Politik

Bundestag erreicht Rekordgröße, konstituierende Sitzung wohl im Paul-Löbe-Haus

Dem neuen Bundestag werden 735 Abgeordnete angehören - deutlich mehr als je zuvor. Das weitere Anwachsen hat Folgen.
27.09.2021 12:02
Lesezeit: 2 min

735 Abgeordnete - es hätte schlimmer kommen können. Gemessen an Befürchtungen, der neue Bundestag könne 800, 900 oder gar 1000 Abgeordnete stark werden, hält sich der Zuwachs um 36 Parlamentarier in Grenzen. Doch der ohnehin schon größte Bundestag aller Zeiten ist damit noch ein wenig größer geworden.

DIE ENTWICKLUNG

Seit der Wahl 2002 gilt eine Sollgröße von 598 Abgeordneten. Mit 603 Mitgliedern lag das Parlament damals noch ziemlich nah an dieser Zahl. Seitdem wurde es aber immer größer, wuchs auf 614 Abgeordnete (2005), 622 (2009), 631 (2013), 709 (2017) und jetzt eben 735.

DIE URSACHEN

Die wesentliche Ursache hierfür liegt im Wahlrecht. Der Bundestag wird nach dem personalisierten Verhältniswahlrecht gewählt. Dazu ist Deutschland in 299 Wahlkreise eingeteilt. Mit der Erststimme wird in jedem Wahlkreis ein Kandidat direkt gewählt. Mit der Zweitstimme werden Parteien gewählt, die dazu Listen aufstellen. Im Idealfall kämen so zu den 299 Direktmandaten nochmals 299 Listenmandate hinzu.

Das Zweitstimmergebnis entscheidet über die Stärke der Parteien im Bundestag. Aber: Gewinnt eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate als ihr nach dem Zweitstimmergebnis zustehen, darf sie diese behalten. Durch diese sogenannten Überhangmandate steigt die Zahl der Abgeordneten schon mal. Und sie steigt weiter, weil die zusätzlichen Mandate durch Ausgleichsmandate für die anderen Parteien kompensiert werden. So sollen sich die Mehrheitsverhältnisse aus den Zweitstimmergebnissen auch tatsächlich im Parlament abbilden.

DIE ARBEITSWEISE DES PARLAMENTS

Für Fachleute steht fest: Mehr Abgeordnete bedeuten nicht gleich bessere Arbeit. «Die Regelgröße 598 ist mit Bedacht gewählt worden, und soll vor allem einen möglichst effizienten und reibungslosen Ablauf der parlamentarischen Arbeit garantieren», sagt der Wahlforscher Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung. «Zu große Fraktionen, Arbeitsgruppen und Ausschüsse erschweren die Abläufe und machen die parlamentarische Arbeit schwerfälliger.»

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, was der Wissenschaftler meint: Ein wichtiges Gremium wie der Innenausschuss war schon bisher ein Miniparlament aus 45 ordentlichen und weiteren 45 stellvertretenden Mitgliedern. Soll er wirklich noch größer werden?

DAS RAUMPROBLEM

Mehr Abgeordnete brauchen auch mehr Platz. Gerade wird in der Nähe des Reichstags ein neues Bürogebäude in moderner Modulbauweise aus Holz und Stahl errichtet. Für veranschlagte 70 Millionen Euro entstehen 400 Büros, die zum Jahresende bezugsfertig sein sollen. Bis dahin muss improvisiert werden. Jeder und jedem Abgeordneten steht für sich und Mitarbeiter eine Bürofläche von 54 Quadratmetern zu.

Noch größer wird das Platzproblem im Plenarsaal. In ihn passen durch Zusammenrücken zwar auch 1400 Menschen, wie die Bundesversammlung im Februar 2017 gezeigt hat. Unter Corona-Abstandsregeln ist laut Bundestagsverwaltung aber nur Platz für maximal 340 Abgeordnete. Selbst für die Normgröße von 598 Abgeordneten ist der Plenarsaal also zu klein, wenn alle Abgeordnete an einer Sitzung teilnehmen wollen.

Für die konstituierende Sitzung gibt es bereits einen Plan B: Sie wird wohl in die wesentlich größere Halle des Paul-Löbe-Hauses verlegt, ein Bundestagsgebäude in unmittelbarer Nähe zum Reichstag.

DIE MEHRKOSTEN

Mehr Abgeordnete kosten auch mehr Geld. So erhält derzeit jeder Parlamentarier eine Abgeordnetenentschädigung von 10 012,89 Euro und eine steuerfreie Aufwandsentschädigung von 4560,59 Euro im Monat. Allein dies macht im Jahr knapp 175 000 Euro aus. Dazu kommen Kosten für die Mitarbeiter von Abgeordneten und Fraktionen, für Dienstreisen und Sachleistungen sowie noch ein paar Posten mehr.

Der Bund der Steuerzahler hat errechnet, dass allein diese aktiven mandatsbezogenen Kosten bei jährlich 765 000 Euro je Abgeordnetem liegen. Die Organisation hält selbst die Normgröße von 598 Abgeordneten für übertrieben und plädiert für 500. Sie hat deshalb eine Petition «Schluss mit dem XXL-Bundestag!» gestartet.

DAS WEITERE VORGEHEN

Die Hoffnungen liegen jetzt auf der «Kommission zur Reform des Bundeswahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit», die der alte Bundestag schon eingesetzt hat. Der neue Bundestag muss sie nochmals bestätigen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Munich Re: Milliardenschaden durch Waldbrände in Kalifornien
13.05.2025

Flammen wüten immer wieder durch Kalifornien – und hinterlassen nicht nur verkohlte Wälder, sondern auch tiefe Spuren in den Bilanzen...

DWN
Politik
Politik Trump besucht erneut die Golfstaaten – Wirtschaftsinteressen stehen im Vordergrund
13.05.2025

Warum reist Donald Trump erneut als erstes nach Saudi-Arabien – und nicht etwa zu den engsten Nachbarn der USA? Hinter dem glanzvollen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump: Die Arzneimittelpreise müssen um 59 Prozent sinken
13.05.2025

Die Pharmabranche gerät weltweit unter Druck: Mit einer neuen Ankündigung hat US-Präsident Donald Trump den globalen Arzneimittelmarkt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Kommission kündigt Importverbot für russisches Gas an – doch wo bleibt das Gesetz?
13.05.2025

Die EU verkündet das Ende russischer Gasimporte – aber präsentiert (noch) keine juristische Grundlage. Experten warnen: Was die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Innovation Neuro-Webdesign: „Die meisten Firmenwebsites scheitern am Menschen“
13.05.2025

Viele mittelständische Websites wirken modern, funktionieren aber nicht. Warum? Sie ignorieren die Psychologie der Nutzer. Jonas Reggelin,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rezession 2025: Düstere Aussichten für Deutschland
13.05.2025

Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle – und das ausgerechnet in einer Phase, in der neue Impulse dringend nötig wären. Der...

DWN
Politik
Politik Rentenversicherung: Warum Bärbel Bas' Beamten-Vorschlag 20 Milliarden Euro im Jahr kosten würde
13.05.2025

Geht es nach Arbeitsministerin Bärbel Bas, sollen künftig auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden. Eine neue...

DWN
Panorama
Panorama Reichsbürger-Verbot: Dobrindt zerschlägt "Königreich Deutschland"
13.05.2025

Sie erkennen den Staat nicht an, verbreiten Verschwörungstheorien und zahlen häufig keine Steuern. Die Szene der Reichsbürger war...