Politik

„Es ist 5 nach 12“: Mittelstand stellt Bundesregierung miserables Corona-Zeugnis aus, massive Vorwürfe gegen Scholz

Mit Blick auf das Versagen von Merkel und Co. bei den Corona-Hilfen fühlen sich inzwischen viele Firmen „verschaukelt.“ Bemerkenswert: die Vorwürfe gegen Finanzminister Scholz werden massiver - dieser verhindere geradezu mutwillig die Verteilung von Hilfen.
09.02.2021 11:53
Aktualisiert: 09.02.2021 11:53
Lesezeit: 2 min
„Es ist 5 nach 12“: Mittelstand stellt Bundesregierung miserables Corona-Zeugnis aus, massive Vorwürfe gegen Scholz
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Der Mittelstand hat der Corona-Politik der Bundesregierung ein miserables Zeugnis ausgestellt. In einer Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft sagten 71 Prozent der Firmen, die Beantragung und Auszahlung der staatlichen Wirtschaftshilfen sei bürokratisch und kompliziert. Nur ein Drittel der Firmen ist zufrieden mit der Corona-Politik der Bundesregierung. 47 Prozent sagten, diese sei schlecht oder sehr schlecht, nur 19 Prozent als gut oder sehr gut.

Im Zuge der Pandemie nahmen knapp 61 Prozent der Firmen staatliche Hilfen in Anspruch. Sie warten darauf aber teilweise mehrere Monate, was in einigen Fällen die Existenz der Unternehmen gefährdet. Knapp 49 Prozent gaben an, mehr als vier Wochen auf die Hilfen gewartet zu haben, bei 24 Prozent sind es mehr als acht Wochen, bei 27 Prozent sogar über zwölf Wochen.

Der Bundesgeschäftsführer des Verbands, Markus Jerger, sagte am Dienstag, Unternehmer fühlten sich verschaukelt von der Politik. Die Stimmung im Mittelstand sei gekippt. Jerger sprach von einem „Impfchaos“ und einem „Chaos“ bei den versprochenen staatlichen Hilfen. Hilfsgelder kämen nur „tröpfchenweise“ an, dies sei ein Skandal. „Es ist fünf nach Zwölf“, sagte Jerger. Die Regierung dürfe ihre planlose Corona-Politik nicht fortsetzen, sonst drohe ein irreparabler Schaden, der sich langfristig auf den Wohlstand in Deutschland auswirke.

Fahrplan für Öffnungen gefordert

Der Mittelstand erwarte einen verbindlichen Fahrplan für einen „Lockoff“. Bund und Länder beraten am Mittwoch über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise. Mehrere Länder haben Stufenpläne für Öffnungen vorgelegt. Inzwischen fordern zahlreiche Verbände eine Öffnungsperspektive – die Lage sei dramatisch.

Bei den Beratungen von Bund und Ländern am Mittwoch müsse die Politik einen „verbindlichen und verlässlichen Fahrplan“ vorlegen, wann und wie es zu Lockerungen von den Corona-Einschränkungen kommen könne. Denn jede Woche Lockdown koste die deutsche Wirtschaft drei bis fünf Milliarden Euro.

Die Bundesregierung steht wegen der schleppenden Umsetzung der Corona-Hilfen und zu viel Bürokratie seit langem heftig in der Kritik. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte sich bei Unternehmen für die langsame Auszahlung von Corona-Hilfen entschuldigt. „Das ist etwas, wo wir zu schwerfällig sind, wo wir schneller werden müssen“, sagte Altmaier bei Bild live.

Scholz gerät zunehmend in die Kritik

CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus hat die schleppende Auszahlung der Überbrückungshilfen III kritisiert. „Das ist ein Zustand, der ist sehr schwierig für die Betroffenen“, sagt der CDU-Politiker. Man werde mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier reden, wie man die Auszahlung sehr beschleunigen könne. „Zur Wahrheit gehört aber auch: Es besteht eine erhebliche Verantwortung von Olaf Scholz“, sagt er zum SPD-Finanzminister. Das Finanzministerium baue „dauernd neue bürokratische Hürden“ auf. „Das ist für uns nicht akzeptabel.“ Scholz soll nun „konstruktiv“ mitarbeiten.

Die Aussagen Brinkhaus‘ sind bemerkenswert. Schon vor einigen Wochen hatte der Einzelhandel in einem Brandbrief an Bundeskanzlerin Merkel dem Finanzminister schwere Vorwürfe gemacht. Damals hieß es in dem Brief:

„Der Bundesfinanzminister kündigt vollmundig und ohne Unterlass Milliarden Staatshilfen an – ohne Wirkung für den Einzelhandel! Eindringlich bitten wir Sie darauf hinzuwirken, dass Vizekanzler Scholz für die Bundesregierung das Wort einlöst und die Finanzhilfen unkompliziert, schnell und auch tatsächlich im Handel ankommen.“

Und direkt an Scholz gerichtet schrieb der Einzelhandelsverband: „Wir haben Sie und die Bundesregierung schon mehrfach auf die desaströse Lage des Einzelhandels im Lockdown aufmerksam gemacht und um kurzfristige notwendige Nachbesserung bei den Wirtschaftshilfen gebeten. Dies scheint alles ungehört zu verklingen und uns wird zugetragen, dass Sie geradezu auf der „Bremse“ stehen. (...) Wir fordern Sie auf: Halten Sie Wort und sorgen Sie dafür, dass noch im Januar Unterstützungszahlungen im Einzelhandel ankommen!“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft ASML Energieversorgung: Der Strommangel bedroht Europas Technologievorsprung
26.10.2025

ASML ist das Rückgrat der globalen Chipproduktion – doch der Konzern kämpft mit einem paradoxen Problem: Es fehlt an Strom. Während...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ruhestand aufschieben: So regelt man die Weiterbeschäftigung
26.10.2025

Auch unbefristete Arbeitsverträge haben in den meisten Fällen ein natürliches Ablaufdatum: das Erreichen des Renteneintrittsalters. Aber...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kompetenzen der Zukunft: Mit diesen Fähigkeiten sichern Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit
26.10.2025

Die Arbeitswelt verändert sich rasanter denn je. Unternehmen, die auf Kompetenzen der Zukunft setzen, sichern sich nicht nur Talente,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China setzt Europa unter Druck: Billigimporte stellen globalen Handel und Sicherheit auf die Probe
26.10.2025

Der europäische Markt steht vor wachsenden Herausforderungen durch den massiven Zustrom importierter Waren aus China. Zwischen Logistik,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Von Bier bis Cola - viele Getränke werden teurer
26.10.2025

Nach Ankündigungen von Brauereien könnte es erstmals seit mehreren Jahren wieder zahlreiche Preiserhöhungen bei Bier geben. Krombacher...

DWN
Panorama
Panorama Abbrecherquote steigt weiter: Immer mehr verlassen die Schule ohne Abschluss
26.10.2025

Die Zahl derjenigen, die nicht wenigstens mit einem Hauptschul- oder vergleichbarem Zeugnis die Schule verlassen, steigt weiter. Woran das...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz Arbeitsmarkt: Warum die KI auch Manager ersetzt
26.10.2025

Roboter übernehmen nicht mehr nur Fließbänder, sondern auch Schreibtische. Die künstliche Intelligenz dringt tief in Büros, Management...

DWN
Politik
Politik Peter Vesterbacka: Wenn Deutschland wie Estland wäre, hätte es 600 Einhörner
25.10.2025

Europa gilt zunehmend als unentschlossen, überreguliert und kraftlos – Begriffe, die sich in den vergangenen Jahren eingebürgert haben,...