Afrika taucht in der Berichterstattung der Deutschen Wirtschaftsnachrichten recht selten auf. Nicht unbedingt eine Überraschung angesichts der Tatsache, dass das Bruttoinlandsprodukt des gesamten Kontinents geringer ist als das der Bundesrepublik – und das, obwohl der Erdteil 15mal so viele Einwohner hat.
Aber: Darf man eine Region, die 20 Prozent der Landmasse der Erde ausmacht, die mehr als 60 Prozent der potenziellen weltweiten Ackerflächen sowie 30 Prozent der weltweiten Mineralienvorkommen ihr Eigen nennt und in der rund 1,3 Milliarden Menschen leben, vernachlässigen? Wir denken: nein. Und so haben wir uns entschlossen, den Schwerpunkt unseres Februar-Magazins unserem südlichen Nachbar-Kontinent zu widmen. Wobei unser Schwerpunkt auf Subsahara-Afrika liegt. Die – islamisch geprägten, vergleichsweise wohlhabenden – Staaten Nordafrikas, von Marokko im Westen bis Ägypten im Osten, streifen wir nur am Rand. Erwähnen möchten wir auch, dass wir unseren Fokus auf Afrikas Beziehungen mit der Außenwelt legen, nicht auf die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen der afrikanischen Staaten untereinander. Das ist eher ein Thema für Publikationen, die sich primär mit der südlichen Erdhalbkugel oder sogar ausschließlich mit Afrika befassen.
Welche Bedeutung hat der Kontinent, haben seine Staaten, seine Menschen, für die Außenwelt? Zunächst einmal sind da die wirtschaftlichen Beziehungen. Laut dem renommierten Afrika-Experten Robert Kappel, mit dem DWN-Chefredakteur Hauke Rudolph ein großes Interview geführt hat, befindet sich der Erdteil in einem massiven Transformationsprozess. Eine Mittelschicht hat sich herausgebildet, immer mehr urbane Zentren sind entstanden, was bedeutet, dass zumindest diejenigen Staaten, die ein gewisses Maß an politischer Stabilität aufweisen, sowohl als Handelspartner als auch als Standort für westliche, gerade auch deutsche Unternehmen, zunehmend interessant werden. Afrika ist kein Krisen-, sondern ein Chancen-Kontinent – so Kappels Fazit.
DWN-Redakteur Sebastian Becker sieht das anders. Er hat zur 2021 gegründeten Afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA) und zum Volumen des deutsch-afrikanischen Handels recherchiert. Sein Befund: Das nach EU-Vorbild geschlossene Abkommen hat bisher seine Erwartungen in keiner Weise erfüllt, und Deutschlands wirtschaftliche Beziehungen mit dem gesamten Kontinent haben noch nicht einmal die Bedeutung der deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen. Seine Schlussfolgerung: Da ist noch viel Luft nach oben – wenn es überhaupt nach oben geht.
Nicolas Dvorak hat sich unterdessen mit dem Abbau von Kobalt im Kongo befasst. Es handelt sich dabei um das vielleicht wichtigste Schwermetall der Welt – von dem mehr als zwei Drittel in dem riesigen Staat in Zentralafrika abgebaut werden. Wie wohlhabend dieser an Bodenschätzen (neben Kobalt besitzt er unter anderem auch Kupfer, Zink, Gold und Diamanten) so reiche Staat ist? Nun, er ist der achtärmste der Welt – was würde Afrikas Schicksal besser symbolisieren als dieser Widerspruch?
In den Kongo zieht es kaum einen Europäer (es sei denn, er ist Rohstoffhändler oder Angestellter eines Bergbau-Unternehmens), dafür aber zunehmend nach Tansania. Auch ein armes Land (wo die durchschnittliche Kaufkraft ziemlich genau ein Zwanzigstel der Kaufkraft in Deutschland beträgt), dafür jedoch ein politisch recht stabiles, ohne größere außenpolitische Konflikte. Lesen Sie Gregor Uhligs Artikel – vielleicht inspiriert er Sie ja dazu, ihr Glück im Osten Afrikas zu suchen.
Nicht nur im Osten, sondern in vielen Regionen des Erdteils hat sich China festgesetzt. Und zwar dermaßen fest, dass Afrika schon als „zweiter Kontinent“ der Volksrepublik bezeichnet wird. Die Chinesen gehen dabei strategisch weitaus klüger vor als ihre europäische und US-amerikanische Konkurrenz. Im Gespräch mit Moritz Enders erläutert der Strategie-Experte Jörg Barandat, Oberstleutnant a. D. und ehemaliger Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr, anhand der in den beiden unterschiedlichen Kulturen wichtigsten Brettspiele, wie sich das strategische Denken der Chinesen von dem der Europäer und Amerikaner unterscheidet: Während die Chinesen wie im Go langfristig ihre Bewegungsfreiheit zu Lasten ihrer Konkurrenten zu vergrößern suchen, versucht der Westen wie im Schach, den einen entscheidenden Schlag anzubringen, das heißt, seinen Gegner mattzusetzen. Übrigens, und das darf an dieser Stelle auf keinen Fall unerwähnt bleiben: China nutzt Afrika als Sprungbrett nach Südamerika – mit dem Ziel, schließlich die ganze südliche Weltkugel zu dominieren.
Wir von der DWN-Redaktion verstehen Afrika nach Fertigstellung dieses Magazins ein ganzes Stück besser – und haben gleichzeitig den Eindruck, dass jede Erkenntnis neue Fragen aufwirft. Eines sind wir uns sicher: Frieden wird dieser Kontinent noch lange nicht finden, im Gegenteil: Er befindet sich weiter im Visier der Schatzjäger – und ist von Eigenständigkeit und Unabhängigkeit genauso weit entfernt wie eh und je.