Vor fünf Jahren wurde im Rahmen einer Simulation berechnet, dass das Risiko von Nahrungsmittel-Knappheiten in der nächsten Dekade stark zunehmen wird. Das sogenannte „Food Chain Reaction Game“ fand im November 2015 in Washington DC statt. Am Planspiel beteiligt waren unter anderem der World Wildlife Fund (WWF), Agrarkonzerne wie „Cargill“, internationale Verbände und NGOs, ausgewählte Wissenschaftler und zahlreiche Entscheider aus Politik und Wirtschaft.
Es wurde prognostiziert, dass die Preise für Nahrungsmittel von 2020 bis 2030 um 400 Prozent steigen sollen, was einer Verfünffachung entspräche. Im Laufe dieser zehn Jahre soll es demnach zu zwei größeren Nahrungsmittel-Krisen kommen.
Fast Forward fünf Jahre und es mehren sich tatsächlich die Sorgen vor einer weltweiten Nahrungsmittel-Krise. Nur aus anderen Gründen, als die Teilnehmer der Simulation vorhergesagt hatten: Die Corona-Krise hat lokale Anbaukapazitäten reduziert und globale Lieferketten geschädigt.
Das Angebot an Gütern – und damit auch landwirtschaftlichen Erzeugnissen – ist dadurch unter Druck geraten. Dem gegenüber steht eine konstante Nachfrage, denn trotz der Krise müssen sich die Menschen weiterhin ernähren. Ergebnis: Steigende Preise für Nahrungsmittel – und das trotz stark gesunkener Inputpreise wie Öl.
Das zeigt sich schon in der ersten Stufe, den landwirtschaftlichen Vorprodukten. An den Rohstoff-Märkten ist derzeit ein klarer Trend zu beobachten – die Preise für einen Großteil der wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind seit Jahresbeginn gestiegen.
Weizen: plus 13 Prozent binnen Jahresfrist
Sojabohnen: plus 11 Prozent
Milch: plus 25 Prozent
Zucker: plus 12 Prozent
Rindfleisch: plus 20 Prozent
Geflügel: plus 15 Prozent
Raps: plus 13 Prozent
Preisrückgänge gab es nur bei den folgenden Nahrungsmitteln und diese fallen meist auch sehr moderat aus.
Reis: minus 4 Prozent
Schweinefleisch: minus 3 Prozent
Kaffee: minus 16 Prozent
Die Vereinten Nationen warnten bereits im Mai vor einer weltweiten Hunger-Krise. Laut der Welthungerhilfe wirkt Corona wie ein „Brandbeschleuniger“ für zunehmenden Hunger und Armut.
Und das “Committee on World Food Security” (CFS) schätzt, dass sich infolge der Coronakrise die globale Zahl an Hungernden und mangelhaft ernährten Menschen verdoppeln wird.
China und das Schweinefleisch
Aber das Problem ist nicht nur Corona: Heuschreckenplagen und schlechte Wetterbedingungen machen den afrikanischen und asiatischen Bauern zu schaffen. Für das kommende Halbjahr prognostiziert die US-Nahrungsmittel-Behörde USDA zum Beispiel einen Rückgang der chinesischen Getreideproduktion von 5 Prozent, während die Nachfrage weiter steigen soll. Vor einigen Monaten wurden wohl auch inländische Vorräte angezapft, die eigentlich für schlechte Zeiten vorgehalten werden sollten. Außerdem werden die Viehbestände derzeit durch die afrikanische Schweinepest dezimiert.
Auf China liegt ohnehin ein besonderes Augenmerk: Dort sind nämlich die Preise für Schweinefleisch im Juli und August jeweils um über 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen. Im September wurde berichtet, dass die Schweinefleisch-Reserven Chinas nach einem Rückgang von 450.000 Tonnen innerhalb der letzten 12 Monate nur noch weniger als 100.000 Tonnen betragen. Experteneinschätzungen zufolge sind diese Reserven im Ernstfall in zwei bis drei Monaten aufgebraucht.
Inflations-Sorgen
Das ist für die Verbraucher aus mehrerlei Hinsicht schlecht. Einerseits müssen sie höhere Preise bezahlen, andererseits besteht die Gefahr, dass sich die hohen Preise für Lebensmitteln auf das allgemeine Preisniveau durchschlagen und für höhere Inflationsraten sorgen, welche die Kaufkraft mindern.
Nicht nur in China, auch in den USA bereitet die Inflation bei den Nahrungsmitteln Sorge. Die Lebensmittel-Preise stiegen auf Jahresbasis um rund 4 Prozent. In Deutschland ist von einer Nahrungsmittel-Knappheit allerdings noch nichts zu spüren. Hierzulande war im August und September jeweils nur ein Plus von 0,6 Prozent zu verzeichnen.
Eine Fleisch-Steuer als Lösung?
Interessant ist jetzt natürlich, wie die Entscheider in der Simulation auf steigende Nahrungsmittel-Preise reagierten? Eine Antwort: Fleisch-Steuern. Die dadurch erhöhten Preise sollen den Fleisch-Konsum in den reicheren Ländern reduzieren und damit der Knappheit entgegenwirken. Ganz abwegig scheint das nicht, wurde der Ansatz doch in Deutschland bereits mehrmals gefordert.
Die Reaktion auf eine durch Lockdowns und Corona-Beschränkungen mitverursachte Nahrungsmittel-Knappheit soll demnach also ein weiterer staatlicher Eingriff sein. Ganz davon abgesehen, ob dieser die gewünschte Wirkung erzielt oder nicht: Eine solche Steuer würde wieder neue Probleme schaffen (zum Beispiel würden die Ärmsten in den reichen Ländern durch die Verteuerung enorm getroffen) und damit einen weiteren Abstieg in der ewigen Interventions-Spirale bedeuten.
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