Finanzen

Britische Notenbank erhöht Leitzins, erwartet Inflation über 10 Prozent

Nach der US-Notenbank Fed erhöht nun auch die britischen Notenbank den Leitzins. Als Grund nennt sie die Inflation, die sie kurzfristig bei über 10 Prozent sieht.
05.05.2022 15:32
Lesezeit: 2 min

Nach der US-Notenbank dreht auch die Bank von England im Kampf gegen die hochschießende Inflation weiter an der Zinsschraube: In ihrer bereits vierten Erhöhung in nur sechs Monaten setzte die britische Notenbank den Leitzins am Donnerstag um einen viertel Punkt auf nunmehr 1,0 Prozent nach oben. Ein so hohes Niveau der Leitzinsen hat es seit 2009 im Vereinigten Königreich nicht mehr gegeben.

Die Entscheidung auf der Zinssitzung fiel mit sechs zu drei Stimmen. Drei Währungshüter hatten vergeblich einen noch größeren Schritt auf 1,25 Prozent gewünscht. Erst am Vorabend hatte die US-Notenbank Fed ihren Leitzins kräftig um einen halben Prozentpunkt erhöht, um der hohen Inflation zu begegnen.

Die meisten Währungshüter waren laut BoE der Ansicht, dass weitere Straffungsschritte in den kommenden Monaten angebracht sind. Die Notenbank strich dabei das Wort "moderat" zur Beschreibung künftiger Schritte. Zwei Währungshüter waren allerdings der Auffassung, dass der neue Zinsausblick zu stark sei angesichts der Risiken für das Wirtschaftswachstum.

Die britische Währung wertete nach dem Entscheid weiter ab und kostete 1,2492 Dollar beziehungsweise 1,1796 Euro. Anleger seien enttäuscht, dass vergleichsweise wenig Notenbanker für einen größeren Schritt votiert hätten, hieß es am Markt.

"Die Bank of England singt im Leitzinserhöhungs-Chor weiter mit", kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt von Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank den Beschluss. Die Notenbank erachte eine weitere geldpolitische Straffung weiter für notwendig. "Wegen hoher Konjunkturgefahren wird sie nur vorsichtig an der Zinsschraube drehen," glaubt der Experte. Ähnlich äußerte sich Ulrich Wortberg von der Helaba: "Wir halten angesichts der erhöhten Inflations- und Lohnsteigerungsraten weitere Maßnahmen für gerechtfertigt", merkte der Volkswirt an. Die Erwartungen bezüglich der BoE-Zinsen sollten aber nicht zu hoch geschraubt werden.

INFLATION VON ÜBER ZEHN PROZENT ERWARTET

Die BoE hatte im Dezember als erste der großen Zentralbanken seit Beginn der Corona-Pandemie die Zügel angezogen. Weitere Straffungen folgten im Februar und März. Mit der aggressiven geldpolitische Linie wollen die Währungshüter die hohe Inflation eindämmen, die im Vereinigte Königreich zuletzt auf einem 30-Jahreshoch von 7,0 Prozent lag. Sie gehen nun davon aus, dass die Teuerung in den drei Schlussmonaten des Jahres ihren Höhepunkt mit über zehn Prozent erreichen wird. Zuvor hatten sie den Gipfel im April mit rund acht Prozent erwartet. Mit der neuen Prognose läge die Teuerung dann mehr als fünf Mal so hoch wie die Zielmarkte der Notenbank: Sie strebt 2 Prozent Inflation als optimales Niveau für die Wirtschaft an.

Ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr beließ die BoE bei 3,75 Prozent. Für 2023 senkte sie jedoch ihre Vorhersage deutlich: Sie erwartet nun einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,25 Prozent statt wie in einer früheren Schätzung ein Wachstum von 1,25 Prozent. Ihre Wachstumsprognose für 2024 kappte sie auf ein Plus von 0,25 Prozent. Bislang hatte sie ein Wachstum von 1,0 Prozent vorausgesagt.

EZB KÖNNTE IM SOMMER NACHZIEHEN

In den USA stemmte sich die Federal Reserve am Mittwoch mit dem größten Zinssprung seit 22 Jahren gegen die hochschießende Inflation. Dort liegt die neue Zinsspanne nun bei 0,75 bis 1,00 Prozent. Fed-Chef Jerome Powell signalisierte auch für die nächsten beiden Sitzungen im Juni und Juli Zinssprünge von einem halben Punkt.

Die Europäische Zentralbank (EZB) gab sich dagegen zuletzt weiter vorsichtig. Es wäre unklug, bei den Zinsen zu handeln, bevor die Wirtschaftsdaten aus dem zweiten Quartal bekannt seien, sagte EZB-Direktor Fabio Panetta der Zeitung "La Stampa".Read full story Die EZB könnte sich nach einer Entscheidung zu einem Abschluss des Anleihekaufprogramms im dritten Quartal entschließen, den Zyklus negativer Zinsen zu beenden.

Aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel macht die hochschießende Inflation allerdings baldige Zinserhöhungen der EZB erforderlich. Anfang des dritten Quartals könne mit einer ersten Zinsanhebung gerechnet werden. Dann seien die Anleihenkäufe der EZB vermutlich abgeschlossen, sagte er im April.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Panorama
Panorama Wirtschaftskrise durchkreuzt Winterurlaubspläne der Deutschen
22.12.2025

Hohe Preise, unsichere Konjunktur und veränderte Prioritäten prägen den Winter. Die Wirtschaftskrise zwingt viele Deutsche zu neuen...

DWN
Politik
Politik Staatsmilliarden für E-Autos: Warum Kaufprämien den Markt nicht stabilisieren
22.12.2025

Ab 2026 soll der Kauf von Elektroautos staatlich bezuschusst werden. Die Erfahrung aus Ländern wie Norwegen und Australien zeigt jedoch,...

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt Tesla-Aktie kaufen? Welche Erwartungen Investoren an Elon Musk haben
21.12.2025

Visionäre Unternehmer haben an den Kapitalmärkten immer wieder ganze Branchen neu geordnet. Ob Tesla-Aktien weiterhin von technologischem...

DWN
Panorama
Panorama Gaudís Sagrada Família: Der höchste Kirchturm der Welt
21.12.2025

Barcelona feiert 2026 die Architektur – und ein Turm der Sagrada Família soll Geschichte schreiben. Doch hinter dem Rekord stecken Geld,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leadership-Coach Lars Krimpenfort: „Klopp ist ein gutes Beispiel für klare Führung unter Druck“
21.12.2025

Im Mittelstand steigen die Belastungen gefühlt täglich. Wie gelingt es Führungskräften dennoch, unter Druck richtig zu entscheiden?...

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 51: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 51 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor existenziellen Problemen: Keine Aufträge und schlechte Rahmenbedingungen
21.12.2025

Wie eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts ergab, sehen sich 8,1 Prozent der befragten Firmen direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz...