Politik

Komplette Bundesregierung versetzt letzte Afghanistan-Rückkehrer am Flughafen

Lesezeit: 2 min
02.07.2021 10:52  Aktualisiert: 02.07.2021 10:52
Es war einer der längsten Bundeswehreinsätze überhaupt. Nun ist die fast 20-jährige Mission in Afghanistan Geschichte. Die letzten 264 Soldatinnen und Soldaten kamen am Mittwoch in Deutschland an, die gesamte Führungsriege des Landes war abwesend -Wunsch der Truppe, wie betont wird.
Komplette Bundesregierung versetzt letzte Afghanistan-Rückkehrer am Flughafen
Soldaten der Bundeswehr sind am Mittwoch vor dem Transportflugzeug vom Typ Airbus A400M der Luftwaffe zum Abschlussappell am Flughafen Wunstorf angetreten. (Foto: dpa)
Foto: Hauke-Christian Dittrich

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Nach dem Ende des Einsatzes in Afghanistan sind die letzten Bundeswehrsoldaten nach Deutschland zurückgekehrt. Die Männer und Frauen kamen am Mittwoch in drei Transportflugzeugen der Luftwaffe auf dem niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf an. Der Auftrag sei in herausragender Weise erfüllt worden, sagte der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant Erich Pfeffer, bei einem Rückkehrerappell. „Sie haben sich nicht beirren lassen von unklaren Lagen, häufigen Änderungen der Rahmenbedingungen und auftretenden Friktionen.“

Der Einsatz in Afghanistan war einer der längsten in der Geschichte der Bundeswehr. Ursprünglich sollten die USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 militärisch unterstützt werden. Im Januar 2002 trafen die ersten Kräfte in der Hauptstadt Kabul ein. Seitdem verloren 59 deutsche Soldaten ihr Leben. Mehr als zwölf Milliarden Euro kostete der Einsatz. Insgesamt (Mehrfacheinsätze mitgezählt) waren rund 150.000 deutsche Soldaten dort, berichtet das Portal Tichys Einblick. Zunächst war der Einsatz zur Friedenssicherung gedacht, wurde dann aber zum Kampfeinsatz gegen die Taliban. Zuletzt war der Kernauftrag der Nato-Truppe die Ausbildung afghanischer Streitkräfte.

Hochrangige Politiker fehlen

Auffällig angesichts dieses umfangreichen und politisch höchst umstrittenen Einsatzes: kein hochrangiges Mitglied der Bundesregierung oder des Bundestages empfing die Soldaten am Mittwoch. Bundeskanzlerin Angela Merkel war ebenso abwesend wie Vize-Kanzler Olaf Scholz, Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer oder Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

Auf einen großen Empfang der Soldaten soll die Bundeswehr Medienberichten zufolge selbst verzichtet haben - angeblich mit Verweis auf die Pandemie, so berichtet die dpa. Diese Begründung klingt unglaubwürdig.

Zum einen sinken die Fallzahlen seit Monaten - die landesweite Inzidenzrate liegt derzeit bei 5, wie aus Daten des Robert Koch-Instituts hervorgeht.

Zum anderen sind in den vergangene Woche sämtliche Führungsmitglieder der Bundesregierung bei öffentlichen Terminen aufgetreten - mit oder ohne Maske - als die Inzidenzwerte noch deutlich höher lagen.

Beispielsweise machten zuletzt Bilder von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig die Runde, welche an ein und demselben Tag aufgenommen wurden. Auf dem einen Bild ist Schwesig mit Maske bei einem öffentlichen Empfang zu sehen, kurz danach posierte sie mit Teilnehmern einer „Christopher Street Day“-Parade ohne Maske.

Am Mittwoch anwesend in Wunstorf war allerdings die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Eva Högl. Sie dankte den Soldaten und sprach von einem „bewegenden Moment“. Der Einsatz habe die Bundeswehr geprägt. Zugleich wiederholte sie ihre Forderung, der Bundestag müsse „eine kritische und ehrliche Bilanz“ ziehen. Deutschland solle sich weiter in Afghanistan engagieren, etwa im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung, in der Bildungsarbeit oder bei der Ausbildung der Sicherheitskräfte.

Die Bundeswehr hatte den Abzug zuletzt deutlich vorantreiben müssen, nachdem die US-Regierung unter Präsident Joe Biden den Abzug beschleunigt hatte. Die letzten internationalen Soldaten sollen bis spätestens 11. September Afghanistan verlassen haben, vermutlich werden sie das aber bereits viele Wochen früher tun.

Die letzten Soldaten des italienischen Kontingents trafen am Dienstagabend auf dem Militärflughafen von Pisa ein - empfangen wurden sie vom Verteidigungsminister des Landes, Lorenzo Guerini. „20 Jahre der nationalen Anstrengung gehen zu Ende“, sagte Guerini. Er erinnerte an insgesamt 53 Tote und 723 Verwundete unter den italienischen Soldaten seit Beginn des Einsatzes 2001.

+++UPDATE+++

Inzwischen hat die Bundesregierung reagiert. Der Einsatz der Bundeswehr soll am 31. August in Berlin mit einem Abschlussappell gewürdigt werden. Daran werde auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teilnehmen, teilte das Verteidigungsministerium am Freitag in Berlin mit. Kritik, dass zur Rückkehr der letzten 264 Soldaten keine Vertreter der Bundesregierung auf den niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf gereist waren, wies ein Sprecher zurück. „Es war der Wunsch der Soldatinnen und Soldaten, schnell nach dem langen Einsatz und der Rückkehr aus Afghanistan ihre Familien wiederzusehen. Deswegen gab es eine "Stille Ankunft“, erklärte das Ministerium auf Twitter.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...

DWN
Panorama
Panorama Vollgas in die Hölle: Arzt gab sich als Islamkritiker und Musk-Fan - wirr, widersprüchlich!
21.12.2024

Er galt bei den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islams. Er kämpfte für Frauenrechte und...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Immobilien
Immobilien Grundsteuer 2025: Alles rund um die Neuerung
21.12.2024

Ab Januar 2025 kommt die neue Grundsteuer in Deutschland zum Einsatz. Viele Hausbesitzer und künftige Käufer sind besorgt. Und das...

DWN
Immobilien
Immobilien Förderung jetzt auch für Kauf denkmalgeschützter Häuser
21.12.2024

Wer ein altes Haus kauft und klimafreundlich saniert, bekommt oft Hilfe vom Staat. Das gilt künftig auch für Denkmäler.

DWN
Politik
Politik So wollen die Schweiz und die EU enger zusammenarbeiten
21.12.2024

Die Schweiz ist nicht in der EU, aber es gibt etliche Abkommen. Doch die sind teils veraltet. Das soll sich nun ändern. Was bedeutet das...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kampf gegen Monopole: Europas Schlüsselrolle im Kampf gegen Big Tech und für den Klimaschutz
21.12.2024

Teresa Ribera steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die sozialistische Vizepremierministerin Spaniens wurde im September von der...