Technologie

Virologe zum neuen Booster: "Wie gut er vor Infektion schützt, wurde nicht getestet"

Der Virologe Hendrik Streeck, der im Corona-Expertenrat sitzt, warnt vor zu hohen Erwartungen an den neuen Booster. "Wie gut er vor einer Infektion schützt, wurde nicht getestet."
02.09.2022 11:54
Aktualisiert: 02.09.2022 11:54
Lesezeit: 2 min
Virologe zum neuen Booster: "Wie gut er vor Infektion schützt, wurde nicht getestet"
Der Bonner Virologe Hendrik Streeck warnen vor überhöhten Erwartungen an den neuen Omikron-Booster. (Foto: dpa) Foto: Fabian Sommer

An Omikron angepasste Corona-Impfstoffe sind Medizinern zufolge für eine große Zahl an Menschen in Deutschland sinnvoll, einen bevölkerungsweiten Einsatz halten sie aber nicht für nötig. «Die neuen angepassten Impfstoffe kommen für die Gruppen in Frage, denen die Ständige Impfkommission (Stiko) bereits eine zweite Booster-Impfung empfiehlt. Das sind Personen über 60, Gruppen mit Risikofaktoren und Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die bislang noch keine vierte Impfung bekommen haben», sagte Leif Sander, Impfstoff-Experte der Berliner Charité und Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, der dpa.

«Dies jetzt nachzuholen, würde ich empfehlen für eine wahrscheinliche zusätzliche Schutzwirkung.» Wer im Sommer eine Durchbruchsinfektion hatte, brauche zunächst keinen zusätzlichen Booster und sollte mindestens drei Monate abwarten.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hatte am Donnerstag den Weg für zwei an die Omikron-Variante angepasste Impfstoffe für Menschen ab zwölf Jahren freigemacht. Die EU-Kommission hatte die Impfstoffe kurz darauf zugelassen, wie die Behörde am Freitag mitteilte. Eine Stiko-Empfehlung speziell dazu steht noch aus.

Bei den Impfstoffen geht es um bivalente mRNA-Präparate, die auf die ursprüngliche Sars-CoV-2-Variante und auf die Omikron-Sublinie BA.1 angepasst sind. BA.1 spielt hierzulande zwar keine Rolle mehr, Experten gehen aber davon aus, dass die neuen Vakzine auch einen Vorteil gegen den derzeit dominierenden Subtyp BA.5 bringen.

Sander plädierte dafür, den jeweils aktuellsten verfügbaren Impfstoff für den größtmöglichen Zusatznutzen zu nehmen - «also den, der besonders nah an der zirkulierenden Variante dran ist». Wenn demnächst noch die an die derzeit zirkulierenden Sublinien BA.4/BA.5 angepassten Impfstoffe kämen, präferiere er diese. «Man muss aber auch sagen: Es gibt wahrscheinlich keine riesengroßen Unterschiede zwischen den Impfstoffen.»

Wegen der unzähligen verschiedenen Konstellationen von bisherigen Impfungen und Infektionen wird es aus Sicht des Charité-Forschers immer schwieriger werden, einzelne Impfentscheidungen durch eine generelle Stiko-Empfehlung abzudecken. «Das heißt: Es kann viele individuelle Gründe geben, dass jemand, der nominell nicht unter die Stiko-Empfehlung fällt, sich doch für eine vierte Impfung entscheidet - und das kann man auch machen.»

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck, der ebenfalls im Corona-Expertenrat sitzt, warnte vor überhöhten Erwartungen an die neuen Impfstoffe. «Der Booster sorgt noch einmal für etwas gesteigerte Antikörperspiegel im Blut von Geimpften. Wie gut er vor einer Infektion schützt, wurde nicht getestet.» Man müsse davon ausgehen, dass der Effekt ausfalle wie beim bisherigen Booster, also mit einem Schutz vor Ansteckung für einen ungefähren Zeitraum von drei Monaten.

«Ein Schutz vor Ansteckung für einen längeren Zeitraum ist nicht bewiesen und auch nicht wahrscheinlich», sagte Streek, der das Institut für Virologie der Universität Bonn leitet. Trotz allem sei auch bei den neuen Impfstoffen ein guter Schutz vor schwerer Erkrankung wie bei den vorherigen Produkten gegeben. Zudem hätten die bisherigen Daten gezeigt, dass das Profil der Nebenwirkungen sehr ähnlich ist wie bei den ursprünglichen Covid-19-Impfstoffen.

Streeck betonte, er wünsche sich eine klare Kommunikation der Politik, für wen eine vierte Impfung mit dem angepassten Impfstoff überhaupt notwendig ist. Dass es dazu bisher keine Stellungnahme der Stiko gebe, finde er vertretbar. «Angesichts der vorliegenden Daten sehe ich keinen ganz akuten Handlungsbedarf. Denn man darf sich von dem angepassten Impfstoff nun nicht zu viel versprechen und denken, dass das jetzt der Gamechanger in der Pandemie wäre.»

Der Amtsärzte-Verbandschef Johannes Nießen riet, wer sich jetzt eine vierte Impfung holen wolle, solle nicht zögern und auf weitere Impfstoffe warten. «Er macht nichts falsch, wenn er den BA.1-Impfstoff nutzt», sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienste (BVÖGD) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Derzeit könne man noch nicht sagen, welcher der beiden Impfstofftypen im Herbst und Winter besser schützen werde, weil dafür noch Daten fehlten. «Wir wissen nicht einmal, welche Variante im Herbst und Winter dominant sein wird.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Alternativen zu Trumps Appeasement-Politik gegenüber Russland
22.02.2025

US-Präsident Donald Trump sagt, er wolle der Ukraine Frieden bringen. Aber sein Ansatz kann nicht funktionieren, weil er das Problem der...

DWN
Panorama
Panorama Deutschland "kaputt": Münchaus düstere Prognose für die Wirtschaft
22.02.2025

Deutschland steckt in der Krise – und es gibt kaum Hoffnung auf Besserung. Der deutsch-britische Autor Wolfgang Münchau sieht das Land...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kündigung rechtssicher zustellen: So vermeiden Sie teure Fehler
22.02.2025

Wie Sie eine Kündigung korrekt übermitteln – von der persönlichen Übergabe bis zum Gerichtsvollzieher. Welche Methoden wirklich...

DWN
Panorama
Panorama Kaffee bald Luxus? Wie durch ein EU-Gesetz, Abholzung und das Wetter die Preise explodieren
22.02.2025

Der Preis für Kaffee ist an den Börsen in den letzten fünf Jahren um das Vierfache gestiegen. Die Ursachen für die Rekordpreise, die...

DWN
Technologie
Technologie Mobilfunk Bahn: Empfang unterwegs verbessert sich endlich
22.02.2025

Wer im Zug telefoniert oder surft, stößt oft auf Funklöcher und langsames Internet. Jetzt verbessert eine neue Technik die Verbindung...

DWN
Politik
Politik 630 Sitze, 29 Parteien, 4.506 Kandidaten: Zahlen zur Wahl
22.02.2025

Die Bundestagswahl 2025 bringt große Veränderungen mit sich: weniger Kandidaten, ein neues Wahlrecht und eine alternde Wählerschaft. Wer...

DWN
Politik
Politik Bundestagswahl 2025: Mittelstand fordert Bürokratieabbau
22.02.2025

Der Mittelstand sieht sich von überbordender Bürokratie, hohen Steuern und steigenden Energiekosten ausgebremst. Vor der Bundestagswahl...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Feuer, Flamme und viel kaltes Wasser: Preussischer Whisky aus der Uckermark
21.02.2025

In der Uckermark brennt Cornelia Bohn ihren eigenen Whisky – als erste Frau weltweit mit eigener Destillerie. Die ehemalige DDR-Bürgerin...