Weltwirtschaft

Kraftstoffnachfrage: China steht schon bereit für Europa

Lesezeit: 3 min
15.10.2022 09:14
Europa plant das im Dezember eintretende Öl-Embargo und benötigt Kraftstoff. China steht schon zur Stelle, um den europäischen Dieselmarkt zu retten.
Kraftstoffnachfrage: China steht schon bereit für Europa
China und Präsident Xi Jinping stehen schon bereit, um Europa aus dem Dieseldilemma zu helfen. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Rohöleinfuhren nach Asien sind im September sprunghaft angestiegen. Normalerweise würden solche Nachrichten für positive Stimmung bei der Nachfrage und damit auch Hoffnung für die Preise wecken, aber diesmal ist die Sache komplizierter. Die Komplexität hat dabei weniger mit der asiatischen Nachfrage zu tun, sondern mit der europäischen.

Europa kämpft bereits mit Dieselkraftstoffmangel

Wie Clyde Russell von Reuters in seiner letzten Kolumne berichtet, stiegen die Öleinfuhren in Asien im vergangenen Monat um mehr als 2 Millionen Barrel pro Tag, wobei er feststellte, dass der Großteil nach China und Singapur ging. Er wies darauf hin, dass sowohl in China als auch in Singapur im August Wartungsarbeiten an den Raffinerien durchgeführt wurden und die Auslastung im September gestiegen ist. Einerseits handelt es sich um die normale Vorbereitung auf den Winter. Andererseits tritt in der EU in weniger als zwei Monaten ein Embargo gegen russisches Rohöl in Kraft. Und ein weiteres Embargo für Kraftstoffe tritt zwei Monate später in Kraft.

Europa hat bereits jetzt mit einem Mangel an Dieselkraftstoff zu kämpfen, da es vor dem Embargo russische Kraftstoffe meidet und das weltweite Angebot an diesem Kraftstoff begrenzt bleibt. Dies hat zu Befürchtungen beigetragen, dass die Nachfrage durch überhöhte Preise zerstört wird, aber es hat auch die Angst vor einer Rezession aufgrund der Kraftstoffknappheit verstärkt.

Die USA könnten ihre Kraftstofflieferungen nach Europa möglicherweise erhöhen, so Führungskräfte großer Rohstoffhandelshäuser, die in einem kürzlich erschienenen Bericht von Energy Intelligence zitiert wurden, zumal russische Kraftstoffe in andere Bestimmungsländer, darunter Asien und Südamerika, umgeleitet werden, um einen Teil der dortigen Nachfrage zu decken. Einige dieser russischen Brennstoffe werden nach Europa gehen, aber aus China kommen.

Warum am Ende doch russisches Öl nach Europa fließt

Es ist eine etwas ironische Wendung in der Europa-Russland-Geschichte, dass das russische Öl nicht buchstäblich aufhören wird, nach Europa zu fließen, was immer Europa auch tun wird, um diesen Fluss zu stoppen, selbst wenn es einen buchstäblich hohen Preis dafür zahlen wird. Wie bereits die Treibstoffströme von Indien nach Europa gezeigt haben, hat Europa kein Problem mit russischen Raffinerieprodukten, solange sie nicht aus Russland selbst stammen.

Dies wird wahrscheinlich auch weiterhin der Fall sein, denn unabhängig von den geopolitischen Spielchen wird die physische Nachfrage nach Erdölerzeugnissen wahrscheinlich so lange robust bleiben, bis die Preise unerschwinglich werden. Und selbst dann wird die Nachfrage nicht über Nacht sinken. Ein Beispiel dafür ist Frankreich, wo Streiks mehr als die Hälfte der Raffineriekapazitäten des Landes lahmgelegt haben und die Menschen Schlange stehen, um ihre Tanks zu füllen.

Es ist eine doppelte Ironie, dass die Europäische Union bei der Versorgung mit Winterkraftstoffen auf China angewiesen sein könnte. Schließlich hat sich die EU, dem Beispiel der USA folgend, auch gegen die zunehmende Vorherrschaft Chinas auf verschiedenen globalen Märkten ausgesprochen. China wird in Europa nicht als Freund betrachtet. Dabei ist es ein wichtiger Lieferant von Rohstoffen, ohne die die EU zusammenbrechen würde.

Chinas Wirtschaftsschwäche gut für Europas Dieselmarkt

Mehr noch, die europäischen Länder müssen diese Rettungsleine vielleicht eher früher als später anzapfen und auf China als Retter setzen, um den eigenen Dieselmarkt zu entlasten. Das Problem ist dringender denn je, denn die Streiks der Raffinerien in Frankreich sind nicht die einzige Herausforderung für die Versorgung. In diesem Monat wird sich die Dieselknappheit in Europa sogar noch verschärfen, da die Raffinerien saisonale Wartungsarbeiten durchführen. Dadurch werden 1,5 Millionen bpd an Raffineriekapazität vom Markt genommen. Zusammen mit den Streiks in Frankreich, deren Ende nicht absehbar ist, wird die Lage bei der Dieselversorgung in der EU sehr angespannt, und auch anderswo ist der Kraftstoff nur begrenzt verfügbar. Außer in China, so wie es aussieht.

Bloomberg berichtete kürzlich, dass den chinesischen Raffinerien gerade die größten Kraftstoffexportquoten seit Jahresbeginn gewährt wurden. Ein Grund dafür ist das nach all den Sperrungen immer noch schwächelnde lokale Nachfragewachstum. Der andere mögliche Grund ist die Aussicht auf eine größere Kraftstoffnachfrage in Europa aus den oben genannten Gründen. „Solange die chinesische Wirtschaft schwach bleibt und die Produktbestände hoch sind, gibt es für die Raffinerien Anreize, ihre Bestände abzubauen und zu exportieren“, so Michal Meidan, Forscher des Oxford Institute of Energy Studies gegenüber Bloomberg. Der europäische Dieselmarkt muss also darauf hoffen, dass Chinas Wirtschaft schwach bleibt.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Die Bundesregierung macht Russland für den Cyberangriff auf SPD verantwortlich
03.05.2024

Im Januar des Vorjahres wurden die E-Mail-Konten der SPD von Hackern attackiert. Die Bundesregierung gibt nun "eindeutig" Russland die...

DWN
Finanzen
Finanzen Der komplette Guide zur Bankvollmacht: Sicherheit und Flexibilität im Finanzmanagement
03.05.2024

Eine Bankvollmacht kann entscheidend dafür sein, Sicherheit und Flexibilität in Ihren finanziellen Angelegenheiten zu gewährleisten....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fleischersatz auf dem Vormarsch: Deutschland erlebt Produktionsboom
03.05.2024

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte gewinnen in Deutschland an Beliebtheit: Produktion verdoppelt sich seit 2019. Fleischkonsum...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...