Politik

"Schlacht von Donbass": Russische Truppen rücken in der Ostukraine vor

Russische Truppen haben ihre Angriffe in der Ostukraine verstärkt und offenbar Geländegewinne erzielt. Beide Seiten sprechen von einer neuen Phase im Krieg.
19.04.2022 17:47
Aktualisiert: 19.04.2022 17:47
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Russische Truppen haben ihre Angriffe in der Ostukraine verstärkt und dabei offenbar Geländegewinne erzielt. So haben sie den örtlichen Behörden zufolge die Kontrolle über die Stadt Kreminna übernommen. Dabei sollen nach Angaben des Gouverneurs der Region Luhansk, Serhij Gaidai, mehrere hundert Zivilisten getötet worden seien.

Der Machthaber der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, kündigte die Eroberung des umkämpften Stahlwerks in der belagerten südostukrainischen Hafenstadt Mariupol noch für den Tagesverlauf an. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, man habe einen Korridor eingerichtet, über den kapitulierende ukrainische Soldaten das Gelände des Stahlwerks Asowstal in Mariupol verlassen können.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in einer Video-Ansprache am Montagabend gesagt, dass "die Schlacht von Donbass" begonnen habe. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach am Dienstag von einer neuen Phase des Krieges. Ukrainische Medien berichteten über eine Reihe von teils heftigen Explosionen entlang der Frontlinie in der östlichen Region Donezk und über Beschuss in Marinka, Slawjansk und Kramatorsk.

Auch in Charkiw im Nordosten der Ukraine, in Mykolajiw im Süden und in Saporischschja im Südosten hat es demnach Explosionen gegeben. In vielen Städten und Orten heulten Luftalarmsirenen. Ukrainische Behörden dementierten eine Aussage des Gouverneurs der russischen Provinz Belgorod, dass ein russisches Dorf nahe der Grenze angegriffen worden sei. Die ukrainische Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk teilte mit, dass bei einem Gefangenenaustausch 60 Soldaten und 16 Zivilisten freigekommen seien.

Angesichts der russischen Offensive in der Ost-Ukraine berieten US-Präsident Joe Biden und europäische Regierungschefs am Dienstagnachmittag über das weitere Vorgehen. An dem Gespräch nehmen nach britischen Angaben die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien, Rumänien sowie die Führungsspitzen von Nato und EU teil. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hatte zuvor gesagt, er hoffe, dass die EU in den kommenden Wochen auch Ölimporte aus Russland stoppen werde. DGB und Arbeitgeber in Deutschland warnten dagegen vor einem Gasboykott.

Russland wies mehrere Dutzend Diplomaten der Niederlande, Belgiens und Österreichs aus. Die Regierung in Moskau reagierte damit auf Ausweisungen russischer Diplomaten aus diesen EU-Staaten. Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, sagte nach Angaben der Agentur Tass, dass sich Russland auf "aggressive Aktionen" wegen der Nato-Verstärkungen an seiner Ostflanke einstellen müsse.

Westliche Staaten sprechen von einem Angriffskrieg Russlands und Verbrechen gegen ukrainische Zivilisten. Russische Truppen waren am 24. Februar in das Nachbarland einmarschiert. Die Regierung in Moskau bezeichnet ihr Vorgehen indes als Sondereinsatz zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung und weist Vorwürfe zurück, Zivilisten anzugreifen. Mehr als vier Millionen Menschen sind aus der Ukraine geflohen.

UNION - ZÖGERN DER REGIERUNG HILFT PUTIN

In Deutschland gab es erneut Kritik, die Bundesregierung liefere der Ukraine nicht genug Waffen. Der Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul warnte im Reuters-Interview vor fatalen Konsequenzen, wenn die Bundesregierung nicht schnell schwere Waffen an die Ukraine liefert. "Der Konflikt wird auch durch politische Entschlossenheit entschieden, und diese fehlt. In dem Moment, wo Deutschland hier zögert, entscheidende militärische Hilfe zu leisten, ist man mit einem halben Fuß auf der Seite Putins", sagte der CDU-Politiker. "Wir haben in Deutschland selbst schwere Waffen zur Verfügung. Wir müssen an die Grenzen dessen gehen, was man selbst tun kann."

Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken wies dagegen den Vorwurf zurück, die Bundesregierung ermögliche keine Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Die Bundesregierung habe etwa die Lieferung von tschechischen Panzern an die Ukraine genehmigt, sagte Esken im ZDF. Diese Zustimmung sei nötig gewesen, weil die T-72-Panzer aus NVA-Beständen stammten. Tschechien sei zugleich Ersatz zugesagt worden. "Die Bundeswehr verfügt über keine weiterhin frei verfügbaren Waffen." Deshalb müssten jetzt über die Industrie und Andere Lieferungen an die Ukraine möglich gemacht werden.

Esken kritisierte Russlands Präsident Wladimir Putin scharf: "Er will offenkundig die Ukraine zerstören, das ukrainische Volk vernichten", sagte sie im ZDF. Am Mittwoch will sie den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk treffen, der die SPD zuvor wegen vermeintlicher Russland-Nähe kritisiert hatte.

Die Bundesregierung hatte am Freitag zusätzlich zwei Milliarden Euro für Militärmaterial bereitgestellt. Mehr als eine Milliarde Euro sollen davon an die Ukraine gehen. Die USA hatten in den vergangenen Wochen Waffen im Wert von 800 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt.

Die russische Agentur Tass zitierte den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu mit dem Vorwurf, dass westliche Waffenlieferungen den Krieg verlängerten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Milliardenwahn im Silicon Valley: Warum die Jagd nach Superintelligenz im Desaster enden wird
23.08.2025

Das Silicon Valley dreht durch: Für einzelne KI-Forscher werden Summen gezahlt, die selbst Sportstars sprachlos machen. Doch Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen Verdienen im Schlaf: Diese Dividenden-Aktien zahlen Ihnen Geld fürs Nichtstun
23.08.2025

Während andere schuften, kassieren clevere Anleger jeden Monat Geld – sogar im Schlaf. Drei Dividenden-Aktien machen Sie zum Profiteur...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zahlungsmoral am Limit: 81 Prozent der Unternehmen von Zahlungsverzug bedroht
23.08.2025

Verspätete Zahlungen bedrohen die Existenz vieler Firmen. Im Schnitt bleiben Rechnungen fast 32 Tage offen – in Bau, Transport und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögensaufbau stagniert: Wie der Staat privates Vermögen verhindert
23.08.2025

Die Vorstellung vom reichen Deutschen entspricht immer weniger der Realität: Höhere Lebenshaltungskosten, höhere Sozialabgaben,...

DWN
Panorama
Panorama Verbraucherschützer warnen: Kritik an Parkplatzfirmen nimmt zu
23.08.2025

Beschwerden über Parkplatzfirmen nehmen rasant zu. Immer mehr Autofahrer stoßen auf intransparente Regeln und saftige Vertragsstrafen....

DWN
Politik
Politik Deutschland mit stärkster Armee Europas? Ohne Chinas Rohstoffe bleibt es ein Trugbild
23.08.2025

Deutschland rüstet auf wie nie zuvor – doch ausgerechnet Peking hält den Schlüssel zu den nötigen Rohstoffen in der Hand. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase frisst IT-Jobs: Informatik-Absolventen geraten unter die Räder des Hypes um Künstliche Intelligenz
23.08.2025

Der Traum vom Programmierboom platzt: Während Konzerne Milliarden in Künstliche Intelligenz pumpen, stehen junge Informatik-Absolventen...

DWN
Technologie
Technologie HVO100: Studie kritisiert Klimabilanz der Diesel-Alternative
22.08.2025

HVO100 gilt als moderne Diesel-Alternative und soll den Klimaschutz vorantreiben. Doch eine aktuelle Studie der Deutschen Umwelthilfe wirft...