Wirtschaft

„Wir werden eine Mega-Preissteigerung bekommen“: Großhändler warnen vor Lieferketten-Chaos

Mehrere Großhändler warnen vor den Auswirkungen der gegenwärtigen Krise im Welthandel auf die Preis-Situation in Deutschland.
09.07.2021 10:26
Aktualisiert: 09.07.2021 10:26
Lesezeit: 3 min

Die weltweiten Engpässe im Frachtverkehr könnten die Bürger in Deutschland deutlich zu spüren bekommen. Große Handelsketten in Deutschland rechnen wegen der Logistikprobleme mit deutlich steigenden Preisen. Raoul Rossmann, Chef der Drogeriekette Rossmann, sagte dem Handelsblatt: „Der starke Anstieg bei den Frachtkosten wird auf jeden Fall zu Preiserhöhungen im Handel führen.“ Ganz ähnlich äußerte sich der Chef des Modediscounters Kik, Patrick Zahn

Mehr zum Thema: Weltwirtschaftsforum simuliert globale Cyber-Attacke auf die Lieferkette eines Unternehmens

Ursache sind die massiven Probleme im weltweiten Frachtverkehr. Container sind im Zuge der Corona-Krise knapp und teuer geworden, an wichtigen Häfen in Asien und Amerika stauen sich dutzende Frachter, welche nicht planmäßig entladen werden können. Und auch der Platz auf den riesigen Containerschiffen ist mittlerweile hart umkämpft.

Das Chaos im Seeverkehr trifft die Handelsketten zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn eigentlich müssten viele Händler in diesen Wochen Ware aus Asien für das Weihnachtsgeschäft ordern. Die möglichen Folgen beschrieb der Geschäftsführer des Fahrradhändlers Rose Bikes, Marcus Diekmann, dem Handelsblatt. „Das wird auf das Weihnachtsgeschäft durchschlagen“, sagte er voraus. „Wir werden eine Mega-Preissteigerung bekommen.“

Verteuerung von Nahrungsmitteln bedrohen Versorgungssicherheit

Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen warnt wegen gestiegener Nahrungsmittelpreise unterdessen vor einem Mangel an Essen für Millionen von Menschen. „Wir haben bereits Konflikte, Klima und Covid-19, die zusammenwirken, um mehr Menschen in Hunger und Elend zu treiben. Jetzt haben sich die Nahrungsmittelpreise dem tödlichen Trio angeschlossen“, sagte der Chefökonom der Organisation, Arif Husain, am Donnerstag in Rom

Das WFP sieht in den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie, durch die viele Menschen ihre Arbeitsplätze und damit ihr Einkommen verloren, eine Gefahr. Außerdem wirkten sich Klimaphänomene wie La Niña und Konflikte zusätzlich zu den gestiegenen Preisen auf die Menschen und ihren Zugang zu Nahrungsmitteln aus.

Mit Blick auf die Regionen registrierten die WFP-Experten im Nahen Osten den größten Preisanstieg für Lebensmittel. In Syrien ist dem WFP-Marktmonitor zufolge der Durchschnittspreis für Speiseöl in den Monaten von März bis Mai um 58 Prozent im Vergleich zu den drei vorangegangenen Monaten gestiegen. Im Libanon, wo eine schwere Wirtschaftskrise herrscht, stieg der durchschnittliche Preis für Weizenmehl für denselben Vergleichszeitraum um 50 Prozent. Auch in Afrika etwa in Simbabwe oder Mosambik und in Südamerika etwa in Venezuela stiegen die Preise für Nahrung.

Das WFP geht von 270 Millionen Menschen aus, die im Jahr 2021 akut an Hunger leiden oder davon stark gefährdet sein werden. Das entspräche einem Anstieg um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für die Friedensnobelpreisträger ist der Hilfseinsatz in diesem Jahr nach eigenen Angaben der größte in der Geschichte der Organisation, mit dem die Helfer 139 Millionen Menschen weltweit erreichen wollen.

Chinas Rohstoffpolitik bremst Preisauftrieb

Die chinesischen Schritte gegen den Preisboom bei Rohstoffen zeigen nach Beobachtung des Hamburger Forschungsinstituts HWWI Wirkung. „Im Juni wurde der Aufwärtstrend der Preise für die meisten Industrierohstoffe zum ersten Mal seit Monaten unterbrochen“, berichteten die HWWI-Experten am Donnerstag. Unter dem Strich waren Industrierohstoffe im Juni an den Weltmärkten 1,8 Prozent günstiger zu haben als im Mai, als das Preisniveau allein gegenüber dem Vormonat um 14,2 Prozent angezogen hatte. Befeuert werden die Rohstoffpreise - neben dem nach wie vor hohen Niveau zum Beispiel bei Metallen - derzeit vor allem von den mehrjährigen Höchstständen bei Rohöl. Auch die Preise für Kohle liegen nach HWWI-Beoabachtung „auf Höchstständen, die seit 10 Jahren nicht mehr überschritten wurden“.

Die chinesische Regierung stemmt sich gegen eine drohende stärkere Inflation im Sog des Rohstoffpreisbooms der vergangenen Monate und hatte im Juni Verkäufe staatlicher Kupfer-, Zink und Aluminium-Bestände an Metallproduzenten angekündigt. Hintergrund der Rohstoffpreisrally ist auch die anziehende Weltkonjunktur mit den beiden Schwergewichten USA und China voran.

Die Preise für Nichteisenmetalle sanken im Juni im Schnitt um 1,9 Prozent, was auf Preisrückgänge an den Märkten für Kupfer und Zink zurückzuführen ist, berichtete das HWWI. „Auch auf den Eisenerzmärkten waren im Juni nur leichte Preissteigerungen gegenüber dem Vormonat zu beobachten. Begründet wird die Entwicklung auf den Eisenerzmärkten damit, dass China seine Stahlproduktion reduzieren muss, um seine CO2-Emissionsziele zu erreichen.“ Eine leichte Entspannung registrieren die HWWI-Volkswirte auch bei Holz. Das erklären sie unter anderem mit erhöhten Kapazitäten amerikanischer Sägewerke sowie mit wegen der hohen Baustoffpreise zurückgestellten Bauprojekten.

Neben der Ölpreishausse sticht für die HWWI im Energiesektor vor allem ein Preisboom bei Kohle ins Auge. „Während die südafrikanischen Kohlepreise im Vergleich zum Vormonat um durchschnittlich 12 Prozent stiegen, erhöhten sich die australischen Kohlepreise im Monatsdurchschnitt sogar um 24,8 Prozent“, berichten sie - und zwar trotz fortschreitender Dekarbonisierung der Wirtschaft. „Aufgrund des chinesischen Importverbots an australischer Kohle, mussten die Lieferketten für Kohle neu organisiert werden“, schreiben sie als Erklärung. „Die verzerrten Handelsströme aufgrund des Handelsstreits zwischen China und Australien, ein geschwächtes Angebot an Kohle aufgrund von Minenschließungen in Kolumbien sowie Überschwemmungen in Indonesien und Australien trieben im Juni die Preise für Kohle nach oben.“

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