Ist sich die Politik eigentlich über die inneren Bedrängnisse bei Impfgegnern klar? Bedenkt sie hinreichend die bei ihnen seelisch und bis ins Körperliche hinein wirkenden Effekte im Falle einer gesetzlichen Impfpflicht?
Langsam beginnt sich das Blatt zu wenden: „Es zeichnet sich ab, dass die Impfpflicht ein Irrweg ist“, bemerkte die Journalistin Kaja Klapsa in der ZDF-Sendung Lanz am 11. Januar. Auch in Österreich steht die angesagte Impfpflicht auf der Kippe. Und Spanien stuft die Pandemie bereits zu einer gewöhnlichen Grippe herunter. Gleichwohl haben noch etliche maßgebliche Politiker in Deutschland kaum bemerkt, dass der Wind sich gedreht hat. So viel für eine indirekte Impfpflicht spricht, so sehr zerbröseln derzeit die Argumente zugunsten einer direkten Vorschrift, die ja vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen können und praktikabel sein müsste. Zu tief wäre der Eingriff in zentrale Grundrechte, zu problematisch die damit provozierte Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung. Denn eine allgemeine oder auf bestimmte Altersgruppen zielende Impfpflicht ließe den Respekt vor der individuellen Entscheidung über den eigenen Körper vermissen; sie würde kränken und demütigen. Dass sich Bundeskanzler Scholz und die Regierungs-Chefs der Länder kürzlich noch für eine generelle Impfpflicht ausgesprochen haben, zeugt vom gemeinsamen Willen zur politischen Agitation – aber auch von Weisheit und Weitblick?
Die spaltende Kraft des Impfpflicht-Ansinnens zu bestreiten, ist entweder naiv oder raffinierte Propaganda. Hält sich doch selbst unter Geimpften und impfenden Ärzten so manche Skepsis gegenüber den Corona-Vakzinen! Der Streit um die politisch geplante Demütigung von Impf-Skeptikern zerreißt Freundschaften, Familien, Teams, Parteien und Gemeinden. Das aber bedeutet zunehmende Verletzungen und Kränkungsgefühle, die ihrerseits krank machen, indem sie das Immunsystem schwächen.
Da ist zunächst die große Mehrheit der Geimpften, die von der Impfung weithin überzeugt ist und für ihre sachliche und moralische Richtigkeit eintritt: Sie ist gekränkt durch die Minderheit der Ungeimpften – genauer gesagt dadurch, dass die sich kaum überzeugen lassen will. „Und bist du
nicht willig, so brauch ich Gewalt“: Wenn man mit Geduld und Zuckerbrot die angepeilte, prozentual ja immer noch weiter hoch geschraubte Zielmarke von annähernd 90 Prozent der Gesamtbevölkerung nicht bald erreichen könne, dann müsse eben die Peitsche her: In diesem Sinne forderten der Weltärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery und andere eine staatlich verordnete und sanktionierte generelle Impfpflicht. Für deren Einführung sind inzwischen alle Länder-Regierungs-Chefs.
Das aber kränkt die zu „Peitschenden“, deren Vorbehalte gegen eine Impfung sehr unterschiedliche Gründe haben können. Da sind neben diversen Verschwörungstheorien[1] durchaus auch rationale Argumente im Spiel. Deren ebenso pauschale wie intolerante Verwerfung im Zuge des Strebens nach einer hart sanktionierten Impfpflicht wirkt wiederum kränkend und verletzend. Empörung und Protestkundgebungen sind die aktuelle Folge – zum kleineren Teil mit leider radikalen Auswüchsen. Aus gutem Grund zweifelt der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, am Instrument der Impfpflicht: „Dies würde zu einer noch stärkeren Polarisierung führen, und viele Menschen würden mit großer Intensität versuchen, dieser Pflicht zu entgehen.“[2]
Impf-Spätfolgen doch nicht ausgeschlossen
Der Gruppe der Impfverweigerer kommt bei alledem eine gewisse Sündenbock-Funktion zu: Montgomery und andere sprachen bekanntlich von der „Tyrannei der Ungeimpften“ – ein deutlicher Ausdruck von Kränkungsgefühlen mit Blick auf all jene, die es ohne hinreichenden Respekt vor dem Gemeinwohl wagten, ihr Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper zu behaupten. Doch dieser international zum Schlagwort gewordenen Formulierung widersprach bekanntlich der Virologe Christian Drosten ganz entschieden: „Wir haben keine Pandemie der Ungeimpften, wir haben eine Pandemie.“ Schließlich wird ja das Virus auch von Geimpften übertragen – eine bittere Wahrheit, deren oft geübte Überspielung wiederum kränkend wirkt. Sollte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki psychologisch nicht doch etwas Richtiges sehen, wenn er Befürwortern einer Impfpflicht intentional „Rache“ an den Umgeimpften unterstellt – nämlich Wut wegen deren Sturheit und Neid auf ihre bewahrte körperliche Unversehrtheit?
Würden nicht viele Bürgerinnen und Bürger, ob geimpft oder nicht, eine Impf-Pflicht als subtile Nötigung empfinden, ja als Attacke auf ihre Würde[3], als organisierte Respektlosigkeit? Die gesetzliche Forderung einer unfreiwilligen Preisgabe körperlicher Selbstbestimmung sollte nur für den allerextremsten Notfall zum Instrumentarium einer freiheitlichen Politik zählen – und würde dann übrigens auch kaum als ungemessen oder verletzend aufgefasst. Dermaßen extrem aber ist die Lage in Deutschland nicht; der Virologe Klaus Stöhr etwa sieht vielmehr mit „Omikron“ ein Ende der Corona-Pandemie in Sicht kommen – und für eine zeitnahe Impfpflicht keinen Anlass[4]! Und so war denn auch am 11. Januar im heute-Journal davon die Rede, dass sich eine Impfpflicht bald erledigt haben könnte. Selbst der Ethikrat hat sich dieser Tage mit Blick auf seine im Dezember ziemlich klar geäußerte Befürwortung einer Impfpflicht „revisionsoffen“ gezeigt[5]!
Doch die Debatte hält an. Wenn sich dabei Befürworter einer Impfpflicht in ihrer rationalen Haltung gekränkt und gar gefährdet fühlen durch Impf-Verweigerer, so sind umgekehrt Impf-Skeptiker gekränkt, wenn sie pauschalisierend und herablassend als irrational karikiert werden und vernünftig vorgebrachte Argumente einfach ausgeblendet oder in einen Topf mit verschwörungsmythischen Behauptungen geworfen werden. Tatsächlich reicht die Impfpflicht-Kritik – so die Demokratie-Forscherin Ulrike Guérot – „bis weit ins bürgerliche Lager, und zwar parteiübergreifend: Es gibt zahlreiche Aufrufe von Ärzten oder Rechtsanwälten, nicht nur auf dubiosen Telegram-Kanälen, sondern auf Webseiten im gesamten politischen Spektrum von konservativ bis links… All diese vielfältigen Gruppen als radikalen Rand oder nicht ernst zu nehmende Minderheit zu bezeichnen, ist Unsinn.“[6]
Bezeichnenderweise gab es im Herbst in zentralen Nachrichtensendungen wiederholt Interviews und Kommentare, die in fast propagandistischer Manier Langzeitwirkungen der Impfstoffe garantiert ausschlossen. Wäre dieses Narrativ mit seinen Folgerungen zutreffend, dann hätten Impfpflicht-Gegner keine guten Karten und müssten – wie Fußballstar Joshua Kimmich – am Ende beschämt umdenken. Aber so eindeutig und „zwingend“ ist die Sache keineswegs. Der international renommierte Virologe und Bioethiker Alexander Kekulé etwa unterstreicht, kein seriöser Wissenschaftler könne ausschließen, dass in Zukunft Impf-Nebeneffekte entdeckt werden, die mit den heutigen Kenntnissen über das menschliche Immunsystem nicht vorhersehbar waren; wer Angst vor der Impfung mit mRNA-Wirkstoffen habe, dürfe nicht dazu „verpflichtet“ werden[7]. Auch der Medizinethiker Axel Bauer von der Universität Mannheim äußerte ähnliche Vorbehalte gegenüber einer generellen Impfpflicht[8]. In England sprachen sich Wissenschaftler, Ärzte und Angehörige von Gesundheitsberufen in einem Artikel des British Medical Journal gegen eine Impfpflicht aus, weil es erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit der Covid-Impfstoffe und einen Mangel an Daten über langfristige Schäden gebe[9]. Neueste Verlautbarungen des britischen Gesundheitsministeriums deuten eventuell sogar darauf hin, dass das Omikron-Ansteckungsrisiko für Geimpfte höher liegen könnte als für Ungeimpfte; rund drei Viertel der Infektionen im Dezember traten bei Geimpften auf, fast zwei Drittel bei doppelt oder dreifach Geimpften, aber lediglich 22 Prozent bei Nichtgeimpften[10]. Diese Daten vom 6. Januar sind freilich insofern zu relativieren, als sie nicht um einzukalkulierende „Störfaktoren“ bereinigt sind, doch geben sie jedenfalls zu denken.
Unbedingt gilt es, einer reduktionistischen Sichtweise der Impf-Problematik zu wehren – nach allen Seiten, versteht sich! Die derzeitigen Plädoyers für eine generelle Impfpflicht implizieren ebenso wie gegenläufige Argumentationen oft insofern einen Anteil an Desinformation, als sie Verkürzungen oder Ausblendungen enthalten. So wäre beispielsweise bei einer Bezugnahme auf die erwähnten Dezember-Daten aus England auch zu berücksichtigen, dass Geimpfte einen zwar derzeit leicht abnehmenden, aber doch ziemlich hohen Schutz vor Hospitalisierung und Tod genießen. Faire, kundige und differenzierte Sachinformation muss transportiert und in den öffentlichen Medien ohne manipulative Tendenzen dargeboten und diskutiert werden. Alles andere würde nach der einen oder anderen Richtung zu Kränkungen führen und das Debattenklima weiter vergiften. Dabei geht es darum, dass am Ende im Bundestag die Weichen demnächst nicht falsch gestellt werden.
Verpflichtende Impfung wäre „Gift“
Fakt ist, dass die aktuell gegen Covid-19 zur Verfügung stehenden Impfstoffe lediglich einer bedingten Zulassung unterliegen. Das aber bedeutet, dass sie ohne die diagnostizierte Notsituation so gar nicht zugelassen worden wären – und dass eine verpflichtend gemachte Impfung unter diesen Umständen eine unwürdige Zumutung bedeuten würde, von einer juristischen Prüfung noch ganz abgesehen. Sollten Impfgegner im Falle einer Impfpflicht gezwungen werden, einen Aufklärungsbogen zu unterschreiben, dessen Inhalten sie argumentativ sehr kritisch gegenüberstehen? Wer haftet, falls sie früher oder auch später zu Schaden kommen würden?
Sofern die Regierenden und das Parlament mehrheitlich davon ausgehen, dass die epidemiologische Lage sowie der Stand „der“ Wissenschaft eine Impfpflicht in der einen oder anderen Variante als unausweichliche Notwendigkeit erscheinen lassen, was folgt daraus für den Umgang mit den nach wie vor „Uneinsichtigen“? Die von Politikern gern geäußerte taktische Behauptung, sie würden nach erfolgter Impfung selber sehen, dass nichts Schlimmes passierte, ja die Spaltung der Gesellschaft könne gerade auf diese Weise überwunden werden, ist auf geradezu kränkende Weise fahrlässig. Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Es gibt ein Buch, das mit esoterischer Begründung behauptet, eine Corona-Impfung werde sogar noch nach dem Tod Folgen haben[11] – was nicht nur allgemein als irrationale Auffassung gebrandmarkt werden muss, sondern auch theologisch unmöglich gutzuheißen ist. Gleichwohl gilt es in einem freiheitlichen Rechtsstaat die Glaubens- und Meinungsfreiheit zu respektieren. Mit einer verpflichtend gemachten Impfung werden wie auch immer argumentierende Impfgegner nicht nur gekränkt, sondern mitunter in größte psychische Bedrängnis (bis hin zu suizidalen Gedanken) gebracht – vom Eingriff in die körperliche Integrität ganz abgesehen. Im Falle des exemplarisch erwähnten Glaubens an eine drohende postmortale Nachwirkung der Impfung sticht nicht einmal das Argument, die Betroffenen würden ja bald einsehen, dass ihnen die Impfung nicht geschadet habe; vielmehr wären diese für den Rest ihres Lebens in höchster Angst gefangen. Aber auch bei denen, die mit Spätfolgen in einigen Jahren rechnen, wäre eine staatliche Impfpflicht gewissermaßen eine seelische Vergewaltigung mit möglichen Langzeitschäden. Denn psychisch erzeugt eine Impfpflicht bei vielen, gegen deren innere Überzeugung sie sich ja respektlos richtet, einen sogenannten Nocebo-Effekt – nämlich analog zur positiven, durchaus oft heilsamen Suggestiv-Wirkung des bekannten Placebo-Effekts hier nun eine negative, real krankmachende Wirkung infolge der wie auch immer begründeten Überzeugung, geschädigt zu werden.
Die protestantische Erfurter Regionalbischöfin Friederike Spengler betont: „Ein sensibler Umgang mit der Hoheit über die geistige und körperliche Unversehrtheit des Einzelnen ist ein hohes Gut. Diese durch eine Verpflichtung zur Impfung einzuschränken, erscheint mir sehr bedenklich.“ Auch der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm lehnt eine allgemeine Impfpflicht mit der Begründung ab, derlei „Zwangsmaßnahmen“ könnten ungeimpfte Menschen dauerhaft vom Staat und einem Großteil der Gesellschaft entfremden. Tatsächlich sollte die Debatte um eine Impfpflicht nicht vertuschen, dass es keineswegs allein um die drohende Einschränkung von Freiheitsrechten geht, sondern um von der Politik mit zu verantwortenden gesundheitlichen Nocebo-Schaden an wohl einigen Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Ob sich die staatliche Schutzpflicht hinsichtlich des drohenden Corona-Schadens in der Gesellschaft einfach gegen diesen von ihm selbst womöglich mit verschuldeten Schad-Faktor ausspielen lässt, dürfte zu bezweifeln sein.
Zweifel gibt es im Übrigen auch hinsichtlich der vielfach durch Geimpfte argumentativ ins Spiel gebrachten gesellschaftlichen Solidarität, die von den Ungeimpften in der Pandemie zu erwarten sei. Dabei ist „Solidarität“ eigentlich keine Forderung, die eine Mehrheit an eine Minderheit richtet, sondern umgekehrt! Mit Recht erklärt dazu Ulrike Guérot: „Es geht um den eigenen Körper als Grenze der Solidarität. Das wird vielfach als Egoismus oder als unzulässige Freiheitsliebe gewertet. Man kann es aber auch als Ausdruck unveräußerlicher Menschenwürde werten, dass der Körper tabu ist und nicht für einen gesellschaftlichen Zweck instrumentalisiert werden darf. Zumal inzwischen erhärtet ist, dass durch eine Impfpflicht weder eine sterile Immunität noch Herdenimmunität erreicht wird, der Zweck also nicht einmal erzielt wird.“ Artikel 2 des Grundgesetzes, der ja das Recht auf körperliche Unversehrtheit fixiert, sei zumindest in historischer Genese als Abwehrrecht gegen einen übergriffigen Staat zu lesen. Jetzt aber werde daraus „ein Recht auf Gesundheit oder Nicht-Ansteckung konstruiert. Man könnte umgekehrt diese Auslegung auch als Egoismus begreifen: Weil ich mich trotz Impfung immer noch nicht sicher fühle, musst du dich auch impfen lassen.“ Doch niemand könne zur Solidarität gezwungen werden. Es sei Gift, so Guérot, gegen Ungeimpfte zu moralisieren und sie zu drangsalieren.
Dynamik der dialektischen Vernunft
Aktuell ist noch auf vier weitere gewichtige Aspekte hinzuweisen, die den Gedanken an eine allgemeine oder etwa „ab 50“ gestufte Corona-Impfpflicht als unangebrachte Maßnahme erscheinen lassen. Erstens sind inzwischen Medikamente gegen schwere Verläufe von Covid-19 zugelassen. Zweitens werden in den nächsten Monaten alternative Impfstoffe verfügbar, die es etlichen Impf-Skeptikern ohnehin leichter machen dürften, gewisse Vorbehalte aufzugeben. Drittens wäre eine Impfpflicht schwerlich ohne nationales Impfregister durchzusetzen, was datenschutzrechtliche Bedenken aufwerfen und bei vielen Menschen ein kränkendes Gefühl verstärkter staatlicher Gängelung erzeugen würde. Und viertens ist die jetzt in Deutschland vorherrschende Omikron-Variante bekanntlich zwar nicht als harmlos zu bewerten, aber doch als gekennzeichnet durch einen „milderen Verlauf“ bzw. „verringerte Pathogenität“– so kürzlich der schon erwähnte Virologe Klaus Stöhr. All diese neueren Gründe rücken eine allgemeine Impfpflicht deutlich in die Kategorie der Unverhältnismäßigkeit. Trotzdem durchgesetzt, müsste sie schikanös wirken – und damit kränkend, wenn nicht krank machend.
Im Übrigen sollte der Gesetzgeber berücksichtigen, dass Spätfolgen einer solchen Impfung seriös eben doch nicht auszuschließen sind, was einige Experten – wie dargelegt – gegen den kollegialen Mainstream mitunter offen einräumen. Auch würde eine Impfpflicht fürs laufende Halbjahr nichts mehr bringen. Der für das Impfpflicht-Projekt in der SPD-Fraktion zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese erklärte denn auch vor Kurzem in Übereinstimmung mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, eine Impfpflicht sei „perspektivisch eine Vorsorge für den kommenden Herbst und Winter“[12]. Doch darf ein derart starker Eingriff in zentrale Grundrechte „vorsorglich“, also gleichsam spekulativ erfolgen? Das ist kaum vorstellbar! Hinzu kommt ja noch, dass die Vakzine offenbar nur wenige Monate wirken und eine Impfpflicht womöglich auf eine „Abonnement-Impfung“ hinausliefe – Grund genug für Andreas Gassen, den Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, sich gegen eine allgemeine Impfpflicht auszusprechen.
Folglich rechtfertigt das Gesamt-Szenario eine Impfpflicht keineswegs als jenes „absolut letzte Mittel“, als das die Weltgesundheitsorganisation (WHO)[13] sie in Europa ansieht. Von dem Projekt ihrer Einführung sollte die Politik deshalb endgültig ablassen – womit verloren gegangenes politisches Vertrauen wiederhergestellt würde und drohende Kränkungen, ja Krankmachungen vermieden werden könnten.
In diese Richtung weist zudem eine statistische Betrachtung. Nimmt man nämlich aus der Statistik Kinder unter fünf Jahren sowie Menschen heraus, die aus medizinischen Gründen ohnehin nicht geimpft werden dürfen, so ergibt sich, dass jetzt vier Fünftel der infrage kommenden Bevölkerung einmal geimpft sind – und etwa 78 Prozent vollständig. In den nächsten Monaten werden die Prozentzahlen ja immer noch weiter steigen, weshalb sich schon von daher die so problematische Einführung einer Impfpflicht für den kleinen Rest der infrage kommenden Bevölkerung nahezu erübrigt. Anstelle einer solch schwierigen Maßnahme wäre es sinnvoller, die trotz aller Aufklärungsmaßnahmen skeptisch Bleibenden vor Nocebo-Schäden und Strafandrohungen zu verschonen – und damit das Heilen der gesellschaftlichen Spaltung zu fördern.
Gewiss wäre eine allgemeine Impfpflicht begrüßenswert und auch kaum demütigend, wenn die entsprechenden Vernunftgründe klar und allgemein einleuchtend wären. Das ist aber schlicht nicht der Fall. Weiterhelfen kann in dieser Frage nur ein Sieg der dialektischen Vernunft. Standpunkt A bildete die selbstverständliche Versicherung der Politik, es werde in der Corona-Pandemie keine Impfpflicht geben. Standpunkt B machte umschwenkend ins prompte Gegenteil die These stark, eine Impfpflicht sei staatlich anzuordnen. Erst der Standpunkt C aber erbringt die wirklich vernünftig zu nennende Synthese, in der A und B einerseits durchgestrichen und andererseits mit ihren Teilwahrheiten bewahrt sind: Demnach kann eine Corona-Impfung staatlich sehr wohl dringend empfohlen, durch eine allenfalls indirekte Impfpflicht (2G) nahegelegt und durch Informationskampagnen, „Aufklärungszwang“ oder Anreize gefördert, aber nicht zur schlechthinnigen Pflicht erhoben werden – auch nicht für bestimmte Altersgruppen. Es darf eben nicht nur strategisch von oben herab gedacht und geplant werden, sondern es muss die grundrechtlich garantierte Würde des Individuums bei alledem gewahrt bleiben. Nach der politischen Stimmungswende von A zu B im Herbst sollte in den kommenden Wochen und Monaten aufgrund einer Gesamtabwägung der Argumente eine Wende hin zu Position C als der eigentlich vernünftigen, tragfähigen Einsicht im Parlament, bei den Regierungs-Chefs der Länder und in der Bevölkerung erfolgen. Dass sich solche Abkehr von der fixen Idee einer Impfpflicht immer mehr abzuzeichnen beginnt, wie Kaja Klapsa und andere beobachten, macht Hoffnung auf eine Entspannung der Gesamtlage.
[1] Ein Beispiel findet sich auf www.bitchute.com/video/bsumRCk3dDKC/: Hier kündigte Ricardo Delgado als Gründer der Quinta Columna Ende Dezember 2021 an, infolge der angeblich graphenoxid-haltigen Nanotechnologien in den Vakzinen werde in Verbindung mit 4G- und 5G-Mobilfunk binnen „weniger Monate“ die Menschheit, so wie wir sie kennen, zu Gunsten von übrigbleibenden roboterartigen Wesen ohne eigenes Denken und freien Willen verschwinden
[2] www.infranken.de/ueberregional/deutschland/stiko-chef-thomas-mertens-spricht-sich-gegen-corona-impflicht-aus-wuerde-zu-einer-noch-staerkeren-polarisierung-fuehren-art-5366958
[3] Dazu Prof. Dr. Kai Möller als Jurist: www.deutschlandfunkkultur.de/impfpflicht-menschenwuerde-unversehrteit-100.html
[4] www.ndr.de/nachrichten/info/Virologe-Stoehr-Milderer-Erkrankungsverlauf-bei-Omikron-Variante,audio1038102.html); www.phoenix.de/virologe-stoehr-omikron-deutlicher-schritt-richtung-ende-der-pandemie-a-2425529.html?ref=292997; www.oz-online.de/artikel/1169125/Corona-Top-Virologe-Klaus-Stoehr-vehement-gegen-Impfpflicht
[5] medinlive.at/gesundheitspolitik/deutscher-ethikrat-impfpflicht-empfehlung-war-von-delta-gepraegt
[6] www.welt.de/vermischtes/plus235908648/Ulrike-Guerot-De-facto-ist-eine-gesamte-Gesellschaft-entmuendigt-worden.html. Siehe auch Werner Thiede: Impfpflicht als Demütigung einer Bevölkerungsminderheit, in: Deutsche Wirtschaftsnachrichten vom 16.1.2022.
[7] www.focus.de/gesundheit/news/focus-online-kolumne-von-alexander-kekule-warum-impfen-zum-ziel-fuehrt-aber-eine-pflicht-jetzt-das-falsche-mittel-ist_id_24479545.html. Ob Kekulés vorläufige Dienstenthebung kurz vor Weihnachten mit solchen politisch unwillkommenen Äußerungen zu tun hat? Er selbst spricht von einem „politischen Verfahren“ (www.welt.de/wissenschaft/article235806900/Alexander-Kekule-Virologe-wird-von-Uni-Halle-rausgeworfen.html).
[8] www.idea.de/artikel/impfpflicht-gegen-das-coronavirus-einfuehren. Siehe auch den Offenen Brief von rund 400 Medizinerinnen und Medizinern gegen eine generelle Impfpflicht: www.frisches-flensburg.de/aerzte-stehen-auf-offener-brief-an-die-regierung/
[10] corona-transition.org/grossbritannien-ansteckungsrisiko-mit-omikron-fur-geimpfte-mehr-als-doppelt-so
[11] Thomas Mayer: Corona-Impfungen aus spiritueller Sicht. Auswirkung auf Seele und Geist und das nachtodliche Leben, Saarbrücken 2021. Vgl. hingegen Werner Thiede: Impfpflicht – eine pastorale Herausforderung, in: Der Sonntag Nr. 2/2022, S. 4.