Verteilungseffekte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind ein ständiges Thema in der wirtschaftspolitischen Diskussion geworden. Kurzarbeit, Lockdown-Maßnahmen und die expansive Fiskal- wie Geldpolitik beeinflussen Einkommen und Vermögen in Deutschland auf unterschiedlichste Weise. Generell festigt sich die Einschätzung, dass die Ungleichheit infolge der Corona-Pandemie in Deutschland sowie weltweit zugenommen hat. Gerade die EZB beeinflusst die Vermögensverteilung in Deutschland nun schon seit Jahren, auch bereits vor Corona. Denn die Politik der negativen Zinsen und Bilanzausweitungen hat maßgeblich zu den anhaltenden Immobilienpreisanstiegen beigetragen.
Angesichts einer Eigentümerquote von knapp über 50 Prozent profitiert etwa nur die Hälfte der deutschen Bevölkerung von steigenden Immobilienpreisen. Gleichzeitig vermindern steigende Mieten das frei verfügbare Einkommen vieler Haushalte. Mit Corona und der Zinspolitik der EZB verschärft sich diese Entwicklung und mag sich noch über Jahre hinziehen. Deshalb werden die Folgen steigender Immobilienpreise zunehmend als gesellschaftliches Problem betrachtet, wie auch aktuelle Wahlprogramme zeigen. Bereits seit Jahren hat die IKB auf einem erhöhten Handlungsbedarf und die Notwendigkeit hingewiesen, ein durch negative Zinsen finanziertes soziales Wohnungsbauprogramm des Staates zu etablieren. Schließlich ist es ist Aufgabe der Politik, die Verteilungseffekte der Geldpolitik zu adressieren – vor allem wenn es klare Verlierer gibt.
Der einfache Sparer bleibt der Verlierer
Die Corona-Pandemie hat die Schuldenquoten der Euro-Länder deutlich ansteigen lassen. Die EZB ist zwar bei weitem der größte Gläubiger der Euro-Staaten geworden; diese Entwicklung bedarf dennoch anhaltend niedriger Zinsen, um die Schuldentragfähigkeit zu sichern. Deshalb werden negative reale Renditen weiterhin den Wert von Bargeld belasten und Bargeldbestände in alternative Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien verlagern. Das wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern. Im Gegenteil: Die Inflationsrate sollte im Jahr 2021/22 deutlich ansteigen, und auch mittelfristig könnte sie höher liegen. Die EZB wird das wenig stören. Ihr Fokus liegt auf einem nachhaltigen Inflationsanstieg, was kurz- bis mittelfristig mit anhaltend negativen realen Renditen einhergehen wird. So führt die EZB-Geldpolitik dazu, dass Akteure mit Immobilien, Aktienvermögen und Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten Gewinner bleiben, während der Wert von Bargeldbeständen ständig sinkt.
Die Geldmenge in der Euro-Zone ist in Folge des PEPP-Programms der EZB rasant angestiegen. Dieses Geld fließt jedoch kaum in die Real-, sondern verbleibt überwiegend in der Finanzwirtschaft. Dort schürt es eine Vermögenspreisinflation. Manche Beobachter argumentieren, die Geldmengenausweitung führe letztendlich auch zu einer Verbraucherpreisinflation. Ob Vermögens- oder Verbraucherpreisinflation, beides belastet die Gesellschaft: Allgemeine Inflation wird preisbereinigte Löhne und Transferzahlungen des Staates unter Druck setzten, Immobilienpreisanstiege führen zu Mietanstiegen und zunehmender Vermögensungleichheit. Unweigerlich belastet die EZB-Politik somit den langfristigen gesellschaftlichen Zusammenhalt, gerade in einem Land mit einer relativ niedrigen Eigentümerquote.
Sozialer Wohnungsbau notwendig
Noch immer nimmt sich die Politik die durch die Entwicklung der Immobilienpreise induzierte Vermögensungleichheit nur begrenzt zu Herzen. Die Mieten stehen dabei eher im Fokus als der Aufbau von Vermögen. Doch stabilisiert zum Beispiel eine Mietbremse weder effektiv Mieten, noch den Vermögensaufbau. Grundsätzlich benötigen untere Einkommensschichten mehr Zugang zur Vermögensbildung. Konkret: Sinnvoll wäre eine soziale Wohnungsbauinitiative, finanziert durch die negativen Zinsstrukturkurve des deutschen Staates. Diese Sozialwohnungen sollte der Staat in einem weiteren Schritt zu subventionierten Konditionen an die unteren Einkommensschichten verkaufen. Bei negativen Renditen und steigenden Immobilienpreisen sollte dies nicht allzu schwierig und ohne durch Steuern subventionierte Transferzahlungen zu erreichen sein. So kann ein zunehmender Teil der Bevölkerung vor der Geldentwertung geschützt werden und gleichzeitig Vermögen aufbauen. Sozialer Wohnungsbau ist demnach einiges mehr als nur das Angebot, Wohnraum günstig zu mieten. Es geht darum, Eigentum beziehungsweise Vermögen zu fördern. Nur dann ist es angebracht, von einer sozialen Wohnungspolitik zu sprechen.
Höhere Steuern und mehr Sozialausgaben – wie sie aktuell in vielen Wahlprogrammen zu finden sind – sind ineffektive Instrumente, um Vermögensungleichheit effektiv zu beseitigen. Denn sie fokussieren sich auf die Verteilung, statt auf den Vermögensaufbau. Und sie schaffen negative Anreize. Untere Schichten bleiben Hilfeempfänger des Staates, während die Steuerlast obere Einkommensschichten belastet. Eine nachhaltige Lösung ist das nicht, weil sie den Wenigsten hilft. Ein soziales Wohnungsbauprogramm mit dem Ziel, durch Angebotsausweitung nicht nur Mieten niedrig zu halten, sondern breit basiertes privates Vermögen zu schaffen, hilft hingegen, den negativen Verteilungseffekten der EZB Politik entgegenzuwirken – und dies ohne höhere Steuern.
Nicht mehr, sondern weniger Staat ist notwendig
Um den Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu beseitigen, wird oftmals ein höherer Anteil an Wohnungen in Staatsbesitz gefordert. Der Verkauf von Sozialwohnungen in der Vergangenheit wird scharf kritisiert, habe dies doch nur zu höheren Mieten geführt. Der Staat wird in diesem Zusammenhang als der Beschützer hilfloser Bürger betrachtet. Das Problem ist, dass diese ohne eigenes Vermögen auch Bedürftige bleiben. Schließlich bleiben sie von der Bereitschaft des Staates abhängig, billigen Mietwohnraum anzubieten. Auch aktuell fordern Wahlprogramme verschiedener Parteien einen höheren Staatsanteil an Wohnraum, um bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können. Dabei muss es genau umgekehrt gemacht werden. Nötig ist, privates Eigentum zu fördern und damit die Möglichkeit zu schaffen, an der Vermögenspreisinflation der EZB-Politik zu partizipieren. Der Staat ist in der Lage, durch seine günstigen Finanzierungsmöglichkeiten bezahlbaren Mietwohnraum zu schaffen. Dieser Wohnraum muss jedoch mittelfristig in Privatbesitz übergehen, um Vermögen für untere Einkommensschichten zu schaffen und so auch diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, vom Staat unabhängige Bürger zu werden.
Wie kann das funktionieren? Der Staat intensiviert dank negativer Zinsen den sozialen Wohnungsbau. Die Mieter bekommen nach ein paar Jahren die Möglichkeit, den von ihnen bewohnten Wohnraum subventioniert zu kaufen. Bis dahin wird durch Preissteigerungen am Immobilienmarkt Eigenkapital geschaffen. Der Staat kann die Wohnungen dann zu seinen Finanzierungs- beziehungsweise Baukosten an die Mieter verkaufen. Dadurch kann für die Mieter Eigenkapital aufgebaut werden und eine eigene private Finanzierung sichergestellt werden. Bis genügend Eigenkapital vorliegt, wird die Miete durch negative Refinanzierungskosten des Staates subventioniert – ohne zusätzliche Kosten. Schließlich liegt die aktuelle durchschnittliche Mietrendite von über zwei Prozent immer noch deutlich über der Zinskurve des Staates. Ein Weiterverkaufsverbot über mehrere Jahre sowie kein weiterer Zugang zu subventioniertem Wohnraum mag klare Anreize schaffen, das erworbene Vermögen zu bewahren.
Ein solches Wohnungsbauprogramm würde den negativen Einfluss von Immobilienpreisanstiegen auf die Vermögensverteilung umdrehen: Untere Einkommensschichten können so viel Vermögen aufbauen, wie die steigenden Immobilienpreise hergeben. Mit deutlich ansteigendem Wohnraum würden zwar die Preisanstiege nachlassen, der allgemeine Druck auf Mieten aber ebenfalls.
Ein ausgeweitetes soziales Wohnungsbauprogramm würde folglich nicht nur Wohlstand in Form von Immobilien sowie niedrigere Mieten sicherstellen. Der Vermögensanstieg würde sich auch breiter verteilen, unterstützt von der EZB-Zinspolitik statt durch höhere Steuern.
Verschiedene aktuelle Wahlprogramme betonen immer wieder, Immobilienanstiege würden durch Spekulanten geschürt. Es heißt, Regulierung könnte dieser Entwicklung entgegenwirken und die Bürger vor hohen Immobilienpreisen und Mieten schützen. Dabei sollte es eher darum gehen, Vermögenspreisanstiege zuzulassen und sicherzustellen, dass ein größerer Bevölkerungsanteil daran partizipieren kann. Das Problem sind also nicht die Spekulanten, sondern die Tatsache, dass nur ein begrenzter Anteil der Bevölkerung von Immobilienpreisanstiegen profitiert.
Seit vielen Jahren wird immer wieder betont, es seien nicht genügend Baukapazitäten vorhanden, um bedeutend mehr bauen zu können. Doch steigende Preise führen unweigerlich zu einem höheren Angebot. Dies ist auch aktuell der Fall. Allerdings scheint dies vor allem für hochpreisige Wohnungen zu gelten. Die Bauherren sind überwiegend privat und adressieren eine kaufkräftige Kundschaft. Benötigt wird aber ein Angebotsschub für bezahlbaren Wohnraum, der über die kommenden Jahre bedeutendes Potenzial für eine breite Vermögensbildung schafft. Mitpreisbremsen und Baugeld bewirken hingegen das Gegenteil. Baugeld erhöht die Kaufkraft und führt somit zu noch höheren Immobilienpreisen – ohne die resultierende Vermögensbildung gerechter zu verteilen, während die Mitpreisbremse wie eine Besteuerung auf das Angebot von Mietraum wirkt. Gleiches gilt für den Vorschlag, Mieten nur in Höhe der Inflation ansteigen zu lassen. Der Staat sollte nicht denen im Weg stehen, die Vermögen aufbauen wollen, sondern lieber zusehen, dass diese Möglichkeit für möglichst breite Bevölkerungsschichten gilt. Die EZB-Politik schafft hierfür gute Voraussetzungen. Nun ist der Staat dran, endlich zu handeln.