Politik

Nato in Alarmbereitschaft wegen russischer Truppen-Bewegungen an Grenze zur Ukraine

Lesezeit: 2 min
30.11.2021 21:04  Aktualisiert: 30.11.2021 21:04
Die Außenminister der 30 Nato-Staaten treffen sich in Riga, um über Russlands Militärpräsenz an der Grenze zur Ukraine zu beraten. Das Thema ist brisant – genauso wie die Wahl des Tagungsorts.
Nato in Alarmbereitschaft wegen russischer Truppen-Bewegungen an Grenze zur Ukraine
Antony Blinken (l), Außenminister der USA, und Jens Stoltenberg, Nato-Generalsekretär, geben sich einen Faust-Check, während sie auf dem Treffen der Nato-Außenminister zu Journalisten sprechen. Die Außenminister der 30 Nato-Staaten wollen am 30.11.2021 über die Lage in und um die Ukraine beraten. (Foto: dpa)
Foto: Ints Kalnins

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Nato geht wegen der russischen Truppenbewegungen unweit der Grenze zur Ukraine in den Krisenmodus. Es gebe sehr große Zustimmung zum Vorschlag von Generalsekretär Jens Stoltenberg, die Lage nicht nur zu beobachten, sondern auch Maßnahmen in Gang zu setzen, sagte der geschäftsführende Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Dienstag bei einem Nato-Treffen in der lettischen Hauptstadt Riga. Ziel sei, zu einem gemeinsamen Lagebild zu kommen und Reaktionsmöglichkeiten zu entwickeln - zum Beispiel Sanktionen.

Hintergrund sind Erkenntnisse, wonach Russland an der Grenze zur Ukraine erneut ungewöhnlich große Kontingente gefechtsbereiter Truppen sowie schwere Waffen und Drohnen stationiert hat. Die Ukraine beziffert die Zahl der russischen Soldaten an der Grenze inzwischen auf 115 000. Die Entwicklungen wecken laut der Nato böse Erinnerungen an 2014: Damals hatte sich Russland die ukrainische Halbinsel Krim einverleibt.

„Die militärischen Aktivitäten Russlands an der Grenze zur Ukraine geben uns Anlass zu größter Sorge“, sagte Maas. Wichtig seien jetzt Schritte zur Deeskalation. „Ich werde nicht müde zu betonen, dass die Tür zu solchen Gesprächen für Russland weiter offensteht.“ Zugleich warnte der SPD-Politiker: „Für jegliche Form von Aggression müsste Russland einen hohen Preis zahlen.“

Ähnlich äußerten sich Stoltenberg und US-Außenminister Antony Blinken. „Jede neue Aggression würde schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen“, sagte Blinken. Er sprach von hochgradig besorgniserregenden Truppenbewegungen. Maas sagte: „Es besteht hier Einigkeit darüber, dass eine Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine ernsthafte Konsequenzen hätte - politische, aber auch sicherlich wirtschaftliche.“

Im Rahmen einer umfassenden Analyse führt der geopolitische DWN-Analyst Cüneyt Yilmaz aus, dass die USA (Nato) und Russland im Verlauf der Spannungen zwischen Ost und West eine faktische Aufteilung Europas in Einflusssphären durchführen, um eine stabile Mächtebalance aufzubauen. Eine große Eskalation zwischen der Nato und Russland und den USA und Russland ist völlig ausgeschlossen, meint Yilmaz. Damit widerspricht er strikt dem Narrativ, der in der europäischen, russischen, türkischen, chinesischen und US-amerikanischen Öffentlichkeit geprägt wird.

Stoltenberg wich am Abend bei einer Pressekonferenz einer Nachfrage zu konkreten Beschlüssen aus. Er betonte, dass es beim Thema Beistand einen Unterschied zwischen Partnerländern wie der Ukraine und Mitgliedsstaaten der Allianz gebe. Er sei sich aber sicher, dass es für die Ukraine weiter Hilfe durch Ausrüstung und Ausbildung geben werden. Ein militärisches Eingreifen der Nato gilt wegen der Gefahr eines großen Krieges als äußerst unwahrscheinlich.

Die Gründe für den massiven Truppenaufmarsch sind unklar. Moskau behauptet, dass von Russland keine Gefahr ausgehe. Auf russischem Staatsgebiet könne man Truppen nach eigenem Ermessen bewegen. Staatschef Wladimir Putin kritisierte einmal mehr die Militärpräsenz westlicher Staaten an der russischen Grenze. „Die Russische Föderation ist besorgt“, sagte der Präsident der Staatsagentur Ria Nowosti zufolge. „Das alles stellt eine Bedrohung für uns dar.“

Zu Befürchtungen der Nato vor einem möglichen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine sagte Putin: „Es geht nicht darum, Truppen dorthin zu schicken oder nicht zu schicken, zu kämpfen oder nicht zu kämpfen, sondern darum, die Beziehungen zu verbessern.“ Die Sicherheitsinteressen aller internationalen Akteure müssten berücksichtigt werden. Die britische Außenministerin Liz Truss wies Unterstellungen zurück, dass die Nato die Russen provoziere. Die Nato sei ein Bündnis, das auf dem Grundsatz der Verteidigung beruhe.

Denkbar ist auch, dass der Truppenaufmarsch in Verbindung mit dem Nato-Treffen steht. Zum ersten Mal wird eine Tagung der Nato-Außenminister in dem direkt an Russland grenzenden Bündnisstaat organisiert. Litauen, Lettland und Polen müssen sich derzeit auch mit einer kritischen Situation an ihren Grenzen zum russischen Partnerland Belarus auseinandersetzen. Der Führung in Minsk wird vorgeworfen, gezielt Migranten ins Land zu holen, um sie dann zur Weiterreise in die EU an die Grenze zu bringen.

Auf der Tagesordnung des zweitägigen Nato-Treffens stehen neben der Lage im Osten die laufenden Arbeiten an einem neuen strategischen Konzept für das Bündnis und die Aufarbeitung des in einem Debakel geendeten Afghanistan-Einsatzes. In Afghanistan hatten kurze Zeit nach Ende der Nato-Militärpräsenz die militant-islamistischen Taliban die Macht zurückerobert.


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland: ZEW-Konjunkturerwartungen fallen erneut deutlich
17.09.2024

Die wirtschaftlichen Perspektiven für Deutschland haben sich im September weiter verschlechtert. Die ZEW-Konjunkturerwartungen der...

DWN
Politik
Politik Sozialabgaben und Bemessungsgrenzen steigen kräftig: Lauterbach will Beitragszahler blechen lassen
17.09.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat es angedroht: Gutverdiener müssen sich 2025 auf deutlich höhere Kosten einstellen. Neben...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ein neuer China-Schock? Wie neue Exportwellen aus China die deutsche Industrie treffen könnten
17.09.2024

Chinas Wirtschaft scheint dieser Tage unberechenbar. Nun könnte ein neuer China-Schock die Kernindustrie Europas bedrohen. Wie groß ist...

DWN
Finanzen
Finanzen DSV ist ein Börsenwunder: Gewinn von rund 76.100 Prozent
17.09.2024

Keine andere dänische Aktie kann es mit der DSV-Aktie aufnehmen, wenn es um die Rendite geht. Eine Übernehme von DB Schenker baut diese...

DWN
Politik
Politik Merz wird Kanzlerkandidat der Union
17.09.2024

CDU-Chef Merz und CSU-Chef Söder haben sich in der Kanzlerkandidatur für Merz entschieden. Für den Mittag haben sie zu einer...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Intel stoppt Megaprojekt: Zweifel an Staatshilfen wachsen
17.09.2024

Der US-Chiphersteller Intel stoppt den Bau seiner Fabrik in Magdeburg, trotz zugesagter Staatshilfen im Umfang von 9,9 Milliarden Euro....

DWN
Politik
Politik Netzentgelte: Bundesnetzagentur plant vorzeitig steigende Gaspreise – bis zu 40 Prozent Erhöhung möglich
17.09.2024

Preistreiber Energiewende: Erdgasnetze werden überflüssig und sollen schrittweise bis 2045 abgebaut werden, doch die Endnutzer müssen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fachkräftemangel: Weg frei für Fachkräfte aus Kenia – eine „Win-win-Situation“?
17.09.2024

Mit der Begründung, dass Deutschland Fachkräfte am Arbeitsmarkt fehlen, hat die Bundesregierung ein Anwerbungsabkommen mit Kenia...