Deutschland

Kampf gegen Russland: Bundesregierung ruft Bürger zu Entbehrungen auf

Bald könnte durch die Nord-Stream-Pipeline gar kein Gas mehr aus Russland kommen. Daher sollen die Bürger Energie sparen und Geld für den Winter zurücklegen.
24.06.2022 10:22
Lesezeit: 2 min

Angesichts eines drohenden Gaslieferstopps durch Russland haben Bundesregierung und Netzagentur die Verbraucher zum Energiesparen aufgerufen. Jeder in der Industrie und privat könne dazu beitragen, sagte Netzagentur-Chef Klaus Müller am Freitag im ARD-«Morgenmagazin». «Und ja, dazu gehört auch der Pulli, der Duschkopf, die Heizung ein bisschen runterstellen. All das hilft.»

Verbraucherministerin Steffi Lemke sagte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen seien genauso wie Haushalte gefordert. Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) warnte, dass Russland im Sommer den Gashahn ganz zudrehen könnte.

Habeck hatte am Donnerstag die zweite Stufe des dreistufigen Notfallplans Gas ausgerufen, weil Russland die Liefermenge gedrosselt hat. Der Staatskonzern Gazprom pumpt am Tag nur noch maximal 67 Millionen Kubikmeter statt 167 Millionen und begründet dies mit Sanktionen des Westens, die als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine verhängt wurden. Die Bundesregierung hat dies zurückgewiesen. Konkret verweist Russland auf eine Pumpe, die im Ausland festsitze.

Mit den geringeren Liefermengen wachsen die Befürchtungen, dass deutsche Gasspeicher vor dem Winter nicht ausreichend gefüllt sind. Müller hält es nach eigenen Worten auch für möglich, dass Russland die Lieferungen durch die wichtigste Pipeline Nord Stream vollständig einstellt. «Wir können es nicht ausschließen.» Seine Behörde habe verschiedene Szenarien berechnet. «Die meisten Szenarien sind nicht schön und bedeuten entweder zu wenig Gas am Ende des Winters oder aber schon - ganz schwierige Situation - im Herbst oder Winter.»

Habeck warf Russlands Präsident Wladimir Putin vor, mit der Verringerung der Gasexporte Preise in Deutschland und Europa hochzuhalten, um Unruhe zu schüren. Die Maßnahmen der Bundesregierung sollten auch der Geschlossenheit der Gesellschaft dienen, sodass Putin nicht gewinne. «Darum geht es», sagte der Minister im ZDF-«heute journal». Putins Sprecher hatte am Donnerstag zurückgewiesen, dass die Drosselung der Lieferungen politisch motiviert ist.

Mit Sorge blicken Energieversorger und Politik jetzt auf die zehntägige Routinewartung von Nord Stream, die am 11. Juli beginnt. Auf die Frage, ob er befürchte, dass Russland danach gar kein Gas mehr liefern werde, sagte Habeck beim Sender RTL: «Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, ich befürchte es nicht.»

In dem Falle wird befürchtet, dass die Gaspreise weiter steigen. Noch haben die Versorger kein «Preisanpassungsrecht». Aktiviert die Netzagentur einen bestimmten Mechanismus, könnten sie aber innerhalb einer Woche die höheren Preise an die Endverbraucher weiterreichen. Auch Preisgarantien, die etwa bei einjährigen Verträgen abgeschlossen werden, wären dann hinfällig. Mit dem Weiterreichen der Preise soll verhindert werden, dass Versorger zusammenbrechen.

Müller warnte, man müsse damit rechnen, dass sich die Preise je nach Gebäude verdoppeln bis verdreifachen könnten. Daher sollten die Bürger Geld zurücklegen und Richtung Herbst mit den Vermietern reden. «Jetzt kann man noch etwas tun.»

Verbraucherministerin Lemke sagte, in allen Stufen des Gasnotfallsplans seien private Haushalte und soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser besonders geschützt. «Für die Bundesregierung ist es zentral, dass die Energieversorgung in Deutschland gesichert bleibt.»

Steigende Energiekosten sorgen auch unter Mietern für Sorgenfalten. Der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: «Wir fordern ein Kündigungsmoratorium, das sicherstellt, dass niemandem gekündigt werden darf, der wegen stark gestiegener Heizkosten seine Nebenkostenabrechnung nicht fristgerecht bezahlen kann.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Moskau: Lösung des Ukraine-Kriegs kommt voran
29.12.2025

Greifbare Ergebnisse hat das Treffen zwischen Trump und Selenskyj nicht gebracht. Der echte Verhandlungsprozess sei von anderen angestoßen...

DWN
Politik
Politik Teure Mieten, hohe Steuern, weniger Kinder: Auswanderungen aus Deutschland weiterhin auf hohem Niveau
29.12.2025

Nach wie vor wandern sehr viele Menschen aus Deutschland aus, gleichzeitig bekommen Deutsche immer weniger Kinder: Eine fatale Entwicklung...

DWN
Finanzen
Finanzen Strategische Aktienauswahl: Diese 4 Kriterien führen zu langfristigem Anlageerfolg
29.12.2025

Die richtige Aktienauswahl entscheidet langfristig über Erfolg oder Misserfolg an den Märkten. Doch welche grundlegenden Kriterien sind...

DWN
Technologie
Technologie MAN Engines modernisiert V12-Gasmotor: Technische Anpassung an globale Emissionsregeln
29.12.2025

Bewährte industrielle Antriebssysteme stehen angesichts globaler Emissionsvorgaben unter wachsendem Anpassungsdruck. Wie MAN Engines...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktien Ukraine-Wiederaufbau: Diese Unternehmen warten auf ein Ende des Krieges
28.12.2025

Die Märkte reagieren überraschend empfindlich auf jede Erwartung eines Waffenstillstands und verschieben Kapital von Rüstungswerten hin...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wie die wirtschaftliche Neuordnung gelingt
28.12.2025

Deutschland steht vor einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Neuordnung, in der Investitionen und geopolitische Risiken zugleich bewältigt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teamführung 2026: Was Führungskräfte jetzt wirklich brauchen
28.12.2025

Viele Führungskräfte starten 2026 mit neuen Vorsätzen – doch der Alltag frisst schnell jede Veränderung. Welche Self- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Über den Wolken: Sky City 1000 – eine Zukunftsvision gegen Wohnraummangel
28.12.2025

Die japanische Hauptstadt Tokio wächst – schneller als die Stadt es verkraftet. Allein 2024 kamen zehntausende Menschen hinzu, im...