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Putin raus, Kaczynski rein? Bund übernimmt Kontrolle über drei Großraffinerien im Osten und Süden

Lesezeit: 4 min
16.09.2022 09:30  Aktualisiert: 16.09.2022 09:30
Die Bundesrepublik übernimmt die Kontrolle über die Anteile des russischen Rosneft-Konzerns an drei großen deutschen Raffinerien.
Putin raus, Kaczynski rein? Bund übernimmt Kontrolle über drei Großraffinerien im Osten und Süden
Die Mineralölraffinerie Oberrhein in Karlsruhe. Die Bundesregierung hat die Anteile des russischen Rosneft-Konzerns an drei großen Raffinerien zwangsweise übernommen. (Foto: dpa)
Foto: Christoph Schmidt

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Der polnische Ölkonzern Orlen will Insidern zufolge bei der ostdeutschen Raffinerie Schwedt einsteigen. Das Unternehmen habe Interesse an einem Anteil mit Kontrolle von Schwedt, sagten mit den Überlegungen Vertraute am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin und Warschau. Voraussetzung sei, dass der russische Rosneft-Konzern seine Anteile abgebe. Der Bund hat die deutschen Rosneft-Töchter unter Treuhandverwaltung gestellt und so die Kontrolle über Schwedt übernommen. Die Anteile von 54 Prozent gehören rechtlich aber noch Rosneft. Die Treuhandverwaltung ist zudem zeitlich beschränkt. Weder Orlen noch das zuständige polnische Klima-Ministerium waren zunächst für eine Stellungnahme erreichbar. Auch das Bundeswirtschaftsministerium äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht.

Polen hat ein Interesse an Schwedt, da die Raffinerie nicht nur große Teile Ostdeutschlands sondern auch Gebiete in Westpolen beliefert.

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Der Bund übernimmt die Kontrolle über die ostdeutsche Öl-Raffinerie Schwedt sowie zwei süddeutsche Großraffinerien und stellt den russischen Betreiber Rosneft dadurch unter Treuhandverwaltung. Damit gehe man gegen eine Gefahr für die Energie-Sicherheit vor und lege einen Grundstein für die Zukunft des Standorts Schwedt, teilte das Wirtschafsministerium am Freitagmorgen mit.

Der Jurist und Betriebswirt Christoph Morgen wird Geschäftsführer der Rosneft-Gruppe, die seit Freitag unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur steht. Morgen sei ein ausgewiesener Krisenmanager mit umfassender Erfahrung in verschiedensten Branchen, unter anderem auch im Energiesektor, teilte die Bundesnetzagentur am Freitag in Bonn mit.

Wie hoch wird künftig die Auslastung sein?

Deutschland will ab Jahresende kein russisches Öl mehr verarbeiten, was aber das Geschäftsmodell von Rosneft in Schwedt ist. Dort endet die Öl-Pipeline Druschba. In den vergangenen Monaten hat sich eine Arbeitsgruppe daher um eine Versorgung von Schwedt mit Öl aus Tankern über Rostock und auch den polnischen Hafen Danzig bemüht. Polen hatte Unterstützung signalisiert, wenn Rosneft in Schwedt nicht mehr das Sagen hat. Rosneft hält einen Mehrheitsanteil von gut 54 Prozent an der PCK Raffinerie, Shell rund 37 Prozent.

Deutschland hat über die Bundesnetzagentur bereits die deutschen Töchter von Gazprom unter Treuhandverwaltung gestellt. Grundlage ist auch hier das Energie-Sicherungsgesetz, das dies für den Fall einer Gefahr für die Versorgung möglich macht. Neben dem Mehrheitsanteil an Schwedt übernimmt die Netzagentur so auch die Kontrolle über die Rosneft-Minderheitsanteile der Raffinerien MiRo (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg).

Schwedt spielt für die Versorgung von Ostdeutschland mit Benzin und anderen Raffinerieprodukten eine zentrale Rolle. Auch Teile Westpolens werden ebenso wie der Flughafen Berlin-Brandenburg mitversorgt.

Mit der bestehenden Pipeline vom Hafen Rostock nach Schwedt könnte allerdings die Raffinerie nur zu gut 60 Prozent ausgelastet werden. Der Rest des benötigten Öls soll über den polnischen Hafen Danzig und das dortige Pipeline-System kommen. Laut einem Papier des Wirtschaftsministeriums von Ende August hofft man auf eine Auslastung von mindestens 75 Prozent. Diesen Anteil will man auch für die Raffinerie Leuna erreichen, die auch russisches Öl nutzte. Sie hat allerdings bereits ältere Verträge für Lieferungen über Polen und wird auch nicht von Rosneft kontrolliert. Polen war aber nur zur Hilfe bereit, wenn Rosneft keinen Einfluss mehr auf Schwedt hat.

Droht ein Ende der Öllieferungen?

Der Zeitpunkt der Treuhandverwaltung kommt insofern nicht überraschend, da Russland seine Gas-Lieferungen praktisch komplett eingestellt hat. Damit entfällt ein weiterer Grund für eine Rücksichtnahme. Dennoch ist die Treuhandverwaltung ein weiterer Schritt der Eskalation im Verhältnis zu Russland. In Regierungskreisen hatte es geheißen, auch ein sofortiger Stopp der Öl-Lieferungen müsse in diesem Fall einkalkuliert werden.

Offen ist auch, wer für Rosneft als Betreiber einspringen könnte. Shell als zweitgrößter Anteilseigner will sich eigentlich seit längerem aus der Raffinerie zurückziehen. Interesse hatten Verbio und Enertrag angemeldet, beide aus der Erneuerbaren-Energien-Branche. Sie wollen Schwedt eine Perspektive geben, wenn auf Öl aus Klimaschutzgründen verzichtet wird. Für die Grenzregion zu Polen hat Schwedt als Arbeitgeber für über 3000 direkt und indirekt Beschäftigte eine große Bedeutung.

Das Wirtschaftsministerium kündigte bereits an, die Entscheidung werde von einem umfassenden Zukunftspaket begleitet. Damit solle ein Transformationsschub für die Region ausgelöst werden. Dieses Zukunftspaket soll am Freitagmittag von Kanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und dem Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke, vorgestellt werden.

Der Ostbeauftragte der Linksfraktion, Sören Pellmann, hat kritisch auf das Konzept der Bundesregierung für die PCK-Raffinerie Schwedt reagiert. Die Abkehr vom russischen Öl bleibe überstürzt und habe gravierende Folgen für Ostdeutschland, erklärte Pellmann am Freitag in Berlin. „Wir werden im Winter Spritpreise in Richtung drei Euro erleben, wenn überhaupt die Versorgung gesichert ist. Diese verfehlte Politik der Ampel müssen die kleinen Leute in Ostdeutschland bezahlen.“

MIRO und Bayernoil: strategisch bedeutsam für Süddeutschland

Die Mineralölraffinerie Oberrhein (MiRO) in Karlsruhe ist nach Unternehmensangaben Deutschlands größte Raffinerie. Gesellschafter sind demnach Phillips 66, Esso, Rosneft und Shell, der Standort hat 1100 Mitarbeiter, die aus Rohöl Produkte wie Benzin, Diesel oder Heizöl herstellen, insgesamt rund 14 Millionen Tonnen pro Jahr. Für den Südwesten Deutschlands ist MiRO nach eigener Darstellung die wichtigste Versorgungsquelle für Mineralölprodukte.

Die Raffinerie im bayerischen Vohburg an der Donau nahe Ingolstadt stellt nach Angaben des Unternehmens Bayernoil unter anderem Flüssiggas, Benzin, Diesel und Heizöl her.

Grund für die Anordnung der Treuhandverwaltung sei, dass die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der betroffenen Raffinerien aufgrund der Eigentümerstellung der Unternehmen in Gefahr gewesen sei. Zentrale Dienstleister wie Zulieferer, Versicherungen, Banken, IT-Unternehmen und Banken, aber auch Abnehmer, seien nicht mehr zu einer Zusammenarbeit mit Rosneft bereit gewesen - weder mit Raffinerien mit Rosneft-Beteiligung noch mit den deutschen Rosneft-Töchtern RDG und RNRM selbst.

Hintergrund seien „Unsicherheiten über die sanktionsrechtliche Behandlung“ der Unternehmen, wie das Wirtschaftsministerium im Eintrag zu dem Vorgang im Bundesanzeiger schreibt. Zudem wanderten Mitarbeiter ab. „Es ist in der gegenwärtigen Situation zu erwarten, dass zentrale Unternehmensbereiche nicht mehr besetzt werden können“, schreibt das Ministerium.

Auch in der Bayernoil-Raffinerie bei Ingolstadt wurde die Zusammenarbeit mit Dienstleistern laut Wirtschaftsministeriums zuletzt schwierig. Rosneft Deutschland habe zudem nicht die vereinbarten Mengen an Rohöl geliefert. „Die angespannte Versorgungslage mit Mineralölprodukten im süddeutschen Raum wird dadurch verschärft.“

Rechtliche Grundlage der Treuhandverwaltung ist eine Regelung im Energiesicherungsgesetz. Demnach ist dieser Schritt möglich, wenn das Unternehmen andernfalls seine dem Gemeinwesen dienenden Aufgaben nicht erfüllen kann und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. Gegen die Entscheidung kann binnen eines Monats Klage erhoben werden.


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