In den Spannungen um Taiwan wachsen die Sorgen vor einer Eskalation und den Folgen eines Konflikts für die Wirtschaft in Deutschland und weltweit. China warnte die USA am Montag erneut vor einer „sehr ernsten Lage und Konsequenzen“, sollte die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, diese Woche doch zu einem Besuch nach Taiwan reisen. Die 82-jährige Spitzenpolitikerin begann ihre Asienreise am Montag in Singapur. Weitere angekündigte Stationen sind Malaysia, Japan und Südkorea.
Zwar steht Taiwan nicht auf ihrem Reiseplan, doch fürchtet Peking, dass sich Pelosi über seine Warnungen hinwegsetzen könnte. Chinas Führung betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik und lehnt offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh entschieden ab. Hingegen versteht sich das 23 Millionen Einwohner zählende Taiwan seit langem als unabhängig. Eine Visite der Nummer drei der USA wäre der ranghöchste US-Besuch in Taipeh seit Jahrzehnten.
Deutsche Außenpolitiker warnten vor einer Eskalation. Der Druck wachse, da beim Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas im Herbst ein Strategiewechsel bevorstehen könnte, sagte FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff der Rheinischen Post. „Sollte Chinas Präsident Xi Jinping einen Angriff auf Taiwan ins Auge fassen, müssten die USA entscheiden, ob sie eingreifen oder nicht.“ Ein Angriff hätte „katastrophale Folgen auch für unsere Wirtschaft“.
Ein chinesischer Angriff auf Taiwan könnte deutlich früher kommen als bisher angenommen, meinte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter in der Zeitung. Er fürchte, China schaue sehr genau hin, wie der Westen mit Russland verfahre. „Die chinesische Staatsführung könnte einen strategischen Vorteil in einem früheren Angriff sehen, weil der Westen derzeit viele Kapazitäten im Russland-Konflikt bindet.“
China warnt deutlich
Ein Besuch Pelosis in Taiwan wäre eine „krasse Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten“, warnte der Pekinger Außenamtssprecher Zhao Lijian. China sei auf alles vorbereitet. „Die Volksbefreiungsarmee wird nicht tatenlos zusehen, und die chinesische Seite wird sicher energische und entschiedene Maßnahmen ergreifen, um unsere Souveränität und territoriale Integrität zu schützen.“ Details nannte er nicht. „Lassen Sie uns abwarten, ob sie auf dem Besuch besteht.“
Auf der ersten Station ihrer Asienreise in Singapur traf die US-Spitzenpolitikerin mit Präsidentin Halimah Yacob und Premier Lee Hsien Loong zusammen. Nach einer Visite in Malaysia wird sie am Donnerstag in Seoul erwartet, was Spekulationen auslöste, ob sie vorher einen Zwischenstopp in Taiwan einlegen könnte. Der US-Sender CNN berichtete unter Berufung auf einen taiwanischen und einen amerikanischen Regierungsbeamten, es werde ein Besuch in Taiwan „erwartet“. Das Pentagon beobachte chinesische Bewegungen und arbeite „rund um die Uhr“ an Plänen für die Sicherheit der hohen Politikerin.
Die Demokratin Pelosi hat schon länger vor, Taiwan zu besuchen, um damit ein Zeichen gegen die Drohungen aus Peking zu setzen. Allerdings hatte auch US-Präsident Joe Biden zurückhaltend auf die berichteten Besuchspläne reagiert und gesagt, das US-Militär halte es im Moment für keine gute Idee. Seit den 1990er-Jahren sind die Spannungen um Taiwan nicht mehr so hoch gewesen.
Der russische Einmarsch in der Ukraine hat auch Befürchtungen verstärkt, dass sich China die demokratische Inselrepublik auf ähnliche Weise gewaltsam einverleiben könnte. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping betrachtet es als seine historische Mission, die „Vereinigung“ umzusetzen und droht mit einer Eroberung.
Die USA wiederum haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet – was bisher meist Waffenlieferungen bedeutet. Doch ist Biden weiter gegangen als seine Vorgänger und hat es mehrmals als „Verpflichtung“ der USA bezeichnet, Taiwan im Falle eines Angriffs durch China zu verteidigen. Ein Krieg um das industriell weit entwickelte Taiwan – die Nummer 22 der größten Volkswirtschaften – hätte schwere Auswirkungen auf die deutsche und globale Wirtschaft.
Ein Drittel der weltweiten Halbleiterproduktion komme aus Taiwan, hob der FDP-Politiker Lambsdorff hervor. „Bei uns wären nahezu alle Lieferketten in der Industrie betroffen, viele technische Produkte könnten nicht mehr hergestellt werden. Von der Waschmaschine bis zum Flugzeug.“ Er fügte hinzu: „Es ist in unserem ureigenen Interesse, dass es nicht zu einem parallelen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und zwischen China und Taiwan kommt.“
Halbleiter sind heute nahezu überall zu finden, etwa in Smartphones, Computern, Autos oder medizinischen Geräten. Ein Mangel hatte während der Corona-Pandemie zu Preissteigerungen und Lieferkettenproblemen in vielen Branchen geführt. Vor allem taiwanische Unternehmen haben große Fertigungskapazitäten.