Politik

IWF: Ukraine braucht 2023 vom Ausland 4 Milliarden Dollar pro Monat

Die von Russland angegriffene Ukraine wird dem IWF zufolge auch 2023 einen riesigen Finanzbedarf haben, nämlich etwa 4 bis 5 Milliarden Dollar pro Monat
25.10.2022 17:08
Lesezeit: 3 min
IWF: Ukraine braucht 2023 vom Ausland 4 Milliarden Dollar pro Monat
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, ist am Dienstag bei der Internationalen Expertenkonferenz zum Wiederaufbau der Ukraine zugeschaltet. (Foto: dpa) Foto: Christophe Gateau

Die von Russland angegriffene Ukraine wird auch im kommenden Jahr einen riesigen Finanzbedarf haben. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa sagte am Dienstag in Berlin bei einer Konferenz zum Wiederaufbau des osteuropäischen Landes, andere Staaten müssten pro Monat rund drei Milliarden Dollar zuschießen. Dies sei noch ein günstiges Szenario. Denn viele Einnahmen im Haushalt fehlten weiterhin.

Die Haushaltslücke könne schnell vier Milliarden Dollar im Monat erreichen, sobald zusätzliche Gasimporte nötig seien und zerstörte Infrastruktur wieder aufgebaut werden müsse. In einem Extremszenario könnten es auch fünf Milliarden Dollar im Monat sein, etwa wenn russische Bombardierungen ein noch stärkeres Ausmaß annähmen.

Die ukrainische Wirtschaft wird dieses Jahr massiv schrumpfen. Für den Wiederaufbau des Landes werden nach Angaben des Regierung in Kiew langfristig in etwa 750 Milliarden Dollar nötig. Georgiewa sagte, die internationale Gemeinschaft habe 2022 rund 35 Milliarden Dollar zugesagt. Es sei aber wichtig, dass noch nicht ausbezahlte Mittel nun schnell fließen würden.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) arbeite an einem umfassenderen Hilfsprogramm für die Ukraine, ergänzte Georgiewa in Berlin. Die in Washington ansässige Finanzorganisation - eine Art Finanz-Feuerwehr - wolle auch in der Phase des Wiederaufbaus Teil der Lösung sein. Vergangene Woche hätten sich IWF-Vertreter mit ukrainischen Vertretern in Wien getroffen. Es gehe unter anderem darum, Wirtschaftspolitiken zu installieren, die Voraussetzung für eine Aufnahme in die EU seien. Auch gehe es darum, verlässliche Finanzprognosen zu etablieren.

Wiederaufbau soll auch Modernisierung der Ukraine voranbringen

Der Wiederaufbau der durch andauernde russische Angriffe schwer geschädigten Ukraine soll zugleich eine Modernisierung des Landes bringen. Das haben Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag auf einer Wiederaufbau-Konferenz in Berlin angekündigt. Man werde sich nicht nur um den Wiederaufbau kümmern, sondern auch um Investitionen in neue Bereiche, sagte Scholz an. Die Ukraine solle etwa künftig Lieferant grüner Energie für die EU werden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der per Video aus Kiew zugeschaltet war, erklärte, dass sein Land künftig Energielieferungen Russlands an die EU ersetzen und auch Strom liefern könne.

Scholz betonte, dass es sich bei dem Treffen nicht um eine Geberkonferenz handele. Man wolle viel mehr die Strukturen für die künftige Hilfe besprechen. "Je besser die Grundlagen jetzt gelegt werden, desto größer wird die internationale Hilfe in den kommenden Jahren sein", sagte er. Deshalb wolle man über Transparenz, gute Regierungsführung, den Antikorruptionskampf, die Dezentralisierung und regionale Entwicklung sowie Investitionsförderung in der Ukraine sprechen. Selenskyj versprach entsprechende Anstrengungen und betonte, dass seiner Ansicht nach die Ukraine bereits den Status eines EU-Mitglieds erreicht habe. Investitionen seien aber auf jeden Fall Investitionen in ein künftiges Mitgliedsland der Europäischen Union.

Von der Leyen sagte, dass die Ukraine einen monatlichen Finanzbedarf von rund drei bis vier Milliarden Euro zur Finanzierung des Haushalts und der Gehälter der Staatsbediensteten habe. Sie arbeite mit den EU-Staaten daran, dass die Europäische Union davon 1,5 Milliarden Euro bereitstellen werde. Slenskyj forderte, dass ein entsprechender Finanzierungsfonds bereits im kommenden Monat eingerichtet werden müsse. Von der Leyen bot an, dass die EU-Kommission das Kommissariat für die geplante internationale Wiederaufbau-Plattform einrichten könne. Diese Plattform müsse bis Jahresende stehen.

Scholz verband die Zusicherung einer dauerhaften Hilfe für die Ukraine mit scharfer Kritik an Russland. Die russischen Angriffe auf die Infrastruktur in der Ukraine bezeichnete der Kanzler als neuen "Tiefpunkt" im Verhalten der Moskauer Führung. Selenskyj warf Russland vor, die Entwicklung seines Landes mit den gezielten Angriffen etwa auf den Energiesektor bewusst hemmen zu wollen. Beide betonten die Notwendigkeit, ukrainische Städte mit einer besseren Luftabwehr gegen russische Raketen zu schützen.

Der ukrainische Präsident forderte zudem einen neuen Mechanismus, mit dem etwa die EU russische Vermögenswerte einfrieren solle, um den Wiederaufbau in der Ukraine zu bezahlen. Die ukrainische Regierung schätzt die Kosten auf 750 Milliarden Dollar. Am Montag hatte in Berlin eine Wirtschaftskonferenz für Privatinvestitionen in der Ukraine stattgefunden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

DWN
Technologie
Technologie Natrium-Batterien: Wie China die nächste Akkurevolution vorantreibt
20.12.2025

Chinesische Hersteller treiben die Entwicklung von Natrium-Batterien rasant voran und bedrohen damit das bisherige Lithium-Dominanzmodell...

DWN
Politik
Politik Härtefallfonds für bedürftige Ostrentner schliesst: 425 Millionen Euro ungenutzt
20.12.2025

Aus dem Härtefallfonds für bedürftige Rentner aus der ehemaligen DDR und Osteuropa fließen zu Jahresende mehrere Hundert Millionen Euro...

DWN
Panorama
Panorama Grüne Stadt der Zukunft: Wie realistisch CO2-neutrale Metropolen bis 2040 sind
20.12.2025

Städte sollen Europas Klima-Rettungsanker werden – doch zwischen Vision und Wirklichkeit klafft eine Lücke. EU-Ziele, Modellstädte und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chefin der Wirtschaftsvereinigung Stahl warnt: Die Deindustrialisierung ist real
20.12.2025

Kerstin Maria Rippel ist Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Im DWN-Interview sagt sie, dass Berlin nach dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Eigenkapitalbildung: Immobilienkauf laut IfW-Studie für Millennials schwerer
20.12.2025

Eigenkapitalbildung wird für viele Kaufwillige zur größten Hürde: Eine neue Studie vergleicht, wie stark sich die Anforderungen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-CO2-Zoll wird ausgeweitet: Kommt die nächste Stufe für Waschmaschinen und andere Haushaltsgeräte?
20.12.2025

Der EU-CO2-Zoll steht vor der nächsten Ausbaustufe: Brüssel will ihn auf Haushaltsgeräte und weitere Industrieprodukte ausdehnen. Ab...

DWN
Politik
Politik Neues Ranking: Wer jetzt über Europas Zukunft entscheidet
20.12.2025

Donald Trumps Aufstieg an die Spitze des aktuellen Politico-Rankings zeigt, wie stark externe Kräfte Europas Politik inzwischen bestimmen....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Rallye mehrerer Technologieunternehmen treibt US-Aktien an
19.12.2025

Die US-Aktien unterbrachen ihre jüngste Verlustserie und stiegen am Freitag, da Anzeichen einer abkühlenden Inflation und nachlassende...