Wirtschaft

EU-Sanktionen: Aserbaidschan und Georgien als Profiteure

Aserbaidschan kann in diesem Jahr seinen Gasexport nach Europa steigern. Auch das Nachbarland Georgien profitiert als Transitland.
26.09.2022 15:47
Aktualisiert: 26.09.2022 15:47
Lesezeit: 4 min

Aserbaidschan wird seine Erdgasexporte nach Europa in diesem Jahr um 30 Prozent erhöhen, da die EU angesichts des Einmarsches des Kremls in der Ukraine versucht, ihre Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern. Der aserbaidschanische Energieminister Parviz Shahbazov erklärte am 12. September über Twitter, dass Baku in den acht Monaten dieses Jahres „7,3 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Europa geliefert“ habe.

Laut Shabazov beläuft sich das Gesamtvolumen der Gas-Lieferungen nach Europa im Jahr 2022 auf 12 Milliarden Kubikmeter - ein Anstieg um 31 Prozent im Vergleich zu 2021. Er berichtete auch von einem fast 10-prozentigen Anstieg der Gasproduktion, die im Zeitraum Januar-August 2022 30,6 Milliarden Kubikmeter erreichte.

Im September 2022 schlug die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, vor, dass die Mitgliedsstaaten eine Preisobergrenze für Gasimporte aus Russland vereinbaren. Der russische Präsident Wladimir Putin drohte daraufhin damit alle Länder, die Preisobergrenzen für Öl- oder Gasexporte einführen, auszuschalten.

Vereinbarung im Juli

Ende Mai einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU darauf, den Großteil der russischen Öleinfuhren bis Ende des Jahres zu stoppen, um Russland für seinen Einmarsch in die Ukraine zu bestrafen. Von einem völligen Verbot russischer Gaslieferungen hatte man jedoch abgesehen. Die Lieferungen beliefen sich 2021 auf 155 Milliarden Kubikmeter – fast 40 Prozent des EU-Bedarfs.

Um eine Alternative zu russischem Gas zu realisieren, unterzeichnete die EU mit Baku eine Vereinbarung mit Aserbaidschan über die Verdoppelung der Gasimporte auf mindestens 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr ab 2027. Die Transadriatische Pipeline ist seit Ende Dezember 2020 in Betrieb. Die Vereinbarung sieht auch den Ausbau des südlichen Gaskorridors vor, der durch Aserbaidschan, Georgien, die Türkei und Griechenland verläuft. Die Kosten des Projektes liegen bei 4,5 Billionen Euro.

Eigner der Pipeline sind BP (Großbritannien) mit 20%, SOCAR (Aserbaidschan) mit 20%, Snam (Italien) mit 20%, Fluxys (Belgien) mit 19%, Enagas (Spanien) mit 16% und die Schweizer Axpo Holding (5%). Aserbaidschan hat eine enge Verbindung zu Russland. So schloss Präsident Alijew zwei Tage vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine ein Bündnis mit Russland. Dabei erklärte der Präsident damals, dass Aserbaidschan nicht auf dem Gasmarkt mit Russland konkurrieren will. Entsprechend befindet sich Aserbaidschan zwischen einem Spagat zur Bündnistreue zu Russland und zum profitablen Gas-Abnehmer EU.

Russland hat nach dem öffentlichen Streit um die Gasturbine damit begonnen, seine Gaslieferungen zu drosseln. Darunter leidet ein Großteil der EU, was die Europäische Kommission dazu veranlasste, einen „Plan zur Reduzierung der Gasnachfrage“ auszuarbeiten, um den nächsten Winter zu überstehen. Putin hat westliche Anschuldigungen zurückgewiesen, dass Moskau seine Energieexporte als „Waffe“ einsetzt. Gleichzeitig hat der russische Präsident verkündet, dass er problemlos Öl und Gas weltweit verkaufen kann und die Europäer für die derzeitigen Unterbrechungen der Gaslieferungen an den Kontinent verantwortlich gemacht.

Georgien profitiert als Transitland

Neben Aserbaidschan ist Georgien einer der größten Profiteure der europäischen Sanktionen gegen Russland. Das Land ist Transitland der Transadriatischen Pipeline und durch die Sanktionen zum einzigen Landkorridor für die EU nach Zentralasien und China geworden. Ohne die volle Nutzung des georgischen Transitpotentials wird der Zugang zu den Produkten und den natürlichen Ressourcen Zentralasiens weiterhin erheblich eingeschränkt sein. Durch die Vereinbarung zur Verdoppelung der Gasimporte von Aserbaidschan an Europa im Juli, ist die Rolle Georgiens als wichtiges Transitland noch weiter gestiegen.

Am 23. August 2022 fand in Tiflis ein hochrangiges Treffen ein hochrangiges Treffen zwischen dem georgischen Wirtschaftsminister Lewan Dawitaschwili und den Verkehrsministern der Türkei und Aserbaidschans statt, bei dem die Entwicklung und das wettbewerbsfähige Wachstum der Verkehrskorridore von Georgien, Aserbaidschan und der Türkei, insbesondere das Potenzial des TITR (Trans-Caspian-International-Transport-Route), erörtert wurden. In diesem Zusammenhang unterstrichen die türkischen Teilnehmer die Bedeutung der bestehenden Verkehrsinfrastruktur, einschließlich der Baku-Tiflis-Achalkalak-Kars-Eisenbahn, einem 2017 gestarteten Projekt für eine internationale Eisenbahnverbindung.

Pipeline umgeht Russland

Angesichts der sich verändernden Realitäten in der Region ist der Güterumschlag im georgischen Korridor um 1 Million Tonnen gestiegen, einschließlich einer Zunahme der Land- und Seefracht sowie des Containerumschlags, berichtet die Webseite Business Media Georgia. Am 3. September wurde laut Forbes Kasachstan bekannt gegeben, dass JSC NC KTZ, der nationale Betreiber des kasachischen Eisenbahnverkehrs, im Auftrag des kasachischen Präsidenten bis 2030 Terminals in den Häfen von Iran, Aserbaidschan, Georgien und der Türkei errichten wird. Die staatliche kasachische Ölgesellschaft KazTransOil ist Eigentümerin des Ölterminals im Seehafen von Batumi.

Tengizchevroil, ein vom Ölriesen Chevron geführtes Joint Venture, hat bereits im April 2022 damit begonnen, eine kleine Menge Öl per Bahn zum georgischen Hafen Batumi umzuleiten und es ist geplant, im September und Oktober weitere Bahnmengen zu buchen. Jüngsten Berichten von Reuters zufolge beabsichtigt Kasachstan, ab September 1,5 Millionen Tonnen Öl über die Baku-Tbilisi-Ceyhan-Pipeline (BTC) zu transportieren, um Russland zu umgehen. Das kasachische Energieministerium hat diese Berichte jedoch umgehend dementiert, wie die aserbaidschanische Webseite Azernews berichtete. Kasachstan steckt im Dilemma zwischen der Loyalität zu Moskau und einer profitablen Möglichkeit Öl nach Europa zu transportieren und selbst Nutznießer der EU-Sanktionen zu sein.

Pipelines ein Problem für Russland

Für Russland ist sowohl die Gas-Alternative Aserbaidschan, als auch die Möglichkeit, dass die EU über Kasachstan, Turkmenistan, Iran, Aserbaidschan, Georgien und die Türkei Öl nach Europa transportieren könnte, nicht optimal. So hätte die EU die Gelegenheit ihre Öl-Abhängigkeit zu Russland minimieren. Entsprechend ist Russland extrem von den Staaten Zentralasiens und dem Iran abhängig, um diese Alternative zu verhindern. Die Gefährlichkeit der Intensivierung einer solchen Verbindung, kommt für Russland zu einer Unzeit. Durch die steigenden Schiffspreise kauft Indien weniger russisches Rohöl, was den Plan Russlands die ausbleibende Produktion von Öl nach Europa durch andere Länder auszugleichen, erschwert.

Für die EU bietet Aserbaidschan eine von vielen Alternativen, sich von russischem Gas unabhängiger zu machen. Die Zahlen aus Aserbaidschan zeigen auch, dass die Lieferung und Produktion gut funktioniert. Bis die doppelte Menge durch die Pipeline fließt, dauert es allerdings noch fünf Jahre und die aktuelle Lieferung von 12 Milliarden Kubikmeter ist nur ein kleiner Teil der 150 Milliarden Kubikmeter, die Russland 2021 nach Europa transportiert hat.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Putins Gaskasse bleibt gefüllt – weil Frankreich und Belgien blockieren
06.06.2025

Während Brüssel russisches Flüssiggas verbieten will, stellen sich ausgerechnet Frankreich und Belgien quer – und sichern damit weiter...

DWN
Finanzen
Finanzen Fondsmanager warnt: „Gold ist noch immer unterbewertet“
05.06.2025

Der Goldpreis explodiert – doch laut Fondsmanager Erik Strand ist das Edelmetall noch immer unterbewertet. Die wahre Blase?...

DWN
Panorama
Panorama Stromanbieterwechsel 2025: Neue Fristen ab 6. Juni – wichtige Tipps
05.06.2025

Ein Stromanbieterwechsel soll ab dem 6. Juni deutlich schneller gehen – das klingt gut, hat aber Tücken. Welche Chancen und Risiken...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut wächst: Jede sechste Rentnerin in Deutschland lebt in Altersarmut
05.06.2025

Die neuen Zahlen zur Altersarmut in Deutschland sind alarmierend: 2,1 Millionen Rentnerinnen und 1,3 Millionen Rentner leben unterhalb der...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB stützt Konjunktur mit achter Zinssenkung seit Juni 2024
05.06.2025

Die von hohen US-Zöllen bedrohte Wirtschaft im Euroraum darf auf günstigere Kredite hoffen: Zum achten Mal seit Juni 2024 senkt die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erneut mehr Aufträge in der Industrie - Experte: mögliche Trendwende
05.06.2025

In der deutschen Industrie mehren sich Hinweise auf ein Ende der Schwächephase. Im April haben die Industriebetriebe den zweiten Monat in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenboom trotz Pleitewirtschaft: Drei Konzerne täuschen die deutsche Stärke vor
05.06.2025

Während die deutsche Wirtschaft stagniert und die Industrie schwächelt, feiert die Börse Rekorde. Doch hinter dem Höhenflug stecken nur...

DWN
Technologie
Technologie Wenn die künstliche Intelligenz lügt: Wie Sie sich schützen und was KI-Versicherungen bringen?
05.06.2025

Chatbots erfinden Fakten, ruinieren Verträge und blamieren Konzerne – und die Industrie weiß: Das Problem ist nicht lösbar. Jetzt...