In der Ampel-Koalition verschärft sich der Ton: Grund dafür ist vor allem die – freundlich ausgedrückt – missglückte Gasumlage. Neben Berichten, dass offenbar die Konzerne selbst an der umstrittenen Verordnung mitgeschrieben haben, kommt es nun zum handfesten Streit zwischen den Regierungspartnern.
Da die Verordnung so verfasst wurde, dass sich auch Energie-Unternehmen, die hohe Gewinne einfahren, an der Gasumlage bereichern können – angeblich versehentlich, wie die DWN berichteten, soll nun eine Kurskorrektur erfolgen.
Minister Robert Habeck hat nach heftiger Kritik eine Änderung der geplanten Gasumlage nun zugesagt. Mit der Korrektur soll verhindert werden, dass von dieser Abgabe der Privathaushalte und Industrie auch Unternehmen profitieren, die dies wirtschaftlich nicht benötigen.
„Deswegen muss man jetzt hart an dem Problem arbeiten. Und das tun wir auch“, sagte der Grünen-Politiker am Sonntagabend im ZDF-heute journal. „Wir werden dieses Problem lösen.“ Das Bundeswirtschaftsministerium macht vorerst keine Angaben zum Zeitplan der angekündigten Änderungen bei der Gasumlage. „Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung“, sagte eine Sprecherin am Montag der dpa auf Anfrage. „Nähere Details zum Zeitplan kann ich aktuell noch nicht nennen.“
Die Zeit drängt, denn am morgigen Dienstag trifft die Regierung zur Klausur in Merseburg zusammen. Die FDP fordert Korrekturen bis zur Regierungsklausur. Auch SPD-Parteichef Lars Klingbeil macht Druck.
Der Ton wird rauer
Dass die Nerven blank liegen, offenbart der Ton, mit denen die Regierungspartnern mittlerweile miteinander beziehungsweise übereinander sprechen. Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Konstantin von Notz konterte SPD-Kritik an Habeck am Sonntagabend mit einem Angriff auf Kanzler Olaf Scholz.
„Die schlechte Performance des Bundeskanzlers, seine miesen Umfragewerte, Erinnerungslücken bei Warburg und seine Verantwortung bei Nord Stream 2 werden durch unloyales Verhalten und Missgunst in der Koalition nicht geheilt werden“, schrieb von Notz auf Twitter und spielte damit unter anderem auf die Debatte um die Rolle des früheren Hamburger Ersten Bürgermeisters in der Cum-Ex-Affäre an.
Zuvor hatten SPD-Chef Lars Klingbeil und der stellvertretende SPD-Fraktionschef Dirk Wiese Vizekanzler Habeck scharf angegriffen. Klingbeil warf dem Wirtschaftsminister bei Zeit online handwerkliche Fehler bei der Gasumlage vor. „Das Prinzip Habeck geht so: Auftritte filmreif, handwerkliche Umsetzung bedenklich und am Ende zahlt der Bürger drauf“, sagte Wiese der Bild am Sonntag.
Neben Klingbeil kritisiert auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr den Vizekanzler, er könne die Kritik Klingbeils an der Umlage „durchaus nachvollziehen“. „Handwerkliche Fehler sollten bis zur Kabinettsklausur beseitigt werden“, fügte er in der Bild mit Blick auf die Kabinettsklausur in Meseberg ab Dienstag hinzu. „Wir müssen aufpassen, dass staatliche Eingriffe die Energiekrise nicht verschlimmbessern.“
Die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann schob die Verantwortung dagegen auf Kanzler Olaf Scholz. „Es war der Kanzler, der die Gasumlage und weitere notwendige Entlastungen am 22. Juli für die ganze Bundesregierung angekündigt hat“, sagte sie der RND-Mediengruppe. „Es ist richtig, dass nachgebessert werden muss“, sagte Grünen-Chef Omid Nouripour in der ARD.
Streit um Entlastungspaket
Gleichzeitig streiten die Fraktionen um mögliche Entlastungen für die Bürger: Die SPD-Bundestagsfraktion will eine Energiekrise und soziale Härten im Winter mit drastischen Maßnahmen verhindern. In dem Entwurf der Fraktionsführung für die Klausurtagung am 1. und 2. September, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, wird ein ganzes Maßnahmenbündel vorgeschlagen, wie Bürger entlastet und die Energieversorgung gesichert werden kann. Dazu zählen eine Gas- und Strompreisbremse, die Reform der gerade erst beschlossenen Gasumlage, notfalls der staatliche Einstieg bei Energieversorgern und Direktzahlungen an Ärmere. Die „massiven Kosten“ sollen unter anderem durch eine Übergewinnsteuer etwa für Energieunternehmen finanziert werden – die wiederum der Koalitionspartner FDP ablehnt.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP will sehr schnell über ein drittes Entlastungspaket wegen der hohen Inflation entscheiden. In dem sechsseitigen SPD-Papier ist von einer der größten Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg die Rede, die durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelöst worden sei. „Keiner darf allein gelassen werden... Starke Schultern müssen ihren Teil beitragen“, heißt es in dem Papier mit Blick auf die hohen Energierechnungen, vor denen die Haushalte in Deutschland stehen.
Energieversorger müssten mit einem Insolvenzmoratorium vor einem Zusammenbruch geschützt werden. Die Gasumlage, die zum 1. Oktober kommen soll, dürfe nicht an Unternehmen gehen, die Gewinne machten, Dividenden oder Boni auszahlten. Die „Profiteure der Krise“ müssten ihren Beitrag leisten. „Falls erforderlich, ziehen wir in diesem Zusammenhang auch die staatliche Beteiligung an Unternehmen der kritischen Infrastruktur in Betracht“, heißt es in dem Papier der SPD-Fraktion.
SPD bringt Direktzahlungen ins Spiel
In dem SPD-Papier heißt es weiter, zudem müssten die erneuerbaren Energien im Eiltempo ausgebaut und alle Hürden für die Errichtungen von Windkraft-, aber auch Biogasanlagen abgebaut werden. Einer weitergehenden Verlängerung der Laufzeit für die drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke erteilt die SPD-Fraktion eine Absage. Sollte es aber zu einer eventuellen „Streckung“ der Betriebszeit der Atomkraftwerke für einige Monate kommen, müssten die Sicherheitsstandards eingehalten werden.
Bei den Entlastungen zielen die Vorschläge vor allem auf das Jahr 2023, weil dann die stark gestiegenen Gas- und Strompreise voll auf die Kunden durchschlagen. Es werden Direktzahlungen pro Kopf vorschlagen, eine Höhe wird nicht genannt. Auch Rentnerinnen und Rentner, Studenten und Auszubildende sollen „zielgenaue Direktzahlungen“ erhalten. Die Regelsätze für Bezieher von Grundsicherungsleistungen des Staates sollen angehoben werden. Durch die sogenannte kalte Progression, also die Anhebung der Beträge für die jeweils höhere Steuerklasse, soll es eine Entlastung nur für kleine und mittlere Einkommen geben.
Im Mobilitätsbereich wird ein bundesweit gültiges ÖPNV-Ticket zu einem monatlichen Preis von 49 Euro vorgeschlagen, das Bund und Länder gemeinsam finanzieren sollen. Für Pendler soll es Direktzahlungen, eine nicht näher benannte gezielte Förderung oder Hilfe im Rahmen des bestehenden Instrumentes der Pendlerpauschale geben.
Zudem will die SPD den weiteren Anstieg der Energiekosten für die Kunden staatlich begrenzen: „Eine direkte Entlastung kann über eine Strom- und Gaspreisbremse im Umfang eines zu benennenden Grundversorgungsbedarfes erzielt werden“, heißt es in dem Papier. Damit würde faktisch für einen Teil des Verbrauchs der Preis gedeckelt, der Weg der Finanzierung wird nicht genannt. Mittelfristig soll „ein international wettbewerbsfähiger, idealerweise EU-weiter Industriestrompreis“ geprüft werden. Die beschlossene Erhöhung des CO2-Preises beim Emissionshandel soll für zwei Jahre ausgesetzt werden.
Auch für Unternehmen soll es besondere Hilfen geben. Dazu soll der Krisenbeihilferahmen, den es auch bereits in der Corona-Pandemie gab, verlängert und ausgeweitet werden. „Liquiditätshilfen, in Härtefällen auch Energiekostenzuschüsse, für Unternehmen, die wegen der kriegsbedingten Wirtschaftskrise in Zahlungsschwierigkeiten geraten, müssen schnell und unbürokratisch ermöglicht werden können“, heißt es zudem. Das Kurzarbeitergeld soll über September 2022 hinaus verlängert werden.
Mit der Gasumlage in Höhe von rund 2,4 Cent je Kilowattstunde sollen ab Oktober wegen der deutlich erhöhte Beschaffungskosten an die Verbraucher weitergeben werden. Gleichzeitig soll zur Entlastung die Mehrwertsteuer auf Erdgas von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden.