Deutschland

Stahlbranche schlägt Alarm: Kosten für „Klimapolitik“ laufen aus dem Ruder - Habeck bereitet nächste Sonderabgabe vor

Während die deutsche Wirtschaft langsam ihre Wettbewerbsfähigkeit verliert, bereitet der grüne Wirtschafts- und „Klimaminister“ die nächste Sonderabgabe vor.
21.02.2022 12:00
Lesezeit: 4 min

Die Stahlindustrie in Deutschland schlägt wegen der stark gestiegenen Strom- und Gaskosten Alarm. „Allein in den letzten sechs Monaten sind unsere Ausgaben für Gas und Strom um einen dreistelligen Millionenbetrag gestiegen“, sagte der Chef von Thyssenkrupp Steel Europe, Bernhard Osburg, am Mittwoch auf der Handelsblatt Jahrestagung Zukunft Stahl 2022. Die Preise hätten sich verdoppelt und verdreifacht. Thyssenkrupp habe dabei den Vorteil, zwei Drittel des benötigten Stroms durch Prozesse am Stahlstandort Duisburg selbst zu produzieren. Allein das verbleibende Drittel führe zu diesen Zusatzkosten.

Osburg verwies darauf, dass durch den geplanten Umbau auf eine klimaneutrale Produktion der Stromverbrauch noch steigen werde, weil dafür etwa Wasserstoff mit Hilfe erneuerbarer Energie hergestellt werden soll. „Wenn wir klimaneutral produzieren, dann wird unser Strombedarf in Duisburg allein dem 4,5-fachen der Stadt Hamburg entsprechen.“ Das sei eine gigantische Menge, die dann komplett zugekauft werden müsste. „Das werden wir weder als Unternehmen noch als Industrie alleine schaffen können.“ Die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geplanten Klimaschutzverträge müssten das teilweise kompensieren.

Die Branche kämpfe mit einer noch nie dagewesenen Energiekostensteigerung, sagte auf der Konferenz auch der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff. Schon jetzt liefen die gestiegenen Strom- und Gaspreise für die deutsche Stahlindustrie auf jährliche Mehrkosten von 1,5 Milliarden Euro hinaus. Mit einem jährlichen Ausstoß von rund 60 Millionen Tonnen CO2 könne die Stahlindustrie in Deutschland einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, betonte Kerkhoff. Dies werde jedoch nur mit den richtigen Rahmenbedingungen gelingen. Ökostrom und klimaneutraler Wasserstoff müssten in ausreichendem Menge vorhanden sein. Zudem müsse es vom Staat eine Unterstützung für Investitionen für CO2-arme Verfahren geben, die heute noch nicht wirtschaftlich seien.

Bund erwägt neue Klima-Abgaben

Während die deutsche Industrie wegen der Klima-Politik der Bundesregierung langsam ihre Wettbewerbsfähigkeit verliert, plant Berlin offenbar neue Abgaben.

Angesichts der Kosten für den „klimaneutralen Umbau“ der Industrie prüft die Regierung eine Finanzierung mit neuen Abgaben. Das zentrale Instrument der Transformation seien Klimaverträge mit der Industrie, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen am Mittwoch. Diese Carbon Contracts for Difference (CCFD), mit denen die zunächst höheren Kosten angeblich „klimafreundlicher Produktion“ ausgeglichen werden sollen, seien teuer. In einem ersten Schritt würden sie noch aus dem Haushalt mit dem Energie- und Klimafonds bezahlt - also vom Steuerzahler. Die Debatten über den Einsatz des Geldes seien aber jetzt schon heftig und würden noch heftiger: „So dass man sich auch die Frage stellen muss, welche andere Instrumente gibt es oder welche Einnahmemöglichkeiten gibt es für CCFDs, jenseits des Bundeshaushaltes“, sagte Graichen. Diese Frage nach Einnahmemöglichkeiten oder Umlagen stehe jetzt auf der Agenda.

Nach einer Studie der Denkfabrik Agora Energiewende könnte die Umstellung von Stahl-, Chemie- und Zementindustrie mit Hilfe der Verträge in den nächsten zehn Jahren über 40 Milliarden Euro kosten. Vorgesehen sind von der Bundesregierung in dieser Wahlperiode lediglich etwas über eine Milliarde Euro.

Die frühere Bundesregierung mit dem SPD-geführten Umweltministerium hatte ebenfalls bereits eine Gegenfinanzierung ins Auge gefasst. In einem Eckpunktepapier aus dem Frühjahr 2021 zur Einführung von Klimaverträgen heißt es: „Daher wird die Bundesregierung bereits bei der Umsetzung des Pilotprogramms Refinanzierungsoptionen wie die Einführung einer Klimaumlage, eine Abgabe auf energieintensive Güter oder ähnliches zur Finanzierung einer Erweiterung des Anwendungsbereichs von Klimaschutzverträgen prüfen.“

Opposition fordert Regierung zu Entlastungen auf

Die Opposition im Bundestag hat die Ampel-Koalition wegen der hohen Energiepreise zu schnellen Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger aufgefordert. Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) sagte am Freitag im Bundestag, dass die Preise steigen, liege nicht in der Verantwortung der Regierung. Aber dass es keine schnell wirksame Reaktion gebe, liege in ihrer Verantwortung. Spahn forderte ein „Preise-runter-Sofortprogramm“.

Die Linke-Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali sagte, viele Menschen müssten sich ernsthaft fragen, ob sie heizen oder essen. Dies sei ein Skandal. Es brauche nun effektive Sofortmaßnahmen. Der AfD-Abgeordnete Bernd Schattner sagte, das Leben werde für die Menschen in Deutschland immer teurer. Es werde höchste Zeit, die Bürger spürbar zu entlasten.

Die CDU/CSU-Fraktion, die AfD sowie die Linke legten jeweils Anträge mit konkreten Vorschlägen zu Entlastungen vor. Die Union fordert etwa, die Mehrwertsteuer auf Strom-, Gas- und Fernwärmelieferungen für die Jahre 2022 und 2023 auf den ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent abzusenken, dazu eine Senkung der Stromsteuer und eine höhere Pendlerpauschale.

Die AfD will, dass für Otto-, Diesel- und Heizkraftstoffe die Mehrwertsteuer für ein halbes Jahr auf sieben Prozent verringert wird und die CO2-Abgabe abgeschafft wird. Die Linke schlägt eine staatliche Strompreisaufsicht vor. Auch sie fordert, die Mehrwertsteuer auf Erdgas, Strom und Fernwärme auf sieben Prozent zu senken, für mindestens sechs Monate.

Politiker der Ampel-Koalition kündigten Maßnahmen an. Der SPD-Politiker Michael Schrodi sagte, die Koalition werde einiges auf den Weg bringen, das schnell wirke. Er nannte ein Vorziehen der Abschaffung der EEG-Umlage, einen Sofortzuschlag für Kinder oder eine Aufteilung der CO2-Sondersteuer zwischen Mietern und Vermietern. Den Antrag der Union nannte er ein „Sammelsurium“ nicht aufeinander abgestimmter Einzelforderungen. Würden alle Maßnahmen umgesetzt, würde das 40 Milliarden Euro kosten. Die Union habe keine Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Was Deutschland nach der parlamentarischen Sommerpause erwartet: Spahn, Arbeitslosengeld und Bundesverfassungsgericht
13.07.2025

Die umstrittene Juristin Frauke Brosius-Gersdorf wurde am Freitag nicht zur Verfassungsrichterin ernannt. Im Sommerinterview mit der ARD...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wirtschaft: Wie wenig Unternehmen wirklich Deutschlands Wachstum und Wohlstand produzieren
13.07.2025

Analyse des McKinsey Global Institute (MGI) zeigt: Statt Effizienzsteigerung in der Breite treiben nur wenige deutsche Unternehmen den...

DWN
Finanzen
Finanzen Wenn Märkte überhitzen: Droht der Small-Cap-Rally das Aus?
13.07.2025

US-Anleger stürzen sich auf kleine Firmen – ein alarmierendes Zeichen. Warum Euphorie an der Börse oft das Ende markiert und was das...

DWN
Panorama
Panorama 100 Jahre Rolltreppe: Aufstieg in 30 Sekunden
13.07.2025

Die Rolltreppe ist allgegenwärtig – und doch übersehen wir oft ihre faszinierende Geschichte. Seit 100 Jahren bewegt sie Menschen durch...

DWN
Technologie
Technologie The bright, bright future ahead (AI): Bringt künstliche Intelligenz uns eine bessere Zukunft?
13.07.2025

Es geht Schlag auf Schlag. Bald, so hört man, haben wir die AGI (artificial general intelligence) und danach kommt die Superintelligence....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Geschäftsideen schützen: Mehr Umsatz für Unternehmen mit Patenten und Marken
13.07.2025

Mehr als 50-Prozent mehr Umsatz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Innovationen schützen – warum cleverer Schutz der...

DWN
Politik
Politik Patient Pflegeversicherung: Es fehlen Milliarden in den Kassen
13.07.2025

Immer mehr Pflegebedürftige in Deutschland – und die Finanzierungslücke wächst. Der Bundesrechnungshof warnt und spricht von über 12...

DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...