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Auswandern nach Ungarn: Ein konservatives Land mit niedrigen Lebenshaltungskosten – mitten in Europa

Lesezeit: 4 min
12.06.2022 08:34  Aktualisiert: 12.06.2022 08:34
Während die Lebenshaltungskosten in Deutschland steigen, lässt es sich in Ungarn noch günstig leben. Doch das Land hat deutschen Einwanderern noch mehr zu bieten.
Auswandern nach Ungarn: Ein konservatives Land mit niedrigen Lebenshaltungskosten – mitten in Europa
Für eine Wohnung im Zentrum Budapests zahlt man nur halb so viel Miete wie für eine vergleichbare Wohnung in Berlin. (Foto: dpa)

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Wer heutzutage in deutschen Medien von Ungarn hört, kriegt oft nichts Gutes zu hören. Der Streit um den sogenannten „Rechtsstaatmechanismus“ der EU, aber auch die ungarische Blockade der Sanktionen gegen Russland hat Deutschland und Ungarn auseinanderrücken lassen, der Ton verschärfte sich zuletzt zunehmend. Trotz allem gibt es gute Gründe für deutsche Auswanderungswillige, das osteuropäische Land in die engere Auswahl mit einzubeziehen, wenn es darum geht, den richtigen Ort zum Leben zu finden.

Die ungarische Sprache – die vielmehr mit den skandinavischen und baltischen, als mit den west- oder osteuropäischen Sprachen verwandt ist – mag sich von der deutschen Sprache zwar sehr unterscheiden. Doch dafür haben deutschsprachige Einwanderer in Ungarn einen großen Vorteil: Es gibt noch eine verhältnismäßig große deutsche Minderheit im Land – die sogenannten Ungarndeutschen. So sind von 9,7 Millionen Einwohnern Ungarns etwa 186.000 Angehörige der deutschen Minderheit.

Deutsche in Ungarn und Ungarn, die Deutsch sprechen

Zum Vergleich: Im etwa 37,8 Millionen Einwohner zählenden Polen gehören nur etwa 148.000 Personen der dortigen deutschen Minderheit an. Außerdem haben Deutsche großen Einfluss auf die ungarische Kultur. So verfügen viele ungarische Städte – ähnlich wie in Rumänien – neben ungarischen auch über deutsche Namen.

Das sind Überbleibsel aus der Zeit vor der Vertreibung Deutscher aus den ehemaligen Ostgebieten, aber auch Ost-, Mittel- und Südosteuropa, an die in Ungarn seit 2013 ein von Viktor Orbáns Partei "Fidesz" eingeführter Gedenktag (der 19. Januar) erinnert. Vor dem ersten Weltkrieg lebten noch etwa 1,5 Millionen Ungarndeutsche im Königreich Ungarn.

Wer sich für Erbe und Kultur der Ungarndeutschen interessiert, wird vor Ort viele Ansprechpartner finden: Sei es die „deutsche Zeitschrift aus Ungarn Sonntagsblatt", die Landesselbstverwaltung für Ungarndeutsche oder das Ungarndeutsche Kultur- und Informationszentrum.

Wesentlich größer als die Zahl der Ungarndeutschen ist aber die Zahl der Ungarn, die deutsch sprechen: immerhin nämlich starke 30 Prozent. Wer also etwas Zeit braucht, um als deutscher Einwanderer die ungarische Sprache zu erlernen, wird – zumindest in den Touristenregionen – nicht überall auf Sprachschwierigkeiten stoßen. Darüber hinaus gibt es Gemeinden in Ungarn, in denen bis zu 83,5 Prozent der Bevölkerung als deutschstämmig gelten.

Enge wirtschaftliche Beziehung zu Deutschland

Trotz der politischen Differenzen der beiden Länder, schätzt die Mehrheit der befragten Ungarn in einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahr 2019 die allgemeinen diplomatischen Beziehungen und vor allem auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Ungarn als gut bis sehr gut ein. Die ungarische Botschaft in Berlin bezeichnete die deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen 2017 als „außergewöhnlich intensiv und dynamisch“.

Und in der Tat sprechen die Zahlen für sich: Rund 27 Prozent der ungarischen Exporte gehen nach Deutschland, das somit unangefochten den wichtigsten Partner im ungarischen Außenhandel darstellt. Dementsprechend dürften deutschsprachige Arbeitskräfte eine wichtige Ressource für viele ungarische Unternehmen darstellen. In Online-Jobbörsen findet man nicht wenige entsprechende Angebote.

Zudem gilt Ungarn als ein besonders wachstumsstarkes Land. Diese Entwicklung halte trotz coronabedingter Wirtschaftskrise an, wie Fabian Möpert, Wirtschaftsexperte bei der GTAI (Germany Trade & Invest) betont: „Ungeachtet dessen gehört Ungarn zu den wachstumsstärksten Ländern in der Europäischen Union (EU). Experten warnen gar schon vor einer Überhitzung.“

In Ungarn leben schont den Geldbeutel

Auch Auswanderer, die ihren Geldbeutel schonen wollen, dürften in Ungarn gut aufgehoben sein: so kostet eine 1-Zimmer-Wohnung im Zentrum Budapests nach Angaben des Online-Geldtransfer-Dienstleisters "Wise" monatlich nur rund halb so viel wie eine vergleichbare Wohnung in Berlin. Für ein Monatsticket im Nahverkehr bezahle man sogar weniger als ein Drittel des Berliner Preises.

Einwanderung aus EU-Land gilt als unbürokratisch

Die Steuern in Ungarn gelten als vergleichsweise niedrig. So zahlen Arbeitnehmer eine einheitliche Einkommenssteuer von 15 Prozent - davon können deutsche Arbeitnehmer nur träumen. Laut Auskunft der deutschen Botschaft in Budapest brauchen deutsche Beschäftigte keine Arbeitserlaubnis, um in Ungarn zu arbeiten. Auch ein Visum wird nicht benötigt. Selbstverständlich kann man auch in Ungarn zu leben und im Home Office arbeiten - dann zahlt man zwar den hohen deutschen Steuersatz, muss aber nicht auf die deutsche Sozialversicherung verzichten und profitiert außerdem von den niedrigeren Lebenshaltungskosten.

Eine Anmeldung in Ungarn braucht lediglich, wer länger als drei Monate bleibt. Die Qualität des größtenteils kostenlosen ungarischen Gesundheitssystems (bei Medikamenten sind Zuzahlungen üblich) wird im EU-Vergleich zwar tendenziell als eher unterdurchschnittlich eingestuft, ist im internationalen Vergleich aber nach wie vor hochwertig. Dafür gilt die Infrastruktur in Ungarn als gut – und die politische Lage als stabil.

Deutsche Auswanderer scheinen ihr neues Leben in Ungarn wertzuschätzen. Davon zeugt der Austausch in zahlreichen Facebook-Gruppen. Mit einem Mitglied einer solchen Facebook-Gruppe haben die Deutschen Wirtschaftsnachrichten gesprochen. Der heutige Rentner und frühere Erdöl-Chemiker und IT-Ingenieur Lutz Förster lebt bereits seit 1971 in Ungarn.

Das Auswandern nach Ungarn sei eine unbürokratische Angelegenheit, so Förster: man müsse sich nur an die Gesetze halten. Dazu gehöre es unter anderem, nur in Ungarn einen Hauptwohnsitz anzumelden. Gleichsam betont Förster, dass die Ungarn von deutschen Einwanderern erwarten würden, den Willen zu zeigen, die ungarische Sprache zu lernen. Besonders legt Förster Rentnern, Handwerkern, Ingenieuren und Wissenschaftlern das Einwandern ans Herz.

Ungarn als politisches Exil für Konservative?

Andere Auswanderer berichten von insgesamt mehr Freiheiten und weniger Bürokratie als beispielsweise in Deutschland oder Österreich. Einen Streitpunkt, über den in Deutschland oft und heftig diskutiert wird, stellt hingegen die Politik der ungarischen Regierung dar. Die nationalkonservative Regierungspartei Fidesz und der ungarische Präsident Orban ecken mit ihrer traditionellen Familien- und vergleichsweise restriktiven Einwanderungspolitik für Flüchtlinge bei vielen eher links oder liberal gesinnten Deutschen durchaus an.

Konservativ gesinnte Auswanderer dürften sich hingegen gerade deshalb in Ungarn wohlfühlen. Nicht wenige dieser Auswanderer verstehen das Land gar als politisches Exil. Dass viele der deutschen Auswanderer tendenziell – wenn auch nicht unkritisch – hinter Orban stehen, lassen politische Beiträge in den Facebook-Gruppen vermuten. Gleichsam ist auch Orbans Macht, trotz zahlreicher ihm nahestehender Medien, nur begrenzt. Gerade in den urbanen Zentren wächst der Einfluss seiner Konkurrenten.

Doch auch diese gelten in Westeuropa als eher konservativ: so zum Beispiel Péter Márki-Zay, der zuletzt als Spitzenkandidat der vereinigten Opposition bei den ungarischen Parlamentswahlen 2022 antrat. Von einem politischen Stimmungswechsel in Ungarn ist zeitnah also nicht auszugehen, vorstellbar ist höchstens eine gewisse Abkehr von der Fidesz. Die gerät derzeit zum einen aufgrund von Korruptionsvorwürfen unter Druck, zum anderen wegen der wiederholt angedrohten Sanktionen seitens der EU, die Ungarn finanziell stark treffen würden - es gibt durchaus nicht wenige Ungarn, die glauben, es sei aus finanziellen Gründen klüger, wenn Fidesz eine Brüssel-freundlichere Politik betreiben würde.

Was Unternehmer angeht: Für sie hält Ungarn – unter anderem durch den Abschluss zahlreicher Doppelbesteuerungsabkommen – zahlreiche steuerliche Vergünstigungen bereit. Andererseits sind – was wiederum ausländische Investoren oft als vorteilhaft empfinden – die Löhne in Ungarn im Durschnitt niedriger als in Deutschland.


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