Polen wird in großem Stil in die Atomkraft einsteigen und hat in diesem Zusammenhang den Bau von sechs Atomkraftwerken angekündigt. Das erste AKW soll den Planungen zufolge im Jahr 2033 ans Netz angeschlossen werden.
Wie der englischsprachige Dienst von Reuters berichtet, dürften US-amerikanische Technologiepartner beim Einstieg in die Nuklearenergie eine bedeutende Rolle spielen. Die Warschauer Regierung führt dazu bereits seit einiger Zeit Vorverhandlungen, welche nun zum Abschluss einer vorläufigen Vereinbarung geführt haben. Das amerikanische Investment könnte demnach bis zu 18 Milliarden Dollar umfassen. Beobachter schätzen, dass das gesamte Unterfangen den polnischen Staat etwa 40 Milliarden Dollar kosten werde. Zu den beteiligten Unternehmen aus Übersee gehören Berichten zufolge Westinghouse, Bechtel und Southern Co SO.N sowie die US-Regierung selbst.
Polen sucht geostrategische Autonomie
Der Hauptgrund für den Einstieg in die Nuklearenergie ist das Bestreben der polnischen Regierung, die Abhängigkeit von russischem Erdgas im Energiemix des Landes zu minimieren. Nach 2022 soll demnach überhaupt kein russisches Gas mehr gekauft werden, sondern dieses durch Importe von norwegischem Erdgas sowie Flüssiggas (LNG) aus den USA und anderen Ländern ersetzt werden.
Der polnische Einstieg in die Atomkraft kontrastiert damit stark mit der energiepolitischen Ausrichtung der Bundesregierung, welche schrittweise alle Kernkraftwerke schließt und insbesondere die Windkraft als regenerative Energiequelle ausbaut. Die Politik der sogenannten „Energiewende“ hatte in den vergangenen Jahren zu einem starken Anstieg der Strompreise geführt, weil der Strom aus Windkraft und Sonnenenergie bei Weitem nicht wettbewerbsfähig ist und deshalb über die EEG-Umlage staatlicherseits mit Milliarden Euro subventioniert werden muss.
Hinzu kommt, dass der Ausbau der Windkraftparks an Land auf heftigen Widerstand seitens der Bürger stößt. Den landesweit etwa 1000 Bürgerinitiativen zufolge verschandeln die Windräder nicht nur die Landschaft, sondern schreddern auch Milliarden von Insekten und Vögeln und belasten Anwohner mit einer als störend empfundenen Dauerbeschallung.
Erste zaghafte Stimmen durchbrechen das linksgrüne Energiedogma
Angesichts dieser Schwierigkeiten und mit Blick auf die weitreichenden Vorschriften der EU-Kommission bei Energiefragen und des politischen Feldzuges gegen fossile Energieträger ist es deshalb nicht verwunderlich, dass auch in Deutschland Stimmen laut werden, welche eine Rückkehr zur Atomkraft fordern.
Der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, hatte Ende 2019 den 2011 nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima beschlossenen Atomausstieg in Deutschland in Frage gestellt. Er wäre unter Umständen offen dafür, auch in Zukunft Kernkraftwerke zu betreiben, sagte der CDU-Politiker dem "Spiegel". "An mir und an der Unionsfraktion wird es nicht scheitern."
Er habe es für falsch gehalten, überhaupt aus der Kernkraft auszusteigen, sagte Pfeiffer. "Wenn es jetzt aber darum geht, aus Klimaschutzgründen wieder in die Kernenergie einzusteigen, muss die Initiative von den Grünen und Linken ausgehen." Beide Parteien lehnen dies strikt ab. Kernkraftwerke stoßen im Betrieb im Gegensatz zu Kohle- und Gaskraftwerken kein CO2 aus, welches von der Bundesregierung als "klimaschädlich" eingestuft wird.
Unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel hatte die Bundesregierung 2011 praktisch über Nacht und mit bangem Blick auf die anstehenden Landtagswahlen im CDU-Kernland Baden-Württemberg beschlossen, die Atomkraftwerke gestaffelt abzuschalten. Der Bundestag hatte dem im Konsens zugestimmt - mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen. Danach gehen die drei letzten Anlagen spätestens Ende 2022 vom Netz - das sind Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2.
Auch Erneuerbare sollen ausgebaut werden
Polen will zudem die Umstellung von Kohle auf erneuerbare Energien beschleunigen. Dies geht aus einem neuen Strategiepapier zur Energiepolitik hervor, welches das Klima-Ministerium Mitte September veröffentlicht hatte.
Demnach will unser östlicher Nachbar, der gegenwärtig fast 80 Prozent seiner Energie aus Steinkohle und Braunkohle gewinnt, diesen Anteil bis 2030 auf maximal 56 Prozent zurückfahren. Der Anteil könnte sogar bis auf 37,5 Prozent gesenkt werden, sollte der Preis für die CO2-Emissionszertifikate steigen, heißt es in dem Dokument. In einer früheren Version des Strategiepapiers zur Energiepolitik war noch die Rede davon gewesen, den Anteil der Kohle bis 2030 bei 56 bis 60 Prozent zu belassen.
Nach dem nun veröffentlichten Papier soll der Anteil von Steinkohle und Braunkohle bis 2040 im Energiemix des Landes auf 11 bis 18 Prozent zurückgefahren werden. Erneuerbare Energien sollen bis 2030 einen Anteil von mindestens 32 Prozent erreichen. Dies soll vor allem durch den Bau von Photovoltaik-Anlagen sowie von Offshore- und Onshore-Windparks geschehen. Im vergangenen Jahr lag der Anteil der erneuerbaren Energien in Polen bei etwas über 10 Prozent.
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