Politik

Parteitag in China: Ex-Parteichef Hu wird von Bühne entfernt

Der ehemalige Staatschef Hu Jintao wurde während der Abschlusssitzung des Parteitags der Kommunistischen Partei gegen seinen Willen von der Bühne eskortiert.
22.10.2022 10:44
Aktualisiert: 22.10.2022 10:44
Lesezeit: 2 min
Parteitag in China: Ex-Parteichef Hu wird von Bühne entfernt
Der ehemalige Staatspräsident Hu Jintao muss zum Ende des Parteitags die Bühne verlassen und geht an Staatspräsident Xi Jinping und Premierminister Li Keqiang vorbei. (Foto: dpa) Foto: Ng Han Guan

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat auf dem Kongress der Kommunistischen Partei in Peking seine Macht noch weiter ausgebaut. Zum Abschluss des nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteitages verankerten die 2300 Delegierten am Samstag in Peking seine Ideologie und dauerhafte Führungsrolle noch tiefer in der Parteiverfassung. Der 69-Jährige will am Sonntag eine ungewöhnliche dritte Amtszeit als Generalsekretär antreten und sich damit über bisher respektierte Altersbegrenzungen hinwegsetzen.

Die sorgfältig orchestrierte, einwöchige Sitzung wurde am Ende von einem Zwischenfall um den früheren Staats- und Parteichef Hu Jintao überschattet. Der gebrechlich wirkende 79-Jährige wurde kurz vor den Verfassungsänderungen von zwei Saalordnern offensichtlich gegen seine Willen von seinem Platz neben Xi Jinping vom Podium geführt. Kurz vorher waren ausländische Medienvertreter auf die Tribüne der Großen Halle des Volkes gelassen worden. Hu Jintao gilt nicht unbedingt als Unterstützer des Parteichefs und dessen Alleinherrschaft.

Die Delegierten sprachen sich für die Aufnahme mehrerer theoretischer Konzepte in die Verfassung auf. Darunter sind die „Zwei Etablierungen“ (Liang ge queli), mit denen die Machtposition von Xi Jinping als Kern der Partei und die „Ideen Xi Jinpings für den Sozialismus chinesischer Prägung in einer neuen Ära“ als Leitlinie festgeschrieben werden. Auch sollen die „Vier Bewusstseinsbereiche“ (Si ge yishi) ergänzt werden. Sie fordern Loyalität, politische Integrität, die Unterstützung der Führung und ein Einhalten der Parteilinie.

Pflichtprogramm werden auch die „Vier Selbstvertrauen“ (Si ge zixin), die sich auf den Kurs der Partei, die Parteitheorien, den Sozialismus chinesischer Prägung und die chinesische Kultur beziehen. Schließlich wurde auch die Forderung der „Zwei Erhaltungen“ (Liang ge weihu) ergänzt, die die Schlüsselposition von Xi Jinping und die Autorität und zentralistische, einheitliche Führung der Partei betreffen.

„Die wichtigste politische Neuerung dieses Parteitags ist nicht auf dem Papier zu finden: Anstatt nach zwei Amtszeiten als Generalsekretär für einen jüngeren Nachfolger Platz zu machen, stellt sich Xi Jinping als sein eigener Nachfolger auf“, sagte Katja Drinhausen vom China-Institut Merics in Berlin. In seinem ersten Jahrzehnt im Amt habe Xi Jinping „große Ambitionen“ für China und die Kommunistische Partei formuliert. „Er hat diese nun untermauert und den Weg dafür bereitet, sie Wirklichkeit werden zu lassen.“

Das neu besetzte Zentralkomitee soll am Sonntag zu seiner ersten Plenarsitzung zusammenkommen, um die Umbildung des Politbüros und seines mächtigen Ständigen Ausschusses zu bestätigen. Dabei soll Xi Jinping als Generalsekretär und Chef der Militärkommission für eine ungewöhnliche dritte Amtszeit bestätigt werden. „Er könnte feststellen, dass seine dritte Amtszeit an der Macht die bisher schwerste ist“, sagte Richard McGregor vom australischen Lowy-Institut. Ein potenzieller Nachfolger werde nicht aufgebaut.

Was hinter dem Vorfall mit Ex-Präsident Hu Jintao steckte, blieb unklar. Er zählt zum Lager der kommunistischen Jugendliga in der Partei, das von Xi Jinping geschwächt worden war. Hu Jintao hatte das Amt des Generalsekretärs nach zwei Amtszeiten 2012 an Xi Jinping übergeben. Er steht für das alte „kollektive“ Führungsmodell mit Vertretern verschiedener Fraktionen und mit Altersbegrenzungen. Damit sollte verhindert werden, dass kein Führer wieder so mächtig wird wie der Staatsgründer und Revolutionär Mao Tsetung, der Chaos über das Land gebracht hatte. Geschichte sollte sich nicht wiederholen können.

Doch habe Xi Jinping diese Institutionalisierung abgeschafft und ein personalisiertes System geschaffen, indem ihm kein anderer zu nahe kommen könne, stellte der bekannte US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama in „The Atlantic“ fest. „Die Konzentration der Autorität durch eine Person hat zu schlechten Entscheidungsprozessen geführt.“ Er nannte unter anderem Xi Jinpings misslungene Interventionen in der Wirtschaft und im Tech-Sektor sowie dessen Festhalten an der strikten Null-Covid-Strategie, die mit Lockdowns zu einer schweren Belastung für die Wirtschaft geworden ist. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik NATO fordert 5 Prozent fürs Militär – doch Europas Regierungen spielen weiter auf Zeit
04.06.2025

Während Russland aufrüstet und zum Gegenschlag bereitsteht, warnt die NATO vor einem historischen Sicherheitskollaps – doch viele...

DWN
Politik
Politik Grenzkontrollen: Dobrindt und Frei verteidigen Linie der Bundesregierung
04.06.2025

Ein Gerichtsurteil stellt die Rechtmäßigkeit aktueller Grenzpraktiken infrage – doch Innenminister Dobrindt und Kanzleramtschef Frei...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Firmen vor Engpässen bei seltenen Erden aus China
04.06.2025

China verschärft seine Exportkontrollen bei strategisch wichtigen Mineralien – mit direkten Folgen für die deutsche Industrie. Vor...

DWN
Politik
Politik Polens Präsident Nawrocki – Ein Trump-Statthalter in Warschau?
04.06.2025

Mit Karol Nawrocki zieht ein Hardliner in den Präsidentenpalast ein – unterstützt von Donald Trump und im offenen Konflikt mit der...

DWN
Immobilien
Immobilien Eigenheim kaufen: Wie der Traum vom eigenen Haus gelingen kann - die besten Tipps
04.06.2025

Der Wunsch, ein Eigenheim kaufen zu wollen, ist für viele Menschen in Deutschland tief verankert. Doch finanziell scheint dieses Ziel oft...

DWN
Politik
Politik US-Zölle auf Stahl und Aluminium verdoppelt: Folgen für Deutschland
04.06.2025

Donald Trump verdoppelt die Zölle auf Stahl und Aluminium – und riskiert damit eine neue Eskalation im transatlantischen...

DWN
Politik
Politik Bas will "mafiöse Strukturen" bei Bürgergeld-Empfängern zerschlagen
04.06.2025

Organisierter Sozialleistungsbetrug ist laut Arbeitsministerin Bas kein Randphänomen mehr, sondern Teil krimineller Strukturen, die...

DWN
Politik
Politik Iran warnt vor US-Vorschlag: Neue Atomverhandlungen mit „vielen Unklarheiten“
04.06.2025

Iran spricht von „Unklarheiten und Widersprüchen“ im US-Vorschlag zu einem neuen Atomabkommen. Während Teheran auf sein Recht zur...