Wenn heute die Wahl für die Einwohner im größten Land Südamerikas stattfindet, dann geht es dabei auch um eine Richtungsentscheidung. Der rechtskonservative Amtsinhaber Jair Bolsonaro, trifft auf die Gallionsfigur der linken Arbeiterpartei Luiz Ignacio Lula da Silva. In den letzten drei Wochen seit dem ersten Wahlgang am 3. Oktober 2022, wurde der Hass und die Rivalität zwischen beiden Seiten nochmal eindrucksvoll deutlich. Den ersten Wahlgang hatte Lula Da Silva mit 48 Prozent und fünf Prozent Vorsprung, für sich entschieden.
Bolsonaro punktet mit Hilfszahlungen
Seit Jair Bolsonaro 2018 die Präsidentschaftswahl gewann, setzte er tiefgreifende Veränderungen um. Das Waffenrecht wurde gelockert und dem Umweltschutz wurde nicht viel Bedeutung beigemessen. Profitiert hat die Agrarindustrie Brasiliens und die evangelikalen Christen gewannen an Einfluss. Leidtragende waren indigene Minderheiten und die Wissenschaft, die beide stark unter Druck geraten sind. Ganz bedeutend war auch Bolsonaros Rolle bei der Corona-Pandemie. Seine Kritiker werfen ihm vor den Virus nie ernstgenommen zu haben. Fast 700.000 Menschen sind in Brasilien an Covid-19 gestorben.
Nachdem Brasilien die letzten Jahre wirtschaftlich eine schwere Zeit durchmachte, erholte sich die Wirtschaft des Landes in den letzten Monaten. Die Regierung hat die Inflation unter Kontrolle bekommen und den Konsum beschleunigt. Geholfen haben dabei die Hilfszahlungen, die Millionen Menschen in Brasilien erhalten haben. Kurz vor dem Wahltermin wurden diese Zahlungen auf Druck von Bolsonaro noch einmal ausgeweitet. Der Betrag erhöhte sich von 400 auf 600 Real. Umgerechnet 113 Euro. Dazu gab es Subventionen für Treibstoff und Gas. Experten kritisieren die Maßnahmen als nicht nachhaltig genug. Bei den Wählern kamen die Anstrengungen Bolsonaros jedoch an. Er konnte einen großen Rückstand auf Lula verkürzen und eine Stichwahl erzwingen.
Lula will Brasilien glücklich machen
Bolsonaros Gegner Lula da Silva ist kein unbeschriebenes Blatt. Der 76-Jahre alte Politiker war bereits von 2003 bis 2010 Präsident Brasiliens. Bei der Bevölkerung war er während seiner Amtszeit beliebt und die Wirtschaft Brasiliens boomte durch die zu diesem Zeitpunkt steigende Nachfrage nach Rohstoffen. Lulas Amtszeit ist jedoch auch durch Korruption und Vetternwirtschaft geprägt. Zwar beendete Lula da Silva seine Amtszeit als einer der populärsten Präsidenten in der Geschichte Brasiliens, 2017 wurde er jedoch im Rahmen der Operation Lava Jato, wegen Geldwäsche und passiver Korruption angeklagt und später verurteilt. Von Frühjahr 2018 bis Anfang November 2019 verbrachte er 580 Tage im Gefängnis von Curitiba.
Lula tritt mit dem Versprechen an Brasilien wieder zu dem glücklichen Land zu machen, welches es angeblich während seiner Amtszeit immer war. Wenn er die Wahl gewinnt, dürfte dieses Vorhaben nicht einfach werden. Schon vor der Pandemie war die brasilianische Wirtschaft angeschlagen. Durch Covid-19 und die Folgen von Russlands Krieg in der Ukraine, wurde auch Brasilien schwer getroffen. Die Inflation hatte zwischendurch einen Höchststand, wie seit fast 20 Jahren nicht mehr und die Hungerprobleme, die Brasilien überwunden geglaubt hatte, kehrten zurück.
Stürmische Zeiten drohen
Die letzten drei Wochen waren für Lula vor allem wichtig, um gemäßigtere Bolsonaro Gegner auf seine Seite zu bekommen, die im ersten Wahlgang für keinen der beiden Kandidaten gestimmt hatten. Dazu gehört die Partido Democratico Trabhalista (PDT). Für Bolsonaro war wichtig Nichtwähler zu rekrutieren und Wähler des Movimiento Democratico Brasileiro (MDB) zu überzeugen. Das MDB und die PDT hatten im ersten Wahlgang nach Lulas und Bolsonaros Partei, am besten abgeschnitten.
Die Wahlumfragen haben zwar einen leichten Vorsprung für Lula vorhergesagt, dennoch ist es nicht ausgemacht, ob sich am Ende doch Bolsonaro durchsetzt und seinen Amtsbonus nutzen kann. Ähnlich wie in den USA sind in Brasilien Umfragen nicht immer zuverlässig. Wie angeheizt der Wahlkampf ist, zeigt das Beispiel, dass sich der Erzbischof von Sao Paolo, Dom Odilo Scherer, auf Twitter meldete und die Gemüter beruhigen musste, nachdem sich Nutzer darüber aufregten, dass er rote Kleidung trägt und es als politisches Signal deuteten. Die Tatsache, dass sich ein Oberhaupt der katholischen Kirche dazu gezwungen sah die Farben seiner Amtskleidung zu verteidigen, zeigt wie aufgeladen die Stimmung in Brasilien ist.
Wer auch immer sich am Ende in dem hitzigen Kampf durchsetzt, hat erst einmal eine Menge damit zu tun, das brasilianische Volk wieder zu vereinen. Die Stimmung ist den ganzen Wahlkampf über sehr angespannt gewesen. Immer wieder ist es zu Ausschreitungen und Gewalt mit Verletzten und auch Toten gekommen. Auch unklar ist, wie Jair Bolsonaro im Falle einer Niederlage reagiert. Ähnlich wie Donald Trump 2020, zweifelt Bolsonaro seit Monaten die Fähigkeit des elektronischen Wahlsystems an und sorgte damit für Spekulationen wie er mit einer möglichen Niederlage umgeht. Auch im Falle einer Niederlage von Lula da Silva, könnte es zu Gewalt und Ausschreitungen kommen. Brasilien stehen stürmische Zeiten bevor, unabhängig vom Wahlsieger.