Deutschland

Investitionen: Stillstand trotz ausreichender finanzieller Rücklagen

Lesezeit: 3 min
08.12.2015 10:23
Eine schwache Konjunktur lässt Unternehmen vor Investitionen zurückschrecken. Der harte Wettbewerb verlangt jedoch nach Innovationen. Aber nur die wenigsten Mittelständler wollen die bürokratischen Hürden überwinden, das Risiko wagen und die notwendigen Ressourcen dafür aufbringen. Dabei sind die finanziellen Mittel dafür vorhanden.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Innovationen und technischer Fortschritt sind die Garanten für langfristiges Wirtschaftswachstum. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise in 2007 ist die Innovationskraft der deutschen, mittelständischen Unternehmen weniger risikobereit. Eine beunruhigende Entwicklung: Denn der Mittelstand, vor allem kleine und mittlere Betriebe, erbringen 53,8 Prozent der Bruttowertschöpfung in Deutschland.

Veraltete Strukturen, Prozesse und Stillstand sind auch Anzeichen für die Innovationsresistenz von Unternehmen. Die Modernisierung der Produkte, der Herstellungsverfahren und Produktionsanlagen tragen hingegen wesentlich zur Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens bei. Egal, ob es sich um Technologieproduzenten, Zulieferer, Exporteure oder Endanbieter handelt.

Dem Mittelstand fällt es schwerer als große Unternehmen, das Niveau der Innovationen aufrecht zu erhalten. Letztere steigerten zwischen 2006 und 2012 ihre Innovationsausgaben nominal um 17,6 Prozent auf 104,8 Milliarden Euro, während der entsprechende Wert bei den KMU im gleichen Zeitraum bei 24,2 Milliarden Euro stagnierte, berichtet die KfW-Bankengruppe in dem Mittelstandspanel 2014.

Besorgniserregend ist die Entwicklung der Innovatorenquote, das ist der Anteil der mittelständischen Unternehmen, der in den vergangenen Jahren neue Produkte oder Prozesse eingeführt hat. Die Quote ist seit Ausbruch der Finanzkrise 2007 um ein Drittel eingebrochen und liegt derzeit bei 30 Prozent. Im Bau- und Dienstleistungssektor, bei wissensintensiven Dienstleistungen und im Verarbeitenden Gewerbe ist die Innovatorenquote zurückgegangen. Auch die Prozessinnovationen entwickeln sich nach ihrem Einbruch 2007 nur schleppend.

Der Anteil der Produktinnovatoren liegt für den Zeitraum 2010/12 mit 22 Prozent sogar noch niedriger als im stark von der Finanz- und  Wirtschaftskrise beeinflussten Zeitraum 2007/09. Nachdem dieser Anteil zwischen 2004/06 und 2007/09 bereits „außerordentlich stark“ um gut ein Drittel (-35 Prozent) auf 24 Prozent eingebrochen war, befindet er sich derzeit „auf dem niedrigsten Wert“ seit Beginn der Befragungsreihe, schreibt die KfW.

Banken sind noch immer damit beschäftigt, ihre Eigenkapitalquoten zu erhöhen. Die Geldflut der EZB kommt daher nicht in Form von Krediten beim Mittelstand an. Dabei bestehe „gerade in einer konjunkturellen Schwächephase ein verstärkter Druck zu kostensenkenden Prozessinnovationen.“ Den Firmen bleibt nichts anderes übrig, als ihre Prozesse zu optimieren und abzuwarten. Eine schwierige Finanzlage in den Unternehmen ist das größte Hemmnis für Innovationen.

Das Innovationspotenzial gestaltet sich auch in den kommenden Jahren schleppend. Es kommt zum Stillstand. Nur zwei Prozent der befragen Mittelständler gaben an, dass sie planen, eigene Innovationsaktivitäten auszuweiten oder wieder aufzunehmen. Weitere 30 Prozent können sich die Ausweitung oder Aufnahme von Innovationsaktivitäten nur „unter bestimmten Voraussetzungen“ vorstellen.

Unternehmen, die in den vergangenen drei Jahren keine Innovationen auf den Weg gebracht haben, werden dies auch in den kommenden Jahren nicht schaffen. Nur 18 Prozent dieser nicht-innovativen Unternehmen ziehen Innovationen „unter bestimmten Voraussetzungen“ in Betracht. Die KfW begründet dies damit, dass für diese Mittelständler die Aufnahme von Innovationsaktivitäten auch eine „schwer zu überwindende Hürde“ sei, die den Einsatz „erheblicher Ressourcen und Know-how“ erfordere.

Größere Mittelständler sind da optimistischer: „11 Prozent der Unternehmen mit 100 und mehr Beschäftigten haben bereits beschlossen, ihre Innovationsanstrengungen in den kommenden drei Jahren auszuweiten.“ Die Geschäftslage (34 Prozent) und das Marktumfeld (26 Prozent) sind die wichtigsten Kriterien für die Planung von Innovationen. Danach folgen Finanzierungsaspekte (18 Prozent) und bürokratische Hürden (9 Prozent).

Kleine Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten partizipieren seltener an Fördermaßnahmen, entsprechend seltener können sie Verbesserungswünsche formulieren. Bei Unternehmen mit 10 und mehr Beschäftigten sieht das anders aus: Wenn sich Förderbedingungen ändern, werden sie aktiv und scheuen auch bürokratische Hürden nicht so sehr wie kleine Unternehmen. „Die bürokratischen Hemmnisse sind somit der einzige Faktor, dem für die Mobilisierung inaktiver Unternehmen eine größere Bedeutung beigemessen wird“, so die KfW.

Im Kontrast dazu steht dabei die Studie zum Anlageverhalten des deutschen Mittelstandes von der Fachhochschule des Mittelstandes (FHM) und der Commerzbank. Hier zeigt sich, dass die Liquidität vieler Unternehmen deutlich gestiegen ist. Man sollte meinen, dass diese Finanzpolster die operativen Risiken erleichtern würden. Das ist aber nur der Fall, wenn die Unternehmer auch bereit sind, Risikobereitschaft zu zeigen – und das sind sie nicht.

Produktinnovationen fallen entweder in die Kategorie originär und imitierend. Für imitierende Produktinnovationen wird weniger Zeit benötigt. Sie sind auch stark von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Flexible Unternehmen imitieren Innovationen kurzfristig und verschaffen sich davon einen Vorteil, bis alle Marktteilnehmer nachgezogen haben. Für echte Marktneuheiten sind längere Entwicklungsphasen notwendig. Sie sind konjunkturunabhängig, kostenintensiv und seltener.

Die Folge dieser Übervorsichtigkeit sind demnach überschüssige finanzielle Mittel, die es anzulegen oder zu investieren gilt.

Aber solange sich die Wirtschaft in Europa nicht nachhaltig stabilisiert, werden sich Unternehmen mit Investitionen und Innovationen weiter zurückhalten und den Markt beobachten. Zum Beispiel macht es im Energiesektor derzeit keinen Sinn, Innovationen zu tätigen, bis die Politik nicht eindeutige Signale gesetzt hat, wie es mit dem Projekt Energiewende weitergeht.

Informieren Sie sich hier über die Produkte der KfW.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik Deutsch-australische Rüstungskooperation: Mehr als Boote und Panzer?
05.05.2024

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock befürwortet eine engere Rüstungskooperation zwischen Deutschland und Australien, da sie betont,...

DWN
Immobilien
Immobilien Die Grunderwerbssteuer: Was Sie unbedingt wissen sollten!
05.05.2024

Jeder, der in Deutschland ein Grundstück erwerben will, zahlt darauf Steuern. Vorne mit dabei: Die Grund- und Grunderwerbssteuer. Doch was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Eli Lilly, Merck und Biontech: Deutschland behauptet sich als Pharma-Standort
05.05.2024

Mehr als 250.000 Beschäftigte sind in Deutschland allein in der Pharma-Industrie beschäftigt. Dass die Branche auch in naher Zukunft...

DWN
Finanzen
Finanzen Dispozinsen: Wie sie funktionieren und wie man sie vermeidet
05.05.2024

Dispozinsen können eine teure Überraschung für Bankkunden sein, die ihr Konto überziehen. Dieser Artikel erklärt, wie Dispozinsen...

DWN
Technologie
Technologie EU-China-Beziehung: Droht ein Handelskrieg um Elektroautos?
05.05.2024

Vor Xi Jinpings Besuch in Paris bekräftigt Deutschland seine Haltung im EU-China-Streit um E-Autos. Doch wie wird die EU reagieren?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Europameisterschaft 2024 am Arbeitsplatz streamen: Wie weit geht Arbeitgeber-Toleranz?
05.05.2024

Die Spiele der Europameisterschaft 2024 finden zu Zeiten statt, die nicht ideal für Arbeitnehmer sind. Einige Spiele starten bereits um 15...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handwerksbetriebe in Not: Geschäftslage trübt sich ein
05.05.2024

Die aktuelle Lage im Handwerk bleibt düster, mit einer spürbaren Verschlechterung der Geschäftslage im ersten Quartal 2024 aufgrund...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...