Politik

EU-Schuldenregeln bleiben bis 2023 ausgesetzt

Die Regierungen der hoch verschuldeten EU-Staaten wie Griechenland und Italien erhalten mehr Zeit, bis sie sich wieder an die vereinbarten Regeln halten müssen.
02.03.2022 16:08
Lesezeit: 2 min
EU-Schuldenregeln bleiben bis 2023 ausgesetzt
Vor dem Hintergrund von Corona und Ukraine verzichtet die EU auf ihre Schuldenregeln. (Foto: dpa) Foto: Virginia Mayo

Die europäischen Schuldenregeln werden nächstes Jahr zumindest teilweise noch ausgesetzt bleiben. Der Vize-Präsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, sagte am Mittwoch, die sogenannte Zwanzigstel-Regel für hoch verschuldete Staaten solle auch 2023 nicht angewendet werden. Danach müssen Euro-Länder mit einer Schuldenquote von über 60 Prozent jedes Jahr ein Zwanzigstel der Differenz zwischen 60 Prozent und der tatsächlichen Quote abbauen. Das würde vor allem Griechenland und Italien hart treffen, die die höchsten Schuldenstände haben. Rund um den Globus sind die Schulden in der Corona-Krise nach oben geschossen, sodass ein Abbau um ein Zwanzigstel auch immer schwieriger wird.

Insgesamt wird in Brüssel derzeit heiß diskutiert, ob die Schuldenregeln ab 2023 wieder gelten sollen. Sie wurden 2020 ausgesetzt, um den Ländern mehr Spielraum zu geben, die Folgen der Pandemie abzufedern. Eigentlich soll durch den Stabilitätspakt die Neuverschuldung auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt werden und die Gesamtverschuldung auf 60 Prozent. Allerdings wurde immer wieder gegen die Vorgaben verstoßen, ohne dass dies spürbare Konsequenzen gehabt hätte. Für viele Länder sind die Obergrenzen so weit weg, dass vor allem im Süden Europas Rufe nach einer Reform laut werden. Eine Einigung auf neue Regeln vor Ende 2023 gilt aber als unrealistisch.

INVASION DER UKRAINE SORGT FÜR UNSICHERHEIT

Aktuell sorgt der russische Angriff auf die Ukraine zusätzlich zur Pandemie für Unsicherheit. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte in Brüssel, bis Mai werde geprüft, ob die Schuldenregeln auch 2023 ausgesetzt bleiben sollten. Wegen der gegen Russland verhängten Sanktionen und der Gegenmaßnahmen Moskaus will die Kommission die Lage nun neu bewerten.

Die EU-Finanzminister wollten am Nachmittag zu einer außerordentlichen Videoschalte zusammenkommen. Dabei werde es um die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs, die Energiepreisentwicklung sowie Sanktionen gehen, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums in Berlin. Die EU-Kommission hatte ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone in diesem Jahr zuletzt bereits um 0,3 Punkte auf 4,0 Prozent gesenkt. Viele Experten halten weitere Anpassungen für nötig.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist gegen zu frühe Festlegungen zu den Schuldenregeln. Es solle weiter quantitative Vorgaben zur Haushaltsführung geben, sagte er diese Woche. "Wir müssen sehr genau schauen, welche Auswirkungen hat die aktuelle Krise tatsächlich auf unsere Volkswirtschaften." Es sei möglich, die negativen Folgen für Europa zu begrenzen. Über die Fiskalregeln solle erst entschieden werden, wenn mehr Klarheit bestehe.

Die Bundesregierung hat wegen des Ukraine-Kriegs ihre Sicherheitspolitik geändert. Unter anderem ist ein 100 Milliarden Euro schwerer Sonderfonds zur Modernisierung der Bundeswehr geplant. Lindner sagte in einem "Welt"-Interview, die dafür nötigen Schulden sollten vermutlich ab Ende des Jahrzehnts wieder zurückgezahlt werden. FDP-Fraktionschef Christian Dürr warnte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, der Topf für die Bundeswehr dürfe kein Anlass sein, an der Schuldenbremse zu rütteln, die Deutschland ab 2023 wieder einhalten wolle.

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