Wirtschaft

Sanktionen sinnlos: Russland liefert Öl an China und Indien statt nach Europa

Die Ölsanktionen der EU bringen kaum einen Schaden für Russland. Denn die erstarkte Nachfrage aus China und Indien gleicht die Absatzverluste in Europa aus.
Autor
08.09.2022 12:31
Lesezeit: 3 min
Sanktionen sinnlos: Russland liefert Öl an China und Indien statt nach Europa
Trotz der Sanktionen des Westens kann Russlands Präsident Putin weiter Öl exportieren, da China und Indien gern zugreifen. (Foto: dpa) Foto: Vladimir Smirnov

Chinas und Indiens Ölkäufe haben den Großteil des Rückgangs der russischen Lieferungen nach Europa ausgeglichen. Eine Analyse der Financial Times von verfügbaren Daten aus chinesischen und indischen Zollstatistiken zeigt, dass die Länder im zweiten Quartal dieses Jahres 11 Millionen Tonnen mehr Öl aus Russland importierten als im ersten Quartal. Die Zahlungen für russisches Öl aus den Ländern stiegen um 9 Milliarden Dollar.

Den größten Mengenzuwachs verzeichnete Indien, wo die Einfuhren von russischem Öl von 0,66 Millionen Tonnen im ersten Quartal auf 8,42 Millionen Tonnen im zweiten Quartal stiegen. China, das bereits vor dem Krieg ein wichtiger Abnehmer von russischem Rohöl war, kaufte im Mai 2 Millionen Barrel pro Tag, was einem Anstieg von 0,2-0,4 Millionen Barrel pro Tag gegenüber Januar und Februar entspricht.

Nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar verhängten die USA, die EU, Großbritannien, Kanada und Japan Sanktionen gegen Russland, die das Finanzsystem des Landes lahmlegen sollten und die Einfuhr zahlreicher russischer Waren untersagten. Doch Kunden in China und Indien, den zwei bevölkerungsreichsten Ländern der Welt, kaufen weiterhin russisches Öl und andere Rohstoffe wie Kohle und Düngemittel.

Russisches Öl kommt für Indien "gerade recht"

Alexander Gabuev, Senior Fellow bei der Carnegie Endowment for International Peace, sagte, dass Indien und China "die Chancen auf dem Markt nutzen" würden. "Es ist kein bewusster Wunsch, Putin zu helfen, es ist nur eine zynische, pragmatische Art, die Situation in ihrem Interesse zu nutzen", zitiert ihn die Financial Times. "Aber natürlich schafft es de facto einen Geldfluss, der dem Kreml hilft, wenn die Exporte nach Europa gedrosselt werden.

"In einer Situation, in der Inflationsdruck und Düngemittelknappheit alle Kalkulationen durcheinander brachten, kamen die russischen Lieferungen gerade recht", sagte Biswajit Dhar, Professor am Zentrum für Wirtschaftsstudien und Planung der Jawaharlal Nehru University. Ein "Schlüsselfaktor" für Indiens Käufe sei die Neutralität des Landes in Bezug auf den Krieg in der Ukraine. Russland ist auch der größte Waffenlieferant Indiens.

Die Häfen und Raffinerien an der indischen Küste liegen in Reichweite von Schifffahrtsrouten aus Erdöl exportierenden Ländern, die viel näher liegen als Russland, darunter Saudi-Arabien, Irak und die Vereinigten Arabischen Emirate. Obwohl die Informationen über den indischen Ölimportmarkt undurchsichtig sind, glauben Analysten, dass Neu-Delhi auch von Preisnachlässen aus Russland profitiert.

Seit der Invasion wird russisches Öl mit Preisnachlässen von bis zu 30 Dollar pro Barrel gegenüber der internationalen Referenzsorte Brent gehandelt. Die Gesamteinnahmen Russlands sind aber trotzdem höher als im vergangenen Jahr, weil die Weltmarktpreise so stark gestiegen sind und der Ölpreis zum ersten Mal seit 2014 die meiste Zeit des Jahres über der Marke von 100 Dollar lag.

Auch China profitiert von Preisnachlässen

Chinesische Zolldaten deuten darauf hin, dass die derzeitigen Ölimporte aus Russland fast genauso viel kosten wie die kleineren Mengen, die vor dem Krieg gekauft wurden. Da die weltweiten Ölpreise in diesem Zeitraum in die Höhe geschnellt sind, deuten die Zahlen darauf hin, dass die Verkäufe unter den vorherrschenden Marktpreisen stattfanden.

Der Einheitswert der Einfuhren aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Irak und Oman - Chinas anderen Hauptbezugsquellen für Rohöl neben Russland - stieg im zweiten Quartal auf rund 800 Dollar pro Tonne. Die Kosten für Einfuhren aus Russland verharrten hingegen deutlich günstiger bei rund 700 Dollar pro Tonne.

Die indischen Handelsstatistiken zeigen, dass Indien im Vergleich zur Vorkriegszeit in den Genuss einer Preissenkung gekommen ist. Indiens Öleinfuhren aus Russland kosteten im ersten Quartal durchschnittlich 790 Dollar pro Tonne, fielen aber im zweiten Quartal auf 740 Dollar pro Tonne. Die Kosten für Einfuhren aus anderen Quellen stiegen im gleichen Zeitraum.

"Obwohl wir die genaue Höhe nicht kennen, scheint Russland einen erheblichen Preisnachlass auf sein Öl zu gewähren", sagt Neil Crosby, ein in Wien ansässiger Senior Analyst bei OilX. "Ich glaube jedoch nicht, dass viele Marktteilnehmer die Unterlagen zu diesen Geschäften gesehen haben, sodass wir nur Vermutungen anstellen können".

Russland Ölfirmen erzielen weiterhin Gewinne

Trotz der nicht unerheblichen Preisnachlässe dürften die russischen Ölgesellschaften immer noch beträchtliche Gewinne erzielen, so Elina Ribakova, stellvertretende Chefvolkswirtin des Institute for International Finance (IIF). Die Gewinne von Tatneft, einem großen russischen Ölproduzenten, stiegen im ersten Halbjahr dieses Jahres um 52 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

In seiner Rede auf einem Wirtschaftsforum am Mittwoch erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin, sein Land habe keine Probleme beim Export seiner Energieressourcen an nicht-westliche Abnehmer. Während die Umleitung von Gaslieferungen aufgrund der Beschränkungen der bestehenden Pipeline-Infrastruktur schwierig ist, war Russland bei der Aufrechterhaltung des Ölabsatzes erfolgreicher.

Putin sagte, Moskau werde aus Energieverträgen aussteigen und die Lieferungen einstellen, wenn eine von der G7 vorgeschlagene Preisobergrenze für russisches Öl eingeführt wird. Er warnte, der Westen werde in diesem Fall "eingefroren". Russland werde dann "kein Gas, kein Öl, keine Kohle, kein Heizöl liefern - wir werden nichts liefern", so Putin.

Elina Ribakova vom IIF sagte: "Russlands Behörden mögen jetzt lachen, aber sie werden in den kommenden ein bis zwei Jahren bei Energieexporten übermäßig von China und Indien abhängig sein, wenn sich Europa vom russischen Gas abwendet. "Deshalb setzt Russland jetzt sein Druckmittel ein, da es weiß, dass es in den Energiekriegen bald nicht mehr so effektiv sein wird."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik China-Importe: Deutschlands Handel, Verbraucher und Zollbeamte fordern Regierung zu Regeln auf
22.01.2025

Täglich werden Hunderttausende Pakete mit Waren aus China auf den europäischen Markt geschwemmt, die China-Importe umgehen trickreich die...

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie: Prognose 2025 mit mehr Potential als Risiko - Nvidia-Aktie Kursziel überzeugt
22.01.2025

Die Nvidia-Aktie gehört zu den Lieblingspapieren sowohl der institutionellen Investoren als auch der privaten Anleger. Der US-Chipkonzern...

DWN
Politik
Politik Rüstungsexporte steigen auf Rekordwert, mehr als die Hälfte geht an die Ukraine
22.01.2025

Die Regierung von Kanzler Scholz hatte sich ursprünglich vorgenommen, Rüstungsexporte mit einem Kontrollgesetz einzudämmen. Dann kam die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schuhhändler Görtz erneut in die Insolvenz gerutscht
22.01.2025

Einst gab es in fast jeder Fußgängerzone eine Görtz-Schuhfiliale. Doch das Traditionsunternehmen, das 1875 gegründet wurde, ist erneut...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft IWF-Prognose Weltwirtschaft: USA im Aufwind - Deutschland abgeschlagen
22.01.2025

Die neue IWF-Konjunkturprognose für die Weltwirtschaft zeichnet ein differenziertes Bild für das Wachstum der Industrienationen....

DWN
Finanzen
Finanzen Apple-Aktie rutscht ab: Jefferies-Analyst senkt Kursziel – jetzt Apple-Aktie kaufen?
21.01.2025

Die Apple-Aktie steht am Dienstag mächtig unter Druck. Ein skeptischer Analystenkommentar sowie schwächere Verkaufszahlen in China sorgen...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt-Entwicklung 2025: Stimmung hellt sich auf, welche Segmente sind die Favoriten?
21.01.2025

Nachdem das Transaktionsvolumen auf dem Immobilienmarkt für zwei Jahre deutlich zurückgegangen war, hat er sich vergangenes Jahr...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steigende Sozialabgaben pushen Schwarzarbeit: Handwerk wird unbezahlbar
21.01.2025

Steigende Sozialabgaben sorgen für steigende Preise: Das Handwerk fordert jetzt eine Sozialabgabenbremse, sonst werden Handwerksarbeiten...