Deutschland in Zukunft ohne brotbackfähigen Weizen: Anthony Robert Lee, Bauer aus Niedersachsen und Sprecher des Vereins Landwirtschaft verbindet Deutschland, kurz LsVD, genannt, hat gelinde gesagt, die Schnauze voll von der deutschen Landwirtschaftspolitik. Und verweist dabei auf die am vergangenen Freitag vom Bundesrat verabschiedete Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung mutmaßlich Nitrat belasteter Gebiete, die auch Änderungen in den Düngeverordnungen vorsehen. Und damit massiv die Ernte der Bauern einschränken.
„Wenn wir nicht pflanzengerecht düngen können und die verschiedenen Pflanzen kein gesundes Wurzelwachstum haben, dann werden auch die Erträge und Qualität geringer und die akute Not der Versorgung größer“, erklärt Lee gegenüber den DWN.
Der einzige Grund, warum es die deutschen Bauern nicht bereits jetzt ihren holländischen Berufskollegen gleichtun, und ebenfalls massiv auf die Straße gehen, liegt in der Notwendigkeit, derzeit die Ernte einfahren zu müssen.
Das allein sei aufgrund der Dürre bereits eine Herausforderung. In Niedersachsen etwa beklagen einzelne Bauern einen Ernterückgang beim Weizen von bis zu 30 Prozent. Allerdings nicht genug damit: Denn „der ideologisch verblendete Irrsinn der Politik treibt die Bauern zusätzlich an den Rand des Ruins“, so Lee.
Deshalb gebe es auch keine Alternative mehr zu großen, breit angelegten Protesten, die spätestens beginnen sollen, wenn die Ernte im Trockenen ist.
Alle Verbände ziehen an einem Strang
Dabei ist Lee überzeugt davon, dass dieses Mal alle landwirtschaftlichen Verbände an einem Strang ziehen werden, um ihrem Missmut Ausdruck zu verleihen. „Es war noch nie so leicht, die Bauern auf die Straße zu bringen wie jetzt“, sagt Lee. Das habe er bereits bei den solidarischen Kundgebungen für die holländischen Berufskollegen gesehen.
Allerdings zählt er bei den künftigen Protestkundgebungen auch auf die breite Bevölkerung in den großen Ballungszentren Deutschlands und auf dem Land. Damit in einer breit angelegten Protestwelle das Ruder nochmal umgerissen werden könne, und – wie Lee sagt – „um mit einer breiten Masse gegen diesen sich am Horizont zusammenbrauenden ideologischen Wahnsinn vorzugehen.“
Richtlinien, die den Radius der Bauern einschränken
Den Bauern des LsVD ist es ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass die von der EU beschlossene Richtlinie, künftig zehn Prozent der Agrarfläche stillzulegen und das Ziel der Bundesregierung bis 2030, 30 Prozent der Anbaufläche auf biologischen Anbau umzustellen und 50 Prozent des Pflanzenschutzes einzusparen, nicht ohne große Ertragsverluste zu bewerkstelligen sind. Denn: Die Ernte würde dann um die Hälfte geringer ausfallen als im konventionellen Anbau, und bei einer anhaltenden Dürreperiode, bestehe die Möglichkeit, einer Getreide-Knappheit in Deutschland. Bereits jetzt sei es aufgrund der Dürre nicht mehr möglich, so viel Weizen zu ernten wie etwa 2020. Damals produzierte Deutschland noch 101 Prozent des hiesigen Verbrauchs. Dieses Jahr wird es weit weniger sein.
Auch wehrt sich Lee gegen die den Landwirten häufig nachgesagte Starrköpfigkeit und verweist darauf, dass die Bauern allein in Niedersachsen seit 2017 aufgrund des Einsatzes von Neuen Technologien rund 37 Prozent Stickstoffdünger eingespart hätten. Zudem gelten die deutschen Bauern weltweit zu den bestausgebildeten Landwirten. Und: "Wir sind durchaus in der Lage, Ökologie, Umweltschutz und Landwirtschaft miteinander zu vereinbaren", so Lee.
Dabei beanstandet Lee vor allem die Tatsache, dass in der derzeitigen Regierung und im Umfeld vieler NGO´s, Ideologen am Werk seien, die sich grundsätzlich gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis sträubten. Deshalb sehe er auch keinen anderen Ausweg, als sich durch bundesweite Proteste verstärkt Gehör zu verschaffen. Denn: „Stirbt der Bauer, stirbt das Dorf.“ Und das will niemand.
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft protestiert am kommenden Mittwoch
Derweil kündigen die in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL) organisierten Landwirte für kommenden Mittwoch eine Protestkundgebung vor dem Berliner Finanzministerium an. Sie protestieren gegen den Ausverkauf von Ackerflächen.
Ursprünglich hatte die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die weitere Privatisierung von öffentlichem Ackerland in Ostdeutschland zu stoppen und die Flächen an „ökologische und nachhaltige Betriebe zu verpachten“. Doch im Juni zog Bundesfinanzminister Christian Lindner die Handbremse: Er weigert sich, die Vereinbarung zum Umgang mit den landwirtschaftlichen Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) umzusetzen. Und ermöglicht damit weiterhin den Ausverkauf wertvoller Ackerflächen an Großkonzerne zulasten von bäuerlichen Betrieben.
Unter dem Motto „Junglandwirt:innen gegen Lindner: Gemeinwohl statt Profite!“ protestieren deshalb am Mittwoch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die junge AbL, das Bündnis Junge Landwirtschaft und WeAct, die Petitionsplattform von Campact, gegen Lindners Kehrtwende.
Bei der Aktion soll ein übergroßer Pappmaché-Lindner an einem Tau gegen zahlreiche Jungbäuer:innen und eine Kostüm-Kuh um die Zukunft der öffentlichen Ackerflächen ringen.