Die chinesische Regierung will den Finanzplatz Schanghai zu einem Drehkreuz für die weltweite Verwendung der Landeswährung Renminbi („Yuan“) weiterentwickeln, um dessen internationale Akzeptanz zu erhöhen.
Wie China Daily Mitte Juli berichtete, sollen in Schanghais Finanzdistrikt Pudong in den kommenden Jahren finanztechnische Öffnungsschritte geprobt und Schanghai dadurch mittelfristig als „strategischer Knotenpunkt zwischen den heimischen und den internationalen Märkten“ aufgebaut werden.
Die geplanten Experimente sehen beispielsweise vor, dass qualifizierte ausländische Investoren Aktien in Schanghai ausgeben und handeln können. Zu den angestrebten Projekten zählt außerdem die Gründung eines internationalen Zentrums für den Handel und die Preisberechnung von Erdöl und Erdgas. Auch die chinesischen Anleihemärkte sollen noch stärker für ausländische Investoren geöffnet werden, wozu in Schanghai fortschrittliche Infrastrukturen im Bereich des Interbankenmarktes und des Börsenhandels entwickelt werden sollen.
Kern der finanziellen Öffnungspolitik stellen Bestrebungen dar, den Yuan zu einer international gesuchten Handelswährung weiterzuentwickeln, was sich im Aufbau eines Offshore-Marktes in Schanghai niederschlagen soll. „Solche Maßnahmen werden das Produktportfolio des Renminbi weiter anreichern. Unternehmen und Institutionen, die auf dem chinesischen Markt operieren möchten, sparen dadurch Geld. Der Renminbi kann dann effizienter zwischen dem Onshore- und den Offshoremärkten zirkulieren - was dazu führt, dass sich Schanghai in ein Zentrum für Renminbi-Wertpapierinvestitionen und das dazugehörige Risk Management entwickeln wird“, wird der Vorstandsvorsitzende von HSBC China von China Daily zitiert. Darüber hinaus sind auch Erleichterungen beim Währungstausch vorgesehen.
Abgerundet werden die Öffnungsschritte von der geplanten Gründung eines nationalen Registrierungszentrums für Rohstoff-Transaktionen und Lagerbestände, der Formulierung einschlägiger Blockchain-Standards für Handels- und Finanzgeschäfte sowie von Experimenten im Bereich der digitalen Zentralbankwährung. Li Feng, einem Professor am Shanghai Advanced Institute of Finance, zufolge werden die experimentellen eformen zur Bildung eines „vielschichtigen Kapitalmarktes“ führen, dessen Teilmärkte besser vernetzt sein werden und der die Realwirtschaft effizienter versorgen und unterstützen könne. „Indem der internationale Einfluß von in Schanghai ermittelten Preisen und Indizes erhöht wird, werden in Yuan notierte Wertanlagen weitreichender akzeptiert und weltweit einflussreich. Wenn mehr Yuan-Wertanlagen in Übersee verfügbar sind, werden Privatinvestoren und Institutionen auch mehr in Yuan notierte Papiere halten, was die Internationalisierung des Renminbi voranbringt“, zitiert The Star Li Feng.
Zentralbanken stocken Yuan-Reserven auf
Die Stellung des chinesischen Renminbi im Weltfinanzsystem könnte in den kommenden Monaten eine weitere Aufwertung erfahren. So wollen viele Zentralbanken ihre Bestände in den kommenden 12 bis 24 Monaten aufstocken - besonders Geldinstitute in Afrika wollen von der erwarteten Aufwertung des Yuan profitieren, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Umfrage der britischen Denkfabrik OMFIF hervorgeht.
OMFIF gegenüber gaben 30 Prozent der befragten Zentralbanken an, ihre Yuan-Reserven im genannten Zeitraum aufzustocken - vergangenes Jahr waren es noch netto 10 Prozent. Netto 70 Prozent der Geldinstitute kündigten darüber hinaus an, ihr Engagement beim Yuan über einen längeren Zeitraum zu verstärken. In Afrika fällt der Bedeutungszuwachs des Renminbi besonders stark aus: jede zweite Zentralbank des Schwarzen Kontinents will die chinesische Währung in den nächsten ein bis zwei Jahren zukaufen. Das starke Yuan-Engagement afrikanischer Zentralbanken korreliert dabei mit der robusten Investitionstätigkeit chinesischer Unternehmen und Banken im Bereich der afrikanischen Infrastrukturentwicklung, welche seit vielen Jahren forciert wird.
OMFIF hatte die Umfrage kürzlich unter mehr als 100 Zentralbanken, Staatsfonds und öffentlichen Pensionsfonds mit einem verwalteten Gesamtvermögen von rund 45 Billionen Dollar durchgeführt. Generell zeigte sich, dass außer dem Renminbi noch andere Währungen aus Asien in der diesjährigen Umfrage zur Anlagestrategie profitieren konnten. Ihre Bestände an US-Dollars und der Euro hingegen wollen netto 20 Prozent beziehungsweise 18 Prozent der befragten Institute in den kommenden 12 bis 24 Monaten verringern.
Der chinesische Renminbi gewinnt zwar seit einigen Jahren als Handelswährung schrittweise an Bedeutung - im Bereich der Zentralbankreserven liegt ein Gleichziehen mit dem Dollar und dem Euro aber noch in weiter Ferne.
Der von der Großbank Standard Chartered entwickelte Renminbi Globalization Index, welcher den Anteil des Yuan an den grenzüberschreitenden Zahlungsabwicklungen abbildet, liegt derzeit auf dem höchsten Niveau seit mehr als fünf Jahren, wie Nikkei Asia berichtet. Der Investmentbank Goldman Sachs zufolge könnte der Yuan im Jahr 2030 zudem die drittwichtigste Reservewährung nach US-Dollar und Euro und vor dem japanischen Yen, dem Schweizer Franken und dem britischen Pfund sein.
Die chinesische Regierung hatte im Jahr 2009 begonnen, internationale Zahlungsabwicklungen in Yuan offiziell zu unterstützen. Ein erster Höhepunkt der Internationalisierungsstrategie wurde im Jahr 2016 mit der Einbindung des Renminbi in den IWF-Währungskorb zur Berechnung der „Sonderziehungsrechte“ - eines multinationalen Reserveguthabens des Internationalen Währungsfonds - markiert.
Zu den größten Hindernissen für die Erreichung des Ziels einer weltweiten Akzeptanz des Yuan als Reservewährung gehören indes die nach wie vor starke Kontrolle des Staates über die Kapitalbilanz sowie die fehlende vollständige Konvertabilität des Yuan. Auch im Bereich der Zahlungsabwicklung existiert noch viel Raum nach oben: Daten des führenden Zahlungsdienstleister SWIFT vom Mai zufolge entfielen nur 1,95 Prozent aller weltweit über das System getätigten Transaktionen auf den Renminbi - gegenüber rund 40 Prozent beim US-Dollar und rund 34 Prozent beim Euro.
Abverkauf bei Aktien kurzfristiger Natur?
Abzusehen bleibt, ob der jüngste Abverkauf bei chinesischen Technologieaktien durch ausländische Investoren langfristige Auswirkungen haben wird. Nachdem die chinesischen Behörden Untersuchungen wegen mutmaßlicher Datenschutzverstöße gegen mehrere Unternehmen eingeleitet hatte, waren die Titel der betreffenden Firmen in den vergangenen Tagen unter Druck geraten
Wie die Financial Times nun berichtet, hatten die chinesischen Aufsichtsbehörden großen ausländischen Banken und Investmentsfonds in einer Telefonkonferenz versichert, dass die Prüfungen und Regulierungen in Branchen wie der digitalen Nachhilfe-Angebote keine schwerwiegenden Folgen für die betreffenden Geschäftsmodelle habe. Die Gespräche hatten offenbar Erfolg - die Aktien einschlägiger Firmen und der chinesische Aktienmarkt erholten sich seit den Abverkäufen merklich.
Einem der größten europäischen Anlagefonds zufolge sind die jüngsten Aktionen der chinesischen Aufsichtsbehörden kaum der Rede wert. Wie der Vorstandsvorsitzende des deutschen Fonds DWS gegenüber der Financial Times sagte, müssten Investitionen in China als langfristig verstanden werden. „Es gibt immer ein wenig Lärm und Unsicherheit um das Thema China, damit muss man umgehen“, wird Asoka Wöhrmann von der FT zitiert.
Das Engagement von DWS in China sei hochprofitabel. „China ist für uns ein sehr wichtiger Markt. Es handeltsich dabei um ein von der Industrie dominiertes Land, das sich zum größten Binnenmarkt für Dienstleistungen und Konsum auf der Welt weiterentwickelt hatte. Nun baut es eine eigene Industrie für die Vermögensbildung auf - deshalb bleibt es für Anlagemanager attraktiv.“ Wöhrmann zufolge will DWS seine Aktivität in China und ganz Ostasien weiter verstärken - etwa im Rahmen von Joint Ventures, Übernahmen und Fusionen.
Trotz des von den US-Regierungen seit Donald Trump verfolgten Handelskrieges gegen China und geopolitisch motivierter Spannungen verstärken Banken und Investmentfonds aus dem Westen wie BlackRock, Goldman Sachs, JP Morgan, Amundi und Schroders seit Jahren ihr Engagement in China und haben darüber hinaus eigene Gesprächsforen mit den Chinesen gegründet, um die Schwierigkeiten in der politisch-diplomatischen Sphäre auszubalancieren.