Die Schweizer haben am vergangenen Sonntag die Pläne der Regierung zur Einführung einer „digitalen Identität“ für jeden Bürger (Bundesgesetzt über elektronische Identifizierungsdienste) mit einer großen Mehrheit von 64,4 Prozent abgelehnt, wie Norbert Häring auf seinem Blog berichtet. Im Kern handelte es sich dabei um die Schaffung einer jedem Bürger zugeordneten digitalen Identifizierungsnummer, die diese auf Wunsch erstellen können. Sie soll die Identifizierung der Kunden von digitalen Diensten und Anbietern von Waren und Dienstleistern erleichtern.
Bürgerinitiativen hatten die Volksabstimmung herbeigeführt. Bemängelt wurde vor allem, dass Privatunternehmen Zugriff auf hoheitliche Abzeichen und Tätigkeiten erhalten hätten. In einem offenen Brief hatten zuvor hunderte Unterzeichner zur Ablehnung der Pläne aufgerufen.
Die Deutschen wurden nicht gefragt
In Deutschland hingegen hat die Bundesregierung durchgesetzt, dass die Steueridentifikationsnummer zu einer Art Bürgernummer weiterentwickelt wird, die einer Behörde den Zugriff auf schon vorhandene Daten zu einer Person bei einer anderen Behörde erlaubt. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Betroffene dies auch wünscht und ausdrücklich zustimmt. Das entsprechende Gesetz war zuvor bei Datenschützern und der Opposition im Bundestag auf massive Kritik gestoßen. Es soll durch die zweifelsfreie Identifikation der Bürger angeblich „bürokratischen Aufwand“ reduzieren.
Das Konzept einer einheitlichen Bürger-Identifikationsnummer stammt von der Rockefeller-Stiftung, Microsoft, Accenture und der Gavi-Initiative von Bill Gates, wie Norbert Häring auf seinem Blog berichtet, der sich seit Jahren mit dem Thema befasst und der ein ganzes Dossier zum Thema erstellt hat.
Massive Kritik
Die geplante Einführung der einheitlichen Identifikationsnummer für alle Bürger stieß im Bundestag auf erheblichen Gegenwind. Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs äußerte die Opposition Mitte November einhellig verfassungsrechtliche und Datenschutz-Bedenken.
Schon nach dem Kabinettsbeschluss hatten zahlreiche Datenschützer erhebliche Kritik geäußert. Sie befürchten die Erstellung von umfassenden Persönlichkeitsprofilen. Diesen Bedenken schloss sich die Opposition im Bundestag an. Der AfD-Abgeordnete Uwe Schulz warnte vor dem „gläsernen Bürger“, bei dem der Staat als „moderner Blockwart“ zahllose Daten zusammenführen könne. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz beklagte, der Einzelne dürfe nicht in seiner ganzen Persönlichkeit registriert und katalogisiert werden.
Der digitalpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Manuel Höferlin, hatte im Bundestag angemerkt, die Nutzung der Steuer-ID als einheitliche Personenkennung sei verfassungsrechtlich hochbedenklich. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber, kritisierte, die bereichsübergreifende Verwendung eines solchen Kennzeichens schaffe ein "übermäßiges Risiko der Katalogisierung der Persönlichkeit".
Innenstaatssekretär Günter Krings hingegen widersprach den Bedenken und verwies auf die vorgesehenen Schutzmechanismen: „Eine Profilbildung werden wir weiterhin wirksam ausschließen“, behauptete der CDU-Politiker. Zudem wird einer Behörde der Zugriff auf schon vorhandene Daten zu einer Person bei einer anderen Behörde nur erlaubt, wenn der Betroffene dies auch wünscht und ausdrücklich zustimmt.
Norbert Häring entkräftet diese Behauptungen:
Die Regierung will dieses Problem mit einem Trick umschiffen, mit dem Cookie-Banner-Prinzip der Vorspiegelung von freiwilliger Einwilligung. Die Nutzung dieses Prinzips für Überwachungszwecke haben Weltwirtschaftsforum und Accenture, zusammen mit der US-Heimatschutzbehörde mit ihrem Known-Traveller-Digital-Identity-Projekt propagiert und seither wird es an vielen Stellen in Deutschland, Europa und der Welt entsprechend eingesetzt.
(…)
Bei der Bürgernummer geht das so, dass die Bürgerinnen Ihre Zustimmung geben müssen, damit eine Behörde die Daten von einer anderen Behörde abfragt. Aber wie viel Freiwilligkeit gibt es gegenüber einer Behörde? Was tut man, wenn man vor die Wahl gestellt wird, entweder freiwillig alle Daten preiszugeben, zum Beispiel Steuerdaten, oder eben auf Herz und Nieren geprüft zu werden (weil man ja offenbar etwas zu verbergen hat)?
Ganz abgesehen davon ist es ja etablierter Grundsatz der Beseitigung von Datenschutz, diesen scheibchenweise abzutragen. Zunächst einmal wird die Daten-Infrastruktur aufgebaut, aber mit Zugangshürden zu den Daten versehen. Erst im zweiten Schritt und bei nächster Gelegenheit, werden diese Hürden dann mehr oder weniger allmählich abgebaut.
Bei der Einführung der Steuer-Identifikationsnummer 2008 wurde uns mitgeteilt: “Diese Nummer wird ausschließlich zu steuerlichen Zwecken genutzt”. Versprechen gebrochen. Wie war das mit dem Versprechen, Maut-Überwachungsdaten nur zur Maut-Erhebung zu nutzen, als sich die Gelegenheit bot, Sexualverbrecher mit den Daten zu überführen? Der Beispiele gibt es viele.
Die NSA wird ohnehin nicht nach einer Einwilligung fragen, wenn sie über die in die IT-Ausrüstung der US-Produzenten eingebauten Hintertüren, oder eine freundschaftliche Anfrage bei den hiesigen Diensten nachschaut, was es über bestimmte Bundesbürgerinnen an behördlichen Informationen gibt.