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Neue Weltordnung: Saudi-Arabien erwägt Beitritt zu BRICS

Lesezeit: 6 min
09.07.2022 09:09  Aktualisiert: 09.07.2022 09:09
Der geopolitische Trend zu einer multipolaren Welt beschleunigt sich. Saudi-Arabien und andere Staaten bemühen sich um den BRICS-Beitritt – mit massiven Folgen.
Neue Weltordnung: Saudi-Arabien erwägt Beitritt zu BRICS
Mohammed bin Salman, Kronprinz von Saudi-Arabien, betont die Vorteile des BRICS-Beitritts. (Foto: dpa)
Foto: Burhan Ozbilici

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Das BRICS-Bündnis bereitet sich darauf vor, neue Mitglieder aufzunehmen, darunter auch Saudi-Arabien. Die Aufnahme dieses mächtigen Staates im Nahen Osten dürfte erhebliche Auswirkungen auf das globale geopolitische Gleichgewicht haben. BRICS ist ein Zusammenschluss aufstrebender Wirtschaftsmächte, der im Jahr 2006 von Brasilien, Russland, Indien und China gegründet wurde und dem sich im Jahr 2010 auch Südafrika angeschlossen hat.

Neben dem BRICS-Bündnis bemüht sich auch die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) um eine Aufnahme Saudi-Arabiens. Dieser politische, wirtschaftliche und militärische Zusammenschluss wurde im Jahr 2001 gegründet. Ihm gehören China, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Tadschikistan, Usbekistan und seit 2017 auch die beiden Erzfeinde Indien und Pakistan an.

"Die BRICS und die SOZ haben eine wichtige ideologische Gemeinsamkeit: Sie sind beide auf Multipolarität ausgerichtet, und ihre Gipfeltreffen wurden sogar zeitweise gemeinsam abgehalten", sagte kürzlich Matthew Neapole, ein Experte für internationale Angelegenheiten und Mitarbeiter des Macdonald-Laurier-Instituts in Kanada, gegenüber Newsweek. Beide Bündnisse seien bestrebt, Alternativen zur westlichen Strukturen zu unterstützen, etwa im Währungs- oder Bankwesen.

Weitere Länder klopfen an

Der Iran hat seinen formellen Beitrittsprozess zur SOZ bereits während des letzten Gipfels der Staats- und Regierungschefs im September begonnen. Am Montag kündigte das iranische Außenministerium nun an, dass die Islamische Republik auch dem BRICS-Bündnis beitreten wolle.

Auf der anderen Seite des Persischen Golfs erwägt auch Saudi-Arabien einen Antrag auf BRICS-Mitgliedschaft zu stellen, wie der russische Außenminister Sergej Lawrow bei seinem Besuch im Königreich Ende Mai bekannt gab.

Kurz zuvor hatte Saudi-Arabien zusammen mit Argentinien, Ägypten, Indonesien, Kasachstan, Nigeria, Senegal, Thailand und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf Einladung Chinas an einer Diskussion über "BRICS+" teilgenommen. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, verkündete im Anschluss an das Treffen, die Mitglieder hätten "einen Konsens über den BRICS-Erweiterungsprozess erreicht".

Argentinien hat bereits einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt, was den Status der BRICS zu einem wichtigen Akteur in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen befördern dürfte.

Und obwohl Matthew Neapole vom Macdonald-Laurier-Institut der Ansicht ist, dass es noch "große Hürden zu überwinden" gibt, um die ehrgeizigen Worten in konkrete Taten umzusetzen, so könnte ein geschlossener SCO-BRICS-Block seiner Ansicht nach doch einen großen Einfluss auf die Neugestaltung der Weltordnung haben. "Wenn es ihm gelingt, sich als Bannerträger des Globalen Südens oder der G20 zu positionieren, starke organisatorische Mechanismen zu entwickeln und sich stärker zu integrieren, könnte er sehr einflussreich sein", so Neapole.

Der multipolare Ansatz der BRICS hat das Interesse Saudi-Arabiens geweckt. Denn nachdem Riad über viele Jahrzehnten enge Beziehungen zu Washington pflegt, bemüht sich das Königreich nun immer stärker darum, ein unabhängiger globaler Akteur zu werden.

"Chinas Einladung an das Königreich Saudi-Arabien, den BRICS beizutreten, bestätigt, dass das Königreich eine wichtige Rolle beim Aufbau der neuen Welt spielt und zu einem wichtigen und unverzichtbaren Akteur im globalen Handel und in der Wirtschaft geworden ist", sagte Mohammed al-Hamed, Präsident der Saudi Elite Group in Riad, gegenüber Newsweek.

Schon im Jahr 2016 präsentierte Prinz Mohammed bin Salman Saudi-Arabiens Vision 2030, bevor er ein Jahr später zum Thronfolger und De-facto-Herrscher des Königreichs ernannt wurde. Der Plan sieht eine Diversifizierung der vom Öl abhängigen Wirtschaft vor sowie die Etablierung einer neuen Rolle Saudi-Arabiens in der internationalen Gemeinschaft.

Einerseits hat Kronprinz Mohammed versucht, die Zusammenarbeit mit den USA zu verbessern, insbesondere als US-Präsident Joe Biden sich im Juni auf seinen ersten Besuch in der Monarchie vorbereitete, die er einst wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen als "Paria" gebrandmarkt hatte.

Königshaus baut Beziehungen aus

Andererseits hat der saudische König in den letzten Jahren auch die Beziehungen zu Russland und China ausgebaut. Der Beitritt zu den BRICS-Staaten würde die Entschlossenheit Riads im Umgang mit anderen Großmächten unter Beweis stellen und einen bedeutenden Sieg für die Bemühungen um die Förderung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen markieren, die nicht unter der Schirmherrschaft der USA und ihrer Verbündeten stehen.

"Der Beitritt Saudi-Arabiens wird das Weltwirtschaftssystem ins Gleichgewicht bringen, zumal das Königreich Saudi-Arabien der größte Ölexporteur der Welt ist und der G20 angehört", sagte Hamed. "Wenn dies geschieht, wird dies jede wirtschaftliche Bewegung und Entwicklung im Welthandel und in der Weltwirtschaft unterstützen und bemerkenswerte Fortschritte in sozialen und wirtschaftlichen Aspekten verzeichnen, da Saudi-Arabien Partnerschaften mit jedem Land der Welt haben sollte."

Dieser Ansatz steht in krassem Gegensatz zu dem Vorgehen der USA, die regelmäßig jene Länder, mit denen es nicht einverstanden ist, durch eine wachsende Liste von Sanktionen ausschließt. Die dominante Position der USA im globalen Finanzsystem hat diesen Ländern traditionell nur wenige Möglichkeiten gelassen, aber diese Situation hat sich allmählich geändert, da Strukturen wie die BRICS Möglichkeiten bieten, diese Beschränkungen zu umgehen.

Der Iran hat die dominante Rolle der USA in den letzten zehn Jahren besonders hart gespürt. Zwar wurden die Sanktionen, die wegen der nuklearen Aktivitäten der Islamischen Republik verhängt worden waren, im Jahr 2015 wieder aufgehoben, nachdem mit den USA und anderen Großmächten, darunter China, Frankreich, Deutschland, Russland und Großbritannien, ein multilaterales Atomabkommen geschlossen worden war. Doch der frühere US-Präsident Donald Trump kündigte das Abkommen im Jahr 2018 auf, was Teherans Möglichkeiten im internationalen Handel stark beeinträchtigt.

Präsident Biden hat sich vorgenommen, über eine mögliche Rückkehr zu dem Abkommen zu verhandeln, das während seiner Vizepräsidentschaft unter dem ehemaligen Präsidenten Barack Obama geschlossen wurde. Eine Reihe von Verhandlungen, die seit April letzten Jahres geführt wurden, hat die USA und den Iran jedoch in eine Sackgasse geführt. Und die jüngsten Gesprächen in Katar endeten vorzeitig, ohne dass es einen Durchbruch gab.

Aus Frustration über die wechselnde Politik in Washington sucht Teheran zunehmend in der eigenen Region nach strategischen Partnerschaften, die es zunehmend mit Peking und Moskau geschlossen hat. "Iranische Beamte sind zu dem Schluss gekommen, dass die USA und ihre westlichen Verbündeten der Islamischen Republik Iran niemals erlauben werden, ihre wohlverdiente regionale Rolle als Mittelmacht zu spielen", so Zakiyeh Yazdanshenas, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Center for Middle East Strategic Studies in Teheran.

"Daher haben sie beschlossen, die Versuche der USA, den Iran zu isolieren, durch eine weitere Annäherung an nicht-westliche Organisationen wie SOZ und BRICS zu neutralisieren", sagte die Forscherin gegenüber Newsweek. "Außerdem betrachten die Iraner die künftige Weltordnung als östlich und versuchen, sich Organisationen anzunähern, in denen östliche Mächte wie Russland und China eine wichtige Rolle spielen."

Saudi-Arabien und Iran sind aufgrund ihrer Öl- und Gasreserven wichtige strategische Partner, vor allem angesichts der sich verschärfenden Reibungen im globalen Energiebereich, die durch die westlichen Sanktionen gegen Russland noch verstärkt wurden.

"Der Iran ist der einzige Produzent von Energieressourcen am Persischen Golf, der kein Verbündeter der Vereinigten Staaten ist und sich im Falle einer Eskalation des Handelskriegs zwischen Peking und Washington nicht weigern wird, Energie an China zu liefern", sagt Yazdanshenas. Zudem sei die geopolitische Position des Irans durch den Ukraine-Krieg gestärkt worden.

Das Energieproblem ist einer der beiden Hauptgründe dafür, dass die Aufnahme des Irans und Saudi-Arabiens in die BRICS ein "großer Gewinn" für die Organisation wäre, sagt Akhil Ramesh, Fellow beim Pacific Forum in Hawaii. "Drei große Ölproduzenten in der Gruppe [Russland, Iran und Saudi-Arabien] zu haben, könnte diesen Ländern möglicherweise die Möglichkeit geben, sich Öl zu ermäßigten Preisen oder durch alternative Vereinbarungen [Tauschhandel] zu sichern.

Die Ölreserven von Teheran und Riad würden den BRICS auch dabei helfen, die Hegemonie des Dollars über das Weltfinanzsystem anzugreifen, so Ramesh. Denn um den Dollar als globale Reservewährung ablösen zu können, "müssten sich mehr rohstoffexportierende Länder, vor allem Ölexporteure, für diese Idee begeistern". Zudem würden China und Russland die Gruppierung auch deshalb erweitern, um eine Koalition von Ländern zu schaffen, "die anhängige Streitigkeiten mit dem Westen haben oder in der Vergangenheit vom Westen gedemütigt wurden". Man denke etwa an Argentinien und die Falklandinseln.

Ramesh sagt, dass die USA und ihre Verbündeten einen "schweren Fehler" begangen haben, indem sie die Bedeutung der BRICS sowie der SOZ, aufstrebender Finanzinstitutionen wie der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) und Chinas Nationaler Entwicklungsbank (NDB) und der breiter angelegten Neuen Seidenstraße übersehen hätten. Letztere zählt etwa 148 Länder und 32 internationale Organisationen als Partner. Nach Ansicht von Ramesh haben die USA und ihre Verbündeten "vor allem China gewaltig unterschätzt". BRICS, die SOZ, die Entwicklungsbanken und die Neue Seidenstraße seien allesamt verschiedene Plattformen für die Einbindung meist armer Länder, die kein Mitspracherecht im Weltgeschehen haben.

Selbst wenn der Iran und Saudi-Arabien den BRICS beitreten sollten, würde dies nicht unbedingt ein Ende ihrer erbitterten Rivalität bedeuten. Die beiden Staaten haben im vergangenen Jahr eine stille Diplomatie betrieben, doch ihr regionaler Kampf um Einfluss im gesamten Nahen Osten hält an. Am heftigsten zeigt sich dies im Jemen, wo seit Jahren ein Krieg zwischen einer von Saudi-Arabien geführten Koalition zur Unterstützung einer Exilregierung und den mit dem Iran verbündeten Ansar Allah- oder Houthi-Rebellen wütet.

Ehemalige Feinde werden vereint

China und Russland haben jedoch bewiesen, dass sie in der Lage sind, Feinde unter einem gemeinsamen Banner zusammenzubringen, wie die gleichzeitige Aufnahme Indiens und Pakistans in die SOZ vor fünf Jahren gezeigt hat. Auch wenn die BRICS-Erweiterung zu größeren Herausforderungen bei der Konsensfindung führen könnte, glaubt Jaroslaw Lissowolik, ein in Moskau ansässiger Experte des Russischen Rates für Internationale Angelegenheiten und Programmdirektor des Valdai-Diskussionsclubs, dass es dennoch reichlich Raum für die Zusammenarbeit in allgemeineren Fragen gibt.

"In dieser Hinsicht würde die Hinzufügung von Iran und Saudi-Arabien die Dinge innerhalb der BRICS nicht grundlegend ändern, da es Spielraum für unterschiedliche Ansichten gibt", so Lissovolik, "und während es bei bestimmten lokalen/regionalen Problemen zu Meinungsverschiedenheiten kommen kann, könnte es bei globalen Fragen größere Einigkeit geben".

Streitigkeiten unter den Mitgliedern hätten die BRICS nicht davon abgehalten, mit einer zunehmend ehrgeizigen Entwicklungsagenda voranzukommen, auch im Hinblick auf den Start der Initiative BRICS+ und die pragmatische Zusammenarbeit innerhalb der BRICS-Entwicklungsinstitutionen. "Das bedeutet, dass die BRICS die Möglichkeit bieten, sich auf der Grundlage unterschiedlicher Wirtschaftsmodelle und Ansätze zur wirtschaftlichen Modernisierung zu entwickeln, anstatt sich einem bestimmten universellen Modell anzunähern", so Lissovolik.


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