Deutschland

Hat die Bundesregierung das Verfassungsgericht an die EU verraten?

Die EU hat das gegen Deutschland eingeleitete Verfahren wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts eingestellt. Doch offenbar hat die Bundesregierung im Gegenzug massive Zugeständnisse gemacht.
04.12.2021 15:18
Aktualisiert: 04.12.2021 15:18
Lesezeit: 1 min
Hat die Bundesregierung das Verfassungsgericht an die EU verraten?
Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht, am 5. Mai 2020 nach der Urteilsverkündung zu den Staatsanleihenkäufen der EZB. (Foto: dpa) Foto: Sebastian Gollnow

Nach der Einstellung eines EU-Verfahrens, bei dem es um ein umstrittenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts ging, hat Bayerns Justizminister Georg Eisenreich Aufklärung vom Bund gefordert.

Der CSU-Politiker sagte dem Münchner Merkur, er erwarte, "dass die Bundesregierung ihre Stellungnahme, die sie gegenüber der Kommission abgegeben hat, veröffentlicht". Er befürchte, dass die Bundesregierung Brüssel Zusagen gemacht habe, um eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof abzuwenden. Im Ergebnis sei die Einstellung des Verfahrens zwar zu begrüßen. Die Erklärung der EU-Kommission werfe aber wichtige Fragen auf.

Die EU-Kommission hatte am Donnerstag das gegen Deutschland eingeleitete Verfahren wegen eines Urteils des Verfassungsgerichts zur Europäischen Zentralbank (EZB) eingestellt. Die Bundesrepublik habe förmlich erklärt, den Vorrang und die Autonomie des Unionsrechts anzuerkennen, erklärte die für die Überwachung der Einhaltung von EU-Recht zuständige Behörde.

Zudem habe Deutschland zugesagt, die Autorität des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anzuerkennen, dessen Urteile endgültig und verbindlich seien. Auch habe sich die deutsche Regierung verpflichtet, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu vermeiden, die die Kompetenzen der EU-Organe infrage stellten.

Hintergrund ist ein Streit um Anleihekäufe der EZB. Das Bundesverfassungsgericht hatte der EU im Mai 2020 attestiert, damit ihre Kompetenzen überschritten zu haben. Brüssel wiederum sah in dem Karlsruher Urteil einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs von EU-Recht.

Im Mai dieses Jahres gab das Bundesverfassungsgericht der EZB schließlich doch noch Recht, da die Notenbank die Verhältnismäßigkeit ihrer Maßnahmen nachgewiesen habe. Mit dem Urteil stellte sich Karlsruhe klar auf die Seite der EZB. Doch die EU-Kommission hat dem Bundesverfassungsgericht das Urteil vom Mai 2020 offenbar nicht vergessen.

Bayern Justizminister Eisenreich zeigt sich alarmiert. "Deutschland ist ein Rechtsstaat mit unabhängigen Gerichten. Dieses Grundprinzip unserer Verfassungsordnung darf nicht angetastet werden", sagte er der Zeitung. Der Bund könne keine solchen Zusagen gegenüber der EU-Kommission machen, weil jede Einflussnahme der Regierung auf die grundgesetzlich geschützte richterliche Unabhängigkeit ausgeschlossen sei. Um Klarheit zu schaffen, forderte Eisenreich Transparenz.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Wie schützt man seine Krypto-Wallet? CLS Mining ermöglicht Nutzern eine stabile tägliche Rendite von 6.300 €.

Der Kryptowährungsmarkt erholte sich heute umfassend, die Stimmung verbesserte sich deutlich. Meme-Coins führten den Markt erneut an....

DWN
Politik
Politik EU plant Anpassungen an der DSGVO: Mehr Spielraum für KI zu Lasten des Datenschutzes?
19.11.2025

Die Europäische Union plant umfassende Änderungen ihrer Digital- und Datenschutzregeln, um Innovationen im Bereich künstlicher...

DWN
Politik
Politik Russisches Geld soll nach Kiew fließen - trotz Korruptionsskandals: Von der Leyen schreibt Merz & Co.
19.11.2025

Für die Nutzung der russischen Gelder werben insbesondere Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und von der Leyen. Ihr Plan sieht vor, der...

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie rutscht ab: Friedenspläne der USA zum Ukraine-Krieg belasten den Rheinmetall-Aktienkurs
19.11.2025

Die Rheinmetall-Aktie gerät nach frischen US-Friedenssignalen erneut in turbulentes Fahrwasser. Analysten bleiben optimistisch, doch die...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen im Fokus: Anleger reagieren auf überhitzte KI-Aktien und reduzieren ihre Positionen
19.11.2025

Investoren an den US-Börsen beobachten derzeit starke Bewegungen im KI-Sektor, während große Akteure gleichzeitig ihr Portfolio neu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Nach Exportbeschränkungen für Nexperia-Chips: Niederlande geben Kontrolle über Chip-Firma Nexperia ab
19.11.2025

Ende September hatte die niederländische Regierung die Kontrolle über Nexperia übernommen. China reagierte kurz darauf mit einem...

DWN
Finanzen
Finanzen Verbraucherumfrage: Debitkarten und Smartphones verdrängen Bargeld in Deutschland
19.11.2025

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass in Deutschland das Bezahlen mit Debitkarte und Smartphone zunehmend das Bargeld verdrängt. Fast die...

DWN
Finanzen
Finanzen Rentenplus 2026? Wann Ruheständler steuerpflichtig werden
19.11.2025

Rentner aufgepasst: Kommendes Jahr könnten die Renten in Deutschland erneut steigen. Was einerseits erfreulich ist, kann andererseits dazu...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktienstrategie: Wie Profis erkennen, wann es Zeit zum Ausstieg ist
19.11.2025

Der perfekte Verkaufszeitpunkt an der Börse ist selten. Doch wer Gewinne nicht rechtzeitig realisiert, riskiert, sie wieder zu verlieren....