerstaaten des östlichen Mittelmeers in Häfen zu investieren, um eine Verbindung zwischen Ost und West zu schaffen.

China tätigt auch erhebliche Investitionen in Straßen, Autobahnen und Schienen, die die Häfen mit Mittel- und Westeuropa verbinden sollen. Darüber hinaus setzt China die bilateralen Verhandlungen mit der Türkei über den Hafen von Izmir fort, und auch Istanbul hat eine strategische Bedeutung für die Neue Seidenstraße.

Weiterhin ist die Kooperation mit Ägypten aufgrund der Bedeutung des Suezkanals für den interkontinentalen Seehandel von Asien nach Europa ein sehr wichtiger Punkt für Chinas Handel. Der israelische Hafen von Aschdod wird mit chinesischer Hilfe gebaut, während sich China zuvor um den Betrieb des Hafens von Beirut beworben hatte. Doch der wurde im Verlauf des Bewerbungsverfahrens durch eine Explosion komplett zerstört.

Das Magazin „Belt and Road News” führt aus, dass die Präsenz der USA im Mittelmeer die chinesischen Investitionen in der Region nachhaltig bedrohe. Die mediterranen Gas-Streitigkeiten seien aus diesem Blickwinkel zu betrachten, da es eben nicht nur um Gas, sondern um die Neue Seidenstraße gehe. China habe es bisher unterlassen, sich aktiv in die Streitigkeiten im östlichen Mittelmeer einzumischen. Das Land verfolge eine Strategie des Abwartens.

Um den Erfolg der Neuen Seidenstraße zu sichern, müsse China sich dafür einsetzen, die Spannungen zwischen der Türkei, Israel und Ägypten und weiteren Anrainerstaaten abzubauen. „Für China besteht der Weg zur Sicherung der Handelsinteressen (...) im Mittelmeerraum nicht nur darin, auf Eingriffe in die Innenpolitik anderer Länder zu verzichten, sondern auch Konflikte zwischen diesen Ländern zu verhindern“, so das Magazin.

Doch aktuell sieht es nicht besonders gut aus für China. Denn im östlichen Mittelmeer haben sich gegensätzliche Lager herausgebildet, auf deren gemeinsame Kooperation die Neue Seidenstraße angewiesen ist.

Die Türkei als neuer Bündnispartner Chinas

Die Türkei gehört zwar in das westliche Bündnis, doch die aktuelle türkische Regierung bevorzugt enge Beziehungen mit China, um handelspolitisch wachsen zu können. Die USA versuchen, das Verhältnis zwischen der Türkei und China mit dem Hinweis auf die schlechte Behandlung der türkischstämmigen Uiguren im Westen Chinas zu torpedieren. Das US-Magazin „Foreign Policy“ kritisiert in einem aktuellen Artikel, dass die Türkei sich zu einem Handlanger Chinas entwickelt, während China nicht sehr zimperlich mit den Uiguren umgehe.

Chinas Neue Seidenstraße biete der Türkei nämlich „frisches Geld“ und „ein strategisches Standbein“ am Mittelmeer. „Im Rahmen der Initiative zum Aufbau der Infrastruktur hat die Türkei eine Eisenbahnstrecke von Kars in der Osttürkei über Tiflis (Georgien) nach Baku (Aserbaidschan) am Kaspischen Meer fertiggestellt, von wo aus sie Verbindungen zu Verkehrsnetzen nach China herstellt. 2015 kaufte ein chinesisches Konsortium 65 Prozent des drittgrößten Containerterminals der Türkei, Kumport, in Istanbul und erwarb damit eine zentrale Position im Containertransport“, so das US-Magazin.

Im Januar 2020 kaufte ein chinesisches Konsortium 51 Prozent der Yavuz Sultan Selim–Brücke, die Europa und Asien über den Bosporus verbindet. China habe die Strategie der Türkei bestätigt, sich als Verkehrskorridor zwischen dem Reich der Mitte und Europa zu behaupten, was ursprünglich auf die Vorstöße des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zurückgeht. „In diesem Jahr hat Chinas Export- und Kreditversicherungsgesellschaft bis zu fünf Milliarden US-Dollar für den türkischen Vermögensfonds bereitgestellt, der für Neue Seidenstraßen-Projekte verwendet werden soll (…) China stellt 1,7 Milliarden US-Dollar für den Bau des Kohlekraftwerks Hunutlu am Mittelmeer bereit, das nach seiner Fertigstellung voraussichtlich drei Prozent des Stroms des Landes produzieren wird. Ankara plant, einen Vertrag mit Chinas "State Nuclear Power Technology Corporation" über den Bau des dritten türkischen Kernkraftwerks zu unterzeichnen. Über die Infrastruktur hinaus umfasst die chinesisch-türkische Zusammenarbeit die Vertiefung der bilateralen militärischen und sicherheitspolitischen Beziehungen, unter anderem im Bereich Geheimdienste und Cyberkrieg“, führt Foreign Policy kritisch aus.

Doch die USA werden alles unternehmen, um das Verhältnis zwischen China und der Türkei zu stören, weil die Türkei bei der Neuen Seidenstraße gemeinsam mit dem Iran und Italien zu den drei wichtigsten Ländern gehört. Wenn es zu einem Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland oder der Türkei und Frankreich kommen sollte, würde dies einen tödlichen Schlag gegen die Neuen Seidenstraße nach sich ziehen. Dieses Szenario ist nicht ausgeschlossen.

Israel wollte an Neuer Seidenstraße mitwirken

Ein weiteres Land in der Region, das zumindest als Alliierter des Westens angesehen wird, aber gleichzeitig an der Neuen Seidenstraße mitwirken will, ist Israel. Mit Israel hatten die USA in der Vergangenheit ähnliche Probleme wie mit der Türkei. „Israel spielt eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung der Neuen Seidenstraße-Initiative im Nahen Osten. Die Stärkung der bilateralen Zusammenarbeit zwischen China und Israel ist von großer Bedeutung für die Entwicklung der Wirtschaft beider Länder, die Gewährleistung des nationalen Wohlergehens der beiden Völker und die Verbesserung der strategischen Sicherheit in ihrer Nachbarschaft“, so „Belt and Road News“.

Im Jahr 2015 berichtete das israelische „Institute for National Security Studies“ (INSS): „Die Beziehungen zwischen China und Israel haben in den letzten Jahren dramatisch zugenommen, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich. Chinesische Wirtschaftsunternehmen haben ihre Investitionen in israelische Unternehmen, insbesondere in High-Tech, erhöht. Chinesische Unternehmen, die sich mit Infrastruktur befassen, haben erfolgreich Ausschreibungen in Israel gewonnen, und die chinesische Regierung hat Israel eingeladen, an zwei großen chinesischen Initiativen teilzunehmen - der One Belt-, One Road-Initiative und der Asian Investment and Infrastructure Bank.“

Die neokonservative US-Denkfabrik „Hudson Institute“ (HI) kritisierte in einer Analyse die Annäherung Jerusalems an China. Das HI wies darauf hin, dass China vor allem ein großes Interesse an Israels High-Tech-Sektor hat, was eine Gefahr für die USA darstellen könnte. „Kurz gesagt, die Neue Seidenstraße fasst israelische Infrastruktur-Projekte wie die Hafenbauten Haifa und Aschdod sowie Red-Med im Rahmen einer ehrgeizigen transasiatischen Strategie zusammen, um drei Schlüsselressourcen für Chinas zukünftige Größe zu verfolgen: Petrochemie, Verbrauchermärkte und fortschrittliche Technologie“, so das HI.

Besonders problematisch sei nach Angaben des HI eine strategisch-militärische Zusammenarbeit zwischen China und Israel. US-Präsident Donald Trump hat Israel bisher bedingungslos unterstützt – außer in der Frage um die israelisch-chinesischen Beziehungen. Für Israel birgt die Neue Seidenstraße große wirtschaftliche Möglichkeiten in sich, während sie für die USA eine Bedrohung darstellt. Das machte der ehemalige Verteidigungsbeamte der USA, John Rood, im vergangenen Jahr auf einer Konferenz in Herzliya (Israel) deutlich. „Für uns in den USA ist die langfristige Bedrohung durch China die größte nationale Sicherheitsbedrohung, der wir ausgesetzt sind. China hat die Ambition (…), eine Weltmacht zu sein und im Laufe der Zeit die USA als herausragende Weltmacht zu ersetzen“, teilte er seinen israelischen Kollegen mit.

Die US-Forderungen, wonach Israel chinesische Investitionen in israelische Infrastruktur und Technologie einschränken soll, waren von Spannungen geprägt. Trump warnte den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu im März 2019, dass die Zusammenarbeit zwischen den USA und Israel in den Bereichen Verteidigung und Geheimdienst beeinträchtigt werden könnte, wenn Israel nicht handelt, berichtete die Nachrichten-Website Axios.

Welche Konsequenzen darauf folgen könnten, teilte US-Außenminister Mike Pompeo den Israelis mit. „Der Austausch von Informationen muss möglicherweise reduziert werden, die Kollokation von Sicherheitseinrichtungen muss möglicherweise reduziert werden. Wir möchten sicherstellen, dass die Länder dies verstehen und die Risiken kennen“, so Pompeo.

Aus dem „National Defense Authorization Act for Fiscal Year 2020” geht hervor, dass der US-Senat „ein Interesse an der künftigen Präsenz von US-Marineschiffen im Hafen von Haifa in Israel“ habe. Es gebe jedoch ernsthafte Sicherheitsbedenken hinsichtlich der Leasingvereinbarungen des Hafens von Haifa. China wird den Hafen von Haifa als größten Containerhafen Israels ab dem Jahr 2021 in Betrieb nehmen. Die „Jerusalem Post“ berichtete: „Der große Kampf um den Hafen von Haifa ist entschieden, und China hat die USA geschlagen, um die israelische Politik zu beeinflussen. China wird den Hafen im Jahr 2021 in Betrieb nehmen, und die USA müssen entscheiden, ob sie ihre sechste Flotte dort weiter andocken oder ihrer Drohung, sich zurückzuziehen, nachgehen wollen.“

Allerdings ist angesichts der jüngsten Entwicklungen völlig unklar, ob China den Hafen tatsächlich in Betrieb nehmen wird. Die Israelis könnten sich zu früh gefreut haben. Denn Zufälle haben auch einen großen Einfluss auf den Lauf der Dinge.

Am 17. Mai 2020 wurde der chinesische Botschafter in Israel, Du Wie, tot in seiner Wohnung in Herzliya aufgefunden. Aus Obduktions-Ergebnissen geht hervor, dass er im Schlaf verstorben sein soll. Die BBC berichtete dazu: „Als er am 15. Februar in Israel ankam, musste sich Herr Du wegen der Einschränkungen des Coronavirus sofort für zwei Wochen selbst isolieren. In einem Interview mit der israelischen Zeitung Makor Rishon im vergangenen Monat sagte Du, China werde zum Sündenbock der Welt gemacht (…) Am Freitag griff seine Botschaft den US-Außenminister Mike Pompeo scharf an, der bei einem Besuch in Israel Chinas Umgang mit der Coronavirus-Pandemie kritisiert hatte. In einer in der Jerusalem Post veröffentlichten Antwort verurteilte die Botschaft die ,absurden Kommentare‘ von Herrn Pompeo und bestritt, dass China die Krise jemals vertuscht habe.“

Der Vorfall sorgte zwangsläufig zu Verwirrungen zwischen Jerusalem und Peking. Anschließend ging die US-Regierung dazu über, eine Initiative im Nahen Osten ins Leben zu rufen, die international als „Friedensinitiative“ eingestuft wurde. Am 17. August 2020 einigten sich Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) auf ein Friedens- und Kooperationsabkommen. Im Vorfeld hatten die USA dieses Abkommen vorbereitet und initiiert. Doch faktisch gesehen ging es in erster Linie nicht um die Schaffung von Frieden, sondern um den Beginn eines Bündnisses zwischen den Golf-Staaten, die direkt dem Iran und dadurch indirekt China feindlich gegenüberstehen, zu markieren.

Eine „arabische NATO“ gegen Iran und China entsteht

In Anwesenheit von US-Präsident Donald Trump unterzeichneten die Außenminister der VAE und Bahrain im September 2020 bei einer Zeremonie im Weißen Haus in Washington mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu entsprechende Vereinbarungen. Nach den Friedensverträgen mit Ägypten 1979 und Jordanien 1994 haben nunmehr insgesamt vier arabische Länder solche Schritte zur Normalisierung von Beziehungen zu Israel unternommen. Der Oman begrüßte die Annäherung zwischen Israel, Bahrain und den VAE. Der Außenminister des Sultanats, Yousuf bin Alawi bin Abdullah, sagte: „Israel ist ein Staat in der Region, und wir alle verstehen das. Auch die Welt ist sich dieser Tatsache bewusst. Vielleicht ist es an der Zeit, dass Israel [wie andere Staaten] gleich behandelt wird und auch die gleichen Verpflichtungen trägt.“

Trump sagte anschließend, dass auch Saudi-Arabien sich bald den Vereinbarungen mit Israel anschließen könnte. Aber auch Kuwait und Katar werden sicherlich folgen.

Was wie ein israelisch-arabisches Friedensbündnis aussieht, wird sich am Ende als eine Allianz gegen den Iran, der als Sprungbrett Chinas und Europas in den Nahen Osten fungiert, entpuppen.

Der von der US-Regierung initiierte Deal ist Teil eines Plans, den die USA im Jahr 2018 verkündet hatten. Dem US-Militärmagazin Defense News zufolge wollen die USA im Nahen Osten eine „arabische NATO“ gegen den Iran – und letztendlich gegen China – gründen. Darauf hatten die Deutschen Wirtschaftsnachrichten als einziges Medium in Deutschland und im europäischen Raum bereits am 14. August 2020 in einer Analyse hingewiesen.

Eine „arabische NATO“ würde sich aus sechs Golfstaaten (Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait, Bahrain, Oman und Katar) sowie Ägypten und Jordanien zusammensetzen.

Der Schachzug der Trump-Pompeo-Regierung in der Region wird schließlich dazu führen, dass sich Israel bei einer Eskalation zwischen dem Iran und den Golf-Staaten offensiv auf die Seite der Golf-Monarchien schlagen muss, was wiederum zu enormen Spannungen zwischen Jerusalem und Peking führen würde. Es ist auch sehr denkbar, dass Israel in den Golf-Staaten Stützpunkte erhält, um den Iran auszubalancieren. Schlussendlich hat Washington die Israelis sehr geschickt in das anti-chinesische Boot geholt – und zwar durch die Hintertür.

Den iranischen Bekundungen, dass die Abkommen zwischen Israel und den Golf-Staaten ein „Verrat an der palästinensischen Sache“ seien, ist kein Glauben zu schenken. Diese Aussage dient als Deckmantel, weil die Iraner wissen, was auf sie - und nicht auf die Palästinenser - zukommt.

Was wird nun passieren?

Nun ist davon auszugehen, dass die USA, Israel und die Golf-Staaten den Druck auf die Türkei erhöhen werden, um auch Ankara zum Bestandteil der anti-chinesischen (anti-iranischen) Koalition zu machen. Auffällig ist, dass neben Teheran auch Ankara den Deal zwischen den Golf-Staaten und scharf kritisiert hat. Das ist nachvollziehbar, weil die Türken wissen, dass sich die „arabische NATO“ gegen jenes Land richten wird, mit dem sie die Neue Seidenstraße erschaffen wollen.

Die USA haben aktuell gute Karten im östlichen Mittelmeer. Wie bereits erwähnt, ist China im östlichen Mittelmeer auf alle Staaten angewiesen, um die Neue Seidenstraße zu verwirklichen. Aber zwischen diesen Staaten herrschen große Spannungen unter dem Vorwand, die Gas-Ressourcen im östlichen Mittelmeer nicht aufteilen zu können. Das wird sich sicherlich als vorteilhaft für die Amerikaner auswirken.

Der Hafen von Piräus gilt als Drehkreuz für Chinas Neuer Seidenstraße in die EU. Im vergangenen Jahr wurden zwischen Athen und Peking 16 Abkommen in den Bereichen Energie, Tourismus, Justiz und Kultur unterzeichnet. Griechenland ist somit mehr als nur sehr wichtig für China. Wenn es aber gelingen sollte, die Türkei und Griechenland gegeneinander aufzuwiegeln, könnten sich diese beiden Staaten gegenseitig schwächen, um die Verwirklichung der Neuen Seidenstraße unmöglich zu machen. Was würde beispielsweise passieren, wenn es bei einem Konflikt zwischen beiden Seiten zu einer Zerstörung des Hafens von Piräus kommen sollte? Die Türkei und Griechenland sind zwei Bausteine derselben geostrategischen Platte. Die Kombination aus beiden Ländern wäre ein Erfolg für China, aber ein Rückschlag für die USA.

Ein weiterer Gegner der Neuen Seidenstraße ist der französische Präsident Emmanuel Macron, der Griechenland bisher immer dazu gedrängt hat, gegen die Türkei aufzutreten, was aber auch Sinn macht. Denn nur so lässt sich das chinesische Projekt zur Neuen Seidenstraße verhindern. Macron neigt dazu, unilateral vorzugehen, was sich auch zum Nachteil von Deutschland und weiteren EU-Staaten auswirkt. Denn der größte Profiteur der Neuen Seidenstraße wäre Deutschland.

Auch zwischen Ägypten und der Türkei sind die Beziehungen gestört. Dabei sollte Ägypten im Rahmen der Neuen Seidenstraße aufgrund des Suez-Kanals eine wichtige Rolle spielen – zumindest aus Sicht der Chinesen.

Russland tendiert im Konflikt um das östliche Mittelmeer zur Türkei, weil Moskau die Bosporus-Meerenge braucht, um in die Gewässer des Mittelmeers zu gelangen. Zudem gibt es Berührungspunkte in Syrien und Libyen, weshalb beide Länder auf vorübergehende Kooperationen angewiesen sind. Es kann durchaus prognostiziert werden, dass dieses Verhältnis nicht auf Dauer von einer engen Freundschaft geprägt sein wird. Schließlich betrachten die Russen die Türken im Zusammenhang mit dem Kaukasus, Zentralasien und der Ukraine als reale Gefahr. Ankara weiß hingegen, dass die Russen den Staat Armenien im Konflikt mit Aserbaidschan immer unterstützen werden, weil Armenien wie ein Riegel fungiert, der den Türken den Zugang zum Kaukasus versperrt. Außerdem unterstützt Russland aktiv die Kurden-Miliz YPG, die ein Ableger der PKK ist. Die PKK ist - anders als in der EU - aus russischer Sicht keine Terrororganisation.

Zu China hat Russland ein ambivalentes Verhältnis. Moskau hat eigentlich ein großes Interesse an China als Handelspartner. Auch die Neue Seidenstraße ist interessant für die Russen. Auf der anderen ist China der größte geopolitische Kontrahent in Asien. „Das chinesisch-russische Militärbündnis ist nur das, was man an der Oberfläche sieht. Was unter der Oberfläche liegt, ist ein ernsthafter geopolitischer Wettbewerb zwischen China und Russland“, zitiert CNBC Robert Kaplan von der Denkfabrik "Center for a New American Security".

Pekings wirtschaftliche und kommerzielle Aktivitäten in Zentralasien, im russischen Fernen Osten und in der Arktis, die als „Moskaus Hinterhof“ umschrieben werden, stellen eine geopolitische und wirtschaftliche Bedrohung für Russland dar.

Fazit: Die Spannungen im östlichen Mittelmeer hängen direkt mit dem chinesischen Projekt zur Neuen Seidenstraße zusammen. Die Kriege, Unruhen, Proteste und Umstürze, die in den vergangenen Jahren in diversen Anrainer-Staaten des Mittelmeers (Syrien, Libanon, Libyen, Ägypten, aber auch die Türkei und Israel) stattfanden, hängen direkt mit der Neuen Seidenstraße (Energieressourcen und Handelswege) zusammen.

Wenn dieses Projekt gelingen soll, müssen die EU, die Türkei und die restlichen Anrainerstaaten des östlichen Mittelmeers ein harmonisches Verhältnis haben. Doch davon sind sie weit entfernt. Es sieht nicht besonders gut aus für Chinas machtpolitische Ambitionen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Unternehmensflucht stoppen: AfD-Forderungen scheitern im Bundestag
13.10.2024

Immer mehr deutsche Firmen wandern ins Ausland ab. Hohe Energiekosten, Steuern, Bürokratie und Fachkräftemangel setzen Unternehmen unter...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weinlese: Winzer in Deutschland ernten weniger Trauben im Vergleich zum Vorjahr
13.10.2024

Die Weinlese wird in Deutschland in diesem Jahr voraussichtlich erheblich geringer ausfallen als im Vorjahr. Das Statistische Bundesamt in...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Hidden Champions: 5 Dinge, die Anleger von den unsichtbaren Marktführern lernen können
13.10.2024

Hidden Champions sind meist unbekannte Marktführer in hochspezialisierten Märkten. Gegenüber der Konkurrenz haben sie jedoch...

DWN
Politik
Politik Trumps Zölle sind eine Chance für Harris
13.10.2024

Obwohl die Handelspolitik viel diskutiert wird, bleibt die Debatte oft oberflächlich und nationalistisch gefärbt. Statt sich auf die...

DWN
Politik
Politik Politisches Duell im EU-Parlament: Von der Leyen und Orbán im scharfen Schlagabtausch - wie kam es dazu?
13.10.2024

Die Auseinandersetzung zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán erreichte im...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Online-Handel: Umsätze stagnieren - Verbraucher halten sich zurück
13.10.2024

Auch der Online-Handel dümpelt vor sich hin. Nach den Boom-Jahren während der Corona-Krise ist die schlechte Verbraucherstimmung nun auch...

DWN
Politik
Politik Monatliche Meldepflicht für Bürgergeld-Empfänger: Neue Regelung im Fokus
13.10.2024

Die Ampel-Regierung plant eine monatliche Meldepflicht für arbeitslose Bürgergeld-Empfänger, um ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quishing: Wie gefälschte QR-Codes zur unsichtbaren Bedrohung für Unternehmen werden
13.10.2024

Kriminelle nutzen täuschend echte QR-Codes, um Daten zu stehlen – von manipulierten Bank-Briefen bis zu gefälschten Codes an...