Politik

Erdogan verhindert Nato-Beitrittsgespräche mit Schweden und Finnland

Die türkische Regierung fährt der Nato in die Parade. Einen Beitritt Schwedens und Finnlands gibt es nur, wenn einige Wünsche erfüllt werden.
18.05.2022 17:00
Aktualisiert: 18.05.2022 17:13
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Erdogan verhindert Nato-Beitrittsgespräche mit Schweden und Finnland
Recep Tayyip Erdogan (r), Präsident der Türkei, bei einem gemeinsamen Treffen mit Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär. (Foto: dpa) Foto: -

Die Türkei macht ihre Drohungen wahr und blockiert vorerst das Verfahren für die Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Bündniskreisen erfuhr, war es am Mittwoch im Nato-Rat nicht wie geplant möglich, den Beschluss für den Beginn der Beitrittsgespräche zu fassen. Die Türkei machte demnach Sicherheitsbedenken geltend.

Schweden und Finnland hatten am Mittwochmorgen kurz vor der Sitzung des Nato-Rats offiziell die Aufnahme in die Verteidigungsallianz beantragt. Botschafter der beiden Staaten übergaben Generalsekretär Jens Stoltenberg in der Brüsseler Bündniszentrale die entsprechenden Dokumente. Dieser sprach von einem "historischen Schritt". Grund für den Beitrittswunsch der nordischen Länder sind Sicherheitssorgen wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine. Beide Staaten haben bisher jahrzehntelang entschieden eine Politik der militärischen Bündnisfreiheit verfolgt.

Eigentlich war vorgesehen gewesen, dass der Nato-Rat nach der Übergabe der Anträge sofort den Start der Beitrittsgespräche beschließt. Nach Angaben aus Bündniskreisen machte die Türkei in der Sitzung jedoch deutlich, dass sie zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zustimmen kann.

Ein Sprecher des Bündnisses wollte sich nicht zu den Gesprächen im Nato-Rat äußern. Er betonte lediglich, dass Generalsekretär Jens Stoltenberg entschlossen sei, zu einer schnellen Lösung für Finnland und Schweden zu kommen. "Beide Länder sind unsere engsten Partner, und ihr Beitritt zur Nato würde die euroatlantische Sicherheit stärken", sagte er.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan machte unterdessen öffentlich deutlich, dass er eine Zustimmung zum Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands an ein Zugehen auf sein Land in Sicherheitsfragen knüpft. Die Nato-Erweiterung gehe für die Türkei einher mit dem Respekt, den man ihren Empfindsamkeiten entgegenbringe, sagte er bei einer Rede vor seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara.

Schweden und Finnland wollten weitermachen mit der Unterstützung von "Terrororganisationen", aber gleichzeitig die Zustimmung der Türkei für eine Nato-Mitgliedschaft, bemängelte Erdogan. "Das ist milde ausgedrückt ein Widerspruch." Schweden warf Erdogan konkret vor, die Auslieferung von 30 "Terroristen" zu verweigern. "Die Nato ist ein Sicherheitsbund, eine Sicherheitsorganisation. Insofern können wir nicht ja dazu sagen, dieses Sicherheitsorgan unsicher zu machen", sagte Erdogan.

Als "Terroristen" bezeichnet Erdogan etwa Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die auch in den USA und Europa als Terrororganisation gilt. Die Türkei sieht aber auch die Kurdenmiliz YPG in Syrien als Terrororganisation an - für die USA ist die YPG in Syrien dagegen ein Verbündeter.

Wie die Türkei von einem Veto gegen einen Nato-Beitritt von Schweden und Finnland abgehalten werden kann, ist unklar. Nach Angaben von Diplomaten könnten neben Erklärungen der beiden Nordländer zum Kampf gegen den Terrorismus auch Waffengeschäfte eine Rolle spielen. So will die Regierung in Ankara in den USA F-16-Kampfjets kaufen - in Washington war ein möglichen Deal zuletzt aber politisch umstritten.

Bloomberg berichtete von mehreren Forderungen der Türken: Dazu zählten der Kauf von amerikanischen F-35-Kampfflugzeugen, die Rücknahme von Sanktionen wegen des Kaufs von russischen s-400-Raketensystemen, die Rücknahme von Schweden und Finnland von Restriktionen bei Waffengeschäften mit der Türkei, ein Vorgehen gegen von der Türkei so bezeichnete "Terroristen" und deren Auslieferung in die Türkei.

Finnland und Schweden gaben sich zunächst zuversichtlich, eine Lösung mit der Türkei zu finden. "Eine Reihe von diplomatischen Anstrengungen wird auf den Weg gebracht", erklärte das schwedische Außenministerium auf dpa-Anfrage.

Ein Hoffnung war am Mittwoch, dass Gespräche des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu in New York Bewegung in den Streit bringen könnten. Cavusoglu wollte sich dort unter anderem mit seinem US-Kollegen Antony Blinken treffen. "Die Diplomatie geht weiter", sagte ein Diplomat in Brüssel. Finnlands Präsident Sauli Niinistö und die schwedische Regierungschefin Magdalena Andersson werden am Donnerstag in Washington erwartet, wo sie mit US-Präsident Joe Biden über den geplanten Nato-Beitritt sprechen wollen.

Sollte die Türkei ihre Vorbehalte gegen einen Nato-Beitritt aufgeben, dürfte alles ganz schnell gehen. Bereits im Juni könnten dann die sogenannten Beitrittsprotokolle unterzeichnet werden und in den Mitgliedstaaten die Ratifizierungsverfahren beginnen. Im Idealfall wären Finnland und Schweden dann bis Ende des Jahres Nato-Mitglied. Sollte Ankara allerdings hart bleiben, wäre das Bündnis wegen des für alle Entscheidungen geltenden Einstimmigkeitsprinzips machtlos.

Besonders unangenehm ist für die Nato, dass die Türkei - auch wenn sie dem Start doch zustimmen sollte - das Aufnahmeverfahren auch noch an mehreren anderen Stellen blockieren kann. So könnte es die Unterzeichnung der Beitrittsprotokolle oder noch später die Ratifizierung verweigern.

Generalsekretär Stoltenberg rief die Bündnisstaaten am Mittwoch dazu auf, die Sicherheitsinteressen aller zur berücksichtigen und zusammenzustehen. "Wir sind entschlossen, uns mit allen Fragen auseinanderzusetzen und rasch Schlussfolgerungen zu ziehen", sagte er. Grundsätzlich seien sich die Verbündeten einig, dass man diesen historischen Augenblick für die Norderweiterung nutzen müsse.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zollschock: Warum deutsche Autos bald in Europa teurer werden
23.08.2025

Donald Trump zwingt Europas Autobauer mit Strafzöllen von bis zu 27,5 Prozent in die Defensive. Während Hersteller ihre Gewinnprognosen...

DWN
Politik
Politik Stagnierendes Wirtschaftswachstum und gigantische Schulden: Wie realistisch ist die Finanzpolitik der Bundesregierung?
23.08.2025

Die Wirtschaft stagniert, der Arbeitsmarkt kollabiert. Doch die Bundesregierung gibt unermüdlich geliehenes Geld aus. Die...

DWN
Technologie
Technologie Milliardenwahn im Silicon Valley: Warum die Jagd nach Superintelligenz im Desaster enden wird
23.08.2025

Das Silicon Valley dreht durch: Für einzelne KI-Forscher werden Summen gezahlt, die selbst Sportstars sprachlos machen. Doch Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen Verdienen im Schlaf: Diese Dividenden-Aktien zahlen Ihnen Geld fürs Nichtstun
23.08.2025

Während andere schuften, kassieren clevere Anleger jeden Monat Geld – sogar im Schlaf. Drei Dividenden-Aktien machen Sie zum Profiteur...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zahlungsmoral am Limit: 81 Prozent der Unternehmen von Zahlungsverzug bedroht
23.08.2025

Verspätete Zahlungen bedrohen die Existenz vieler Firmen. Im Schnitt bleiben Rechnungen fast 32 Tage offen – in Bau, Transport und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögensaufbau stagniert: Wie der Staat privates Vermögen verhindert
23.08.2025

Die Vorstellung vom reichen Deutschen entspricht immer weniger der Realität: Höhere Lebenshaltungskosten, höhere Sozialabgaben,...

DWN
Panorama
Panorama Verbraucherschützer warnen: Kritik an Parkplatzfirmen nimmt zu
23.08.2025

Beschwerden über Parkplatzfirmen nehmen rasant zu. Immer mehr Autofahrer stoßen auf intransparente Regeln und saftige Vertragsstrafen....

DWN
Politik
Politik Deutschland mit stärkster Armee Europas? Ohne Chinas Rohstoffe bleibt es ein Trugbild
23.08.2025

Deutschland rüstet auf wie nie zuvor – doch ausgerechnet Peking hält den Schlüssel zu den nötigen Rohstoffen in der Hand. Die...