Politik

Pflicht zur Anmeldung von Insolvenzen wird erneut verschoben

Die Pflicht zur Anmeldung von Insolvenzen wird erneut verschoben. Begründet wird dies auch mit dem Versagen der Bundesregierung bei der Bereitstellung der Hilfszahlungen.
18.01.2021 16:21
Aktualisiert: 18.01.2021 16:21
Lesezeit: 3 min

Der Bundesrat hat die Bundesregierung einstimmig aufgefordert, die Insolvenzantragspflicht für durch die Corona-Pandemie in Not geratene Firmen weiter auszusetzen. Die Länderkammer folgte damit am Montag einem Vorstoß der schwarz-grünen hessischen Landesregierung. Ohne eine Verlängerung der nach geltendem Recht am 31. Januar auslaufenden Aussetzung "käme es aufgrund der verzögerten Auszahlung der staatlichen Hilfsleistungen zur unverschuldeten Insolvenzantragspflicht bei grundsätzlich gesunden Schuldnern", heißt es in der Entschließung. Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und die SPD-Bundestagsfraktion dringen auf eine Verlängerung, stoßen damit aber auf Vorbehalte in der Unions-Fraktion.

"Mit Blick auf eine mögliche Fortsetzung des Lockdowns brauchen wir dringend eine Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ohne Wenn und Aber", sagte SPD-Vizefraktionschef Dirk Wiese der Nachrichtenagentur Reuters. "Deswegen appelliere ich an die Union, dringend auf ihre Länder zu hören." Sein Fraktionskollege Sören Bartol warnte vor einer Pleitewelle. Die Auszahlung der Hilfen dauere ohnehin zu lange: "Wenn jetzt noch die Insolvenzantragspflicht nicht verlängert wird, riskieren wir eine nie dagewesene Pleitewelle im Sommer."

Bundesregierung versagt bei Bereitstellung von Corona-Hilfen

Bemerkenswert ist, dass die erneute Verschiebung der Atragspflicht mit dem Versagen der Bundesregierung bei der Bereitstellung der Corona-Hilfen für Unternehmen begründet wurde. Denn in den vergangenen Tagen stieg der Druck auf die Verantwortlichen - Bundeskanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier - massiv an.

So schrieben Branchenvertreter des Einzelhandels vor Kurzem einen Brandbrief, in welchem gegen Scholz und Merkel schwere Vorwürfe erhoben. Die DWN berichteten zudem unter anderem von der massiven Kritik des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer am Zustand der Rettungspolitik.

Der Insolvenzexperte des „Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle“, Steffen Müller, glaubt zudem, dass die Bundesregierung eine Pleitewelle bis nach der Bundestagswahl im Herbst unter allen Umständen hinauszögern möchte.

Hilfen sollen vereinfacht und aufgestockt werden

Die Bundesregierung will die Corona-Hilfen für Unternehmen im ersten Halbjahr 2021 vereinfachen und aufstocken. "Wir wollen die maximale Fördersumme der Überbrückungshilfe III auf bis zu 1,5 Millionen pro Unternehmen erhöhen und noch etwas größere Unternehmen einbeziehen", sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier am Montag dem Handelsblatt. Ähnlich äußerte sich Finanzminister Olaf Scholz. Mit dem Programm können sich Unternehmen, wenn sie wegen der Pandemie deutliche Umsatzeinbußen nachweisen, einen Großteil ihrer Fixkosten ersetzen lassen.

In Regierungskreisen hieß es, es werde damit gerechnet, dass einige Details am Dienstag in den Beschluss des Kanzleramtes und der 16 Ministerpräsidenten zu den Corona-Einschränkungen aufgenommen würden. Offen sei noch, ob die neue Obergrenze für alle Unternehmen gelten solle oder nur für zwangsweise geschlossene Firmen. Unklar ist auch, ob bereits am Dienstag ein Preisschild für die neuen Hilfen genannt wird.

Bei der Überbrückungshilfe III sollen Firmen künftig eine Förderung für jeden Monat erhalten, indem sie einen Umsatzeinbruch von mindestens 30 Prozent nachweisen können. Darüber hinausgehende Belege wären dann nicht mehr nötig.

Unternehmen und Verbände kritisieren seit Monaten, dass die Antragsbedingungen zu bürokratisch sind und die Gelder zu langsam fließen. Zahlreiche Firmen stehen wegen angeordneter Schließungen im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus mit dem Rücken zur Wand. Ohne effektive Hilfen droht eine Pleitewelle. Bei der Überbrückungshilfe gilt momentan eine Obergrenze pro Unternehmen von 500.000 Euro - ursprünglich waren es einmal 150.000 Euro im vergangenen Jahr.

Auf zusätzliche Hilfe kann der Handel hoffen. Scholz sagte dem RBB-Inforadio: "Auch für Saisonware wollen wir bei der Überbrückungshilfe eine zusätzliche Regelung finden, um Unternehmen zu helfen." Hier sollen Regierungskreisen zufolge Abschreibungen auf verderbliche und saisonale Waren in den Katalog der erstattungsfähigen Fixkosten aufgenommen werden. Skimode etwa könnte zu 100 Prozent abgeschrieben werden, um Unternehmen Liquidität für die Frühjahrsmode zu verschaffen.

Scholz stellte Selbstständigen in Aussicht, die sogenannten "Neustart"-Hilfen umfassender auszugestalten. Sie können im Rahmen der Überbrückungshilfe III bislang eine Kostenpauschale von bis zu 5000 Euro beantragen. Der Zuschuss beträgt dabei einmalig 25 Prozent des durchschnittlichen Monatsumsatzes. Die Quote solle nun auf 50 Prozent erhöht werden, bei einer Obergrenze der Hilfe von 7500 Euro, hieß es in Regierungskreisen.

Die Regierung plant bei den Überbrückungshilfen zudem höhere Abschlagszahlungen. Im Gespräch sind 100.000 oder 150.000 Euro, die Details sollten noch am Montag festgezurrt werden, wie mehrere mit den Beratungen vertraute Personen Reuters sagten. Der Deckel der ersten Auszahlung liegt bisher bei 50.000 Euro - für größere Unternehmen ist das vergleichsweise wenig. Weitere Gelder kommen dann erst nach der Schlussabrechnung, was sich hinziehen kann.

Der Handelsverband HDE begrüßte die geplante Vereinfachung im Antragsverfahren mit nur noch einem Kriterium - einem Umsatzeinbruch um mindestens 30 Prozent. HDE-Lobbyist Stefan Genth sagte dem RBB, dies sei aber eigentlich immer noch zu hoch angesetzt. "Im Einzelhandel sind auch 20 Prozent Umsatzeinbruch auf Dauer absolut existenzgefährdend."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Panorama
Panorama 100 Jahre Rolltreppe: Aufstieg in 30 Sekunden
13.07.2025

Die Rolltreppe ist allgegenwärtig – und doch übersehen wir oft ihre faszinierende Geschichte. Seit 100 Jahren bewegt sie Menschen durch...

DWN
Technologie
Technologie The bright, bright future ahead (AI): Bringt künstliche Intelligenz uns eine bessere Zukunft?
13.07.2025

Es geht Schlag auf Schlag. Bald, so hört man, haben wir die AGI (artificial general intelligence) und danach kommt die Superintelligence....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Geschäftsideen schützen: Mehr Umsatz für Unternehmen mit Patenten und Marken
13.07.2025

Mehr als 50-Prozent mehr Umsatz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Innovationen schützen – warum cleverer Schutz der...

DWN
Politik
Politik Patient Pflegeversicherung: Es fehlen Milliarden in den Kassen
13.07.2025

Immer mehr Pflegebedürftige in Deutschland – und die Finanzierungslücke wächst. Der Bundesrechnungshof warnt und spricht von über 12...

DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kaffeepause statt Burn-out: Warum Müßiggang die beste Investition ist
12.07.2025

Wer glaubt, dass mehr Tempo automatisch mehr Erfolg bringt, steuert sein Unternehmen direkt in den Abgrund. Überdrehte Chefs,...