Politik

Rumänien könnte Russland als EU-Gaslieferant ablösen

Rumänien hat das Potential, sich als EU-Alternative für russisches Gas zu positionieren. Das Land könnte das Monopol Russlands zerschlagen.
08.09.2022 08:54
Aktualisiert: 08.09.2022 08:54
Lesezeit: 3 min
Rumänien könnte Russland als EU-Gaslieferant ablösen
Tritt Rumänien energiepolitisch aus dem Windschatten Russlands? (Foto: iStock.com/CatEyePerspective) Foto: CatEyePerspective

Es war für die Rumänen ein erfreuliches Bild, als Mitte Juni Energieminister Virgil Popescu das neue Gasprojekt des Konzerns „Black Sea Oil & Gas“ einweihen konnte. Auf dem Weg zum Traum von der Energieunabhängigkeit war das Land einen wichtigen Schritt weitergekommen.

Popescu veröffentlichte freudestrahlend auf seinem Facebook-Account: „Es ist offiziell! Das erste Gas aus dem Schwarzen Meer wurde heute in das nationale Fernleitungsnetz eingespeist! Dabei handelt es sich um die Gase aus dem Midia-Perimeter, dem von ,Black Sea Oil & Gas' erschlossenen Ana-Feld. Wir werden etwa eine Milliarde Kubikmeter mehr Gas pro Jahr haben. Unser Land ist dem Ziel der Energieunabhängigkeit einen Schritt näher gekommen.“

Wie gefährlich Rumänien für das russische Gasmonopol werden kann, zeigen Schätzungen der internationalen Finanzberatungsgesellschaft Deloitte. Sie prognostiziert ein Gasvorkommen von 170 Milliarden Kubikmeter im Schwarzen Meer. Die gleiche Summe liefert Russland jährlich in die EU. „Black Sea Oil & Gas“ deckt mit dem neuen Projekt etwa fünf Prozent des rumänischen Gasbedarfs ab. Die sehr hohe Anzahl von prognostizierten Fördermengen Rumäniens kommen durch die riesigen Gasquellen zustande, die nur darauf warten, genutzt zu werden.

Parlament schreckte Exxon Mobile mit Sondersteuer ab

In den vergangenen Jahren hat die rumänische Politik die Chance auf eine Energieunabhängigkeit nicht genug ernst genommen. Das rumänische Parlament legte 2018 ein Offshore-Gesetz fest, mit welchem Investoren aus dem Ausland mit einer Sondersteuer belegt werden sollten, um die Hälfte des erzeugten Gases im Land zu behalten, wie die Visegrad Post berichtete. Mit diesem Gesetz schreckte man Investoren ab. Im November 2021 verkaufte der US-amerikanische Mineralölkonzern ExxonMobil 50 Prozent seiner Anteile für etwa 1,06 Milliarden US Dollar am Gas-Projekt Neptun Deep dementsprechend an den rumänischen Energiekonzern Romgaz.

Die andere Hälfte besitzt der österreichische Energiekonzern OMV. Da rumänische Konzerne nur Erfahrung in der Gasförderung auf dem Land haben und in der Gasförderung vom Meer das nötige Know-how fehlt, benötigt man laut der rumänischen Website infoactual die Unterstützung und Erfahrung ausländischer Investoren. Umso wichtiger ist für Rumänien die Entscheidung von OMV im nächsten Jahr, ob man weiterhin in das Projekt investiert. Energieminister Popescu hatte 2021 gegenüber Euractiv gesagt, er hoffe auf eine Entscheidung von OMV für die Investition in Rumänien. Die Gesetzesänderung und der Start des neuen Gasprojektes von „Black Sea Oil & Gas“ dürften eine positive Entscheidung unterstützen.

Gasversorgung Rumäniens gesichert

Auch wenn der rumänische Staat es auf fahrlässige Weise versäumt hat, sich auf eine Energiekrise vorzubereiten und die Energieunabhängigkeit noch stärker zu fördern, ist man für den Herbst und Winter gesichert. Bereits im Juli berichtete Popescu, dass die Gasspeicher zu 49 Prozent gefüllt sind und er eine Prognose für den ersten Oktober von 57 Prozent mache.

Am 2. September wurde von der rumänischen Regierung die Notverordnung 27, welche im März zur Entlastung von Unternehmung und Privatpersonen wegen der Energiekrise beschlossen wurde, abgeändert. Die Regierung hat dabei Maßnahmen zur Deckelung der Strom- und Gaspreise bis zum 1. September 2023 sowie den von den Energieunternehmen zu zahlenden Solidaritätszuschlag gebilligt, wie die rumänische Zeitung adevarul berichtet. Die Regierung sagt laut adevarul, dass damit die Energieversorgung von 98 Prozent der rumänischen Haushalte gesichert ist.

Premierminister Nicolae Ciuca bestätigte dem Nachrichtenmagazin capital zufolge auch die Verlängerung der Notverordnung, die ab 1. September abgelaufen wäre: „Mit den Änderungen, die wir an der Notverordnung 27 vorgenommen haben, tun wir nichts anderes, als Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der Wirtschaft vor Energie- und Gaspreissteigerungen zu verstärken und zu erweitern. Wir haben die Notverordnung um ein Jahr verlängert, so dass sie nun bis zum 31. August 2023 gültig ist.“

Energieunabhängigkeit der EU von Russland?

Es bleibt die Frage, warum nicht nur Rumänien, sondern auch die EU die Absicherung vor einer Energiekrise zu wenig ernst genommen hat. Mit ein wenig mehr Augenmaß hätte man die aktuelle Situation vermeiden können und das Land bei der Gasförderung aus dem Schwarzen Meer rechtzeitig unterstützen können. Wenn der EU die Energieunabhängigkeit von Russland so wichtig wäre, hätte man alles daran setzen müssen, damit Rumänien die Gasvorkommen erschließen kann.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Heinz Nixdorf und der Wandel der deutschen Computerindustrie
08.04.2025

Das größte Computermuseum der Welt in Paderborn trägt seinen Namen. Der Grundstock für die Sammlung wurde mit Rechen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Handelskrieg: Optionen für das große Geld schwinden – Rezession droht
08.04.2025

Innerhalb von nur zwei Tagen haben die globalen Märkte einen dramatischen Verlust von 5,4 Billionen Dollar erlitten. Während die großen...

DWN
Politik
Politik Ukraine Krieg: Selenskyj bestätigt erstmalig ukrainische Truppenpräsenz in russischer Region
08.04.2025

Dies ist das erste Mal seit Beginn der russischen Invasion vor mehr als drei Jahren, dass Selenskyj öffentlich die Anwesenheit...

DWN
Politik
Politik Stillstand im Bundestag: Union und SPD streichen Sitzungswoche – aus Furcht vor der AfD?
08.04.2025

Die Sitzungswoche des Bundestags für diese Woche wurde auf Betreiben von Union und SPD gestrichen – mitten in Krisenzeiten und während...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump-Zölle: Europäischen Aktienmärkten droht dreimonatiger Bärenmarkt
08.04.2025

Die europäischen Aktienmärkte stehen angesichts der jüngsten Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, neue Zölle auf Handelswaren...

DWN
Politik
Politik Koalitionsverhandlungen vorm Abschluß? US-Zölle drücken aufs Tempo - Ist die schwarz-rote Koalition bald Realität?
08.04.2025

Schlussspurt bei Union und SPD: Stehen die Gespräche vor einem möglichen Abschluß? Nicht zuletzt angesichts der internationalen Lage und...

DWN
Politik
Politik Migration: Während der Koalitionsverhandlung stoppt das Innenministerium plötzlich die Aufnahme der UN-Flüchtlinge
08.04.2025

Für die Umsiedlung schutzbedürftiger Flüchtlinge wurde ein vorläufiger Aufnahmestopp verhängt. Deutschland hatte jährlich 6550...

DWN
Politik
Politik Handelskrieg: Was können Unternehmer und Verbraucher jetzt tun?
08.04.2025

Nüsse horten? Jeans bunkern? In Motorräder investieren? Der sich anbahnende Handelskrieg macht vielen Angst. Doch davon sollte man sich...