Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft – insbesondere der Industrie und des verarbeitenden Gewerbes – von Rohstofflieferungen aus dem Ausland ist seit Langem bekannt. Die daraus erwachsenden Nachteile konnten in geopolitisch ruhigeren Zeiten aber leicht durch die Zusammenarbeit mit rohstoffreichen Staaten und die Nutzung leistungsfähiger, weltumspannender Lieferketten kompensiert werden.
Die guten Rahmenbedingungen wackeln
Nach dem Untergang der Sowjetunion im Jahr 1991 hatten die Vereinigten Staaten als unangefochtene Weltmacht jene westlich dominierte Globalisierung und die dazugehörige militärische Architektur („Pax Americana“) aufgebaut, welche deutschen Unternehmen in den vergangenen vierzig Jahren äußerst günstige Rahmenbedingungen zur Expansion bot.
Mehrere Faktoren haben dazu geführt, dass sich diese Rahmenbedingungen seit einigen Jahren grundlegend verändern, weil das bislang unipolar auf die Supermacht USA gestützte System an Grenzen geraten ist und von neuen Wettbewerbern herausgefordert wird. In erster Linie sind es China und Russland, die im Verbund mit aufstrebenden Ländern wie Brasilien, dem Iran, der Türkei und Indien neue Organisationen und Strukturen aufbauen. Am Ende dieser Entwicklung könnte sich ein multipolares Weltsystems mit mehreren Kraftzentren auf dem Planeten etablieren.
Einer der wichtigsten Impulse für das, was Kanzler Olaf Scholz unlängst als „Zeitenwende“ bezeichnete, stellt die Eskalation des seit dem Umsturz von 2014 zwischen den Machtblöcken schwelenden Ukraine-Konflikts infolge des Einmarsches der russischen Armee und die daraufhin von europäischen Staaten gegen Russland erlassenen Sanktionen dar. Besonders die (teilweise noch geplante und teilweise schon erfolgte) Abkehr von russischen Energieträgern hat der deutschen Volkswirtschaft schwere Schläge versetzt und dürfte sich mittel- und langfristig in Form enorm hoher Energiepreise als großer Standortnachteil erweisen.
Auch der im Jahr 2018 von der Trump-Administration lancierte Wirtschaftskrieg gegen China wirkte seither als Belastung für den Welthandel und die globalen Lieferketten und bedroht dadurch auch indirekt die Wirtschaftsinteressen Deutschland. Zudem besteht das Risiko, dass Deutschland und seine Unternehmen sukzessive in den Machtkampf zwischen den Vereinigten Staaten und China hineingezogen werden. Schon heute beeinflusst die amerikanische China-Politik die Geschäfte der deutschen Wirtschaft direkt. Beispielsweise behindern die von der Biden-Regierung gegen China erlassenen Sanktionen im Halbleiterbereich auch die Geschäfte deutscher Firmen mit chinesischen Partnern.
Zwei weitere, sehr wichtige Faktoren, sollen nicht unerwähnt bleiben: So haben die während der Corona-Pandemie in vielen Ländern verhängten Lockdowns die Lieferketten nachhaltig erschüttert, während Zentralbanken in exorbitantem Ausmaß Geld aus dem Nichts schöpften, um damit den Bedarf der Staaten an neuen Schulden zu befriedigen. Indem die Lockdowns Wirtschaft und Güterproduktion abwürgten und die Zentralbanken gleichzeitig die Geldmenge aufblähten entstand jenes Ungleichgewicht, aus dem die nun strukturell verankerte hohe Inflation resultiert.
Auch hausgemachte Probleme erklären, warum Deutschland in den vergangenen Jahren wirtschaftlich zunehmend in die Defensive geraten ist - beispielsweise die im internationalen Vergleich extrem hohen Energiepreise als Folge der Energiewende oder die seit Jahren sinkenden Leistungsniveaus und Kompetenzen von Schülern und Studenten.
All diese Faktoren verstärken die Wirkungen eines grundsätzlichen Trends, welcher schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie in Ansätzen zu beobachten war: einer De-Globalisierung, der Hinwendung von Staaten zu protektionistischen Maßnahmen und mehr strategischer Autonomie sowie einer Schwächung der internationalen politischen und wirtschaftlichen Kooperation.
Studie: Abhängigkeiten vertiefen sich
Die Globalisierung und die synchron mit ihr einhergehende Expansion der Geschäfte bot deutschen Unternehmen Zugang zu großen Märkten, drückte die Preise der vornehmlich in Asien gefertigten und weltweit verkauften (Vor-)Produkte und schuf hierzulande hunderttausende Arbeitsplätze. Mit der forcierten internationalen Zusammenarbeit der vergangenen Jahrzehnte entstanden aber wie beschrieben auch Abhängigkeiten.
Einer aktuellen Studie zufolge sollen sich diese in den vergangenen Jahren vertieft haben. Abhängigkeit deutscher Hersteller vom Import strategisch wichtiger Rohstoffe in den vergangenen Jahren verstärkt haben. Habe man aus Sicht der deutschen Wirtschaft im Jahr 2011 noch 14 kritische Rohstoffe identifiziert, so seien es im Jahr 2020 bereits 30 gewesen, schreiben die Studienautoren einer im Auftrag der Bundesregierung von der Beratungsgesellschaft Ernst & Young durchgeführten Untersuchung.
Ernst & Young stuft darüber hinaus 46 Rohstoffe als „strategisch“ bedeutsam für Deutschland ein, weil sie große Bedeutung für die Produktion wichtiger Güter haben, insbesondere im Hochtechnologiebereich. Bei 39 dieser Rohstoffe sei Deutschland von Importen aus dem Ausland abhängig und damit auch in politischer Hinsicht auf das Wohlwollen der entsprechenden Regierungen angewiesen.
„Eine Entspannung dieser Entwicklung ist aufgrund der steigenden Nachfrage nach hochtechnologischen und energieeffizienten Innovationen nicht zu erwarten“, heißt es in der Untersuchung. „Insbesondere für kaum diversifizierte Lieferketten besteht ein erhöhtes Versorgungsrisiko.“
Die Abhängigkeit von China etwa sei bei sogenannten Seltenen Erden oder dem für die Batterietechnik wichtigen Lithium besonders groß ist. Die demokratische Republik Kongo wiederum verfügt über eine global dominante Stellung bei Kobalt – dessen Einsatz für den Bau von Antriebsbatterien, etwa in Elektroautos, entscheidend ist.
Die Bundesregierung reagiert – und blickt nach Asien
Die Bundesregierung hat die Problematik erkannt und versucht, die Bezugsquellen für Rohstoffe und Industriemetalle zu diversifizieren. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Anfang November betont, dass dazu auch die Nutzung heimischer Vorkommen zählen müsse. Weitere Instrumente der Strategie seien demnach ein von Deutschland und Frankreich auf EU-Ebene angeregter staatlicher Finanzierungsfonds für die Erschließung neuer Rohstoffvorkommen in Europa ebenso wie die Reaktivierung bilateraler Rohstoff-Partnerschaften.
Mit Blick auf die Strategie der Diversifizierung will Scholz insbesondere die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Asien und dem westlichen Pazifik-Raum verstärken. „Die Asien-Pazifik-Region ist viel mehr als China“, sagte er am 15. November bei einer Konferenz der deutschen Wirtschaft in Singapur. Er versprach, die Freihandelsabkommen mit Australien, Indien und Indonesien voranzutreiben und stellte weitere solche Vereinbarungen in Aussicht. „Meine Botschaft ist: Deutschland würde gerne die wirtschaftlichen Beziehungen mit Ihrer Region stärken“, wird Scholz von der dpa zitiert.
Scholz betonte, dass er keine Abkopplung von China anstrebe. Der jüngste Parteitag der Kommunistischen Partei habe aber verdeutlicht, wie sehr China sich in den vergangenen fünf bis zehn Jahren verändert habe. „Unsere politische und wirtschaftliche Herangehensweise muss das berücksichtigen.“ Natürlich bleibe China ein wichtiger Wirtschafts- und Handelspartner. „Aber für einen Tango braucht man immer zwei.“
Zu den ernsthaften Alternativen zu China zählt nicht zuletzt Vietnam, dessen Volkswirtschaft in den vergangenen Jahren vom Handelskrieg der USA gegen China als Ausweichstandort von vielen multinationalen Konzernen entdeckt wurde, die Teile ihrer Präsenz aus China abziehen wollten.
Allerdings ist Vietnam selbst in erheblichem Umfang wirtschaftlich mit China verflochten, welches über Freihandelsabkommen mit allen ASEAN-Mitgliedsstaaten verfügt und diese künftig noch vertiefen möchte. Zwar ist auch die EU über ein Freihandelsabkommen mit Vietnam verbunden - für Unmut in Hanoi sorgt aber, dass ein 2019 mit der EU ausgehandeltes Investitionsschutzabkommen von dieser bislang nicht ratifiziert wurde – unter anderem sträuben sich die Grünen in Deutschland dagegen, weshalb die Bundesregierung bislang zur Untätigkeit verdammt wurde.
Der auf geopolitische Themen spezialisierte Blog German Foreign Policy weist darauf hin, dass die Idee, Länder Südostasiens als Gegengewicht zum China-Geschäft aufzubauen, nicht neu ist: „Der Gedanke, mit Handel und Investitionen in anderen Regionen Asiens, insbesondere in Süd- und Südostasien, den dominanten Einfluss des Chinageschäfts zu relativieren, ist nicht neu; tatsächlich bemühten sich deutsche Politiker bereits in den 2000er Jahren, deutschen Unternehmen sowohl in Indien wie auch in den Mitgliedstaaten des südostasiatischen Bündnisses ASEAN Türen zu öffnen, um die deutsche Wirtschaft dort stärker zu verankern. Der Erfolg blieb bisher jedoch mäßig: Die deutschen Investitionen etwa in Vietnam beliefen sich 2020 auf rund 1,3 Milliarden Euro; in China lagen sie bei gut 90 Milliarden Euro.“
Festzuhalten bleibt, dass die Bundesregierung richtig erkannt hat, dass allzu einseitige Abhängigkeiten und die damit verbundenen Risiken abgebaut werden sollten. Die Strategie, insbesondere in Asien nach Handelspartnern und Investitionsstandorten zu suchen, ist deshalb grundsätzlich begrüßenswert.
Habeck zielt auf China
Die offenbar vom Kanzleramt vorangetriebenen übergeordneten Bemühungen, die deutsche Wirtschaft unabhängiger von einzelnen Handelspartnern aufzustellen, fällt jedoch mit einer dezidiert China-kritischen Handelspolitik des Wirtschaftsministeriums zusammen, die im Verdacht steht, hauptsächlich politisch motiviert zu sein.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte sich bereits in der Vergangenheit mehrfach kritisch zu China geäußert und letztendlich erfolglos versucht, den Einstieg des chinesischen Cosco-Konzerns in das Terminal Tollerort im Hamburger Hafen zu verhindern, obwohl sich die Stadt Hamburg und der Hafenbetreiber ausdrücklich für den Einstieg aussprachen.
Kurz darauf untersagte der grüne Minister den Verkauf zweier deutscher Firmen an einen chinesischen Investor und an ein schwedisches Unternehmen, dass sich im Besitz eines chinesischen Investors befindet - aus Bedenken um „kritische Infrastrukturen“.
Zuletzt wurde bekannt, dass Habeck die bei Auslandsgeschäften häufig abgerufenen staatlichen Investitionsgarantien für eine politisch motivierte, teilweise Abkopplung von China instrumentalisieren will. Firmen sollen demnach bewusst Anreize geboten werden, um nicht in China, sondern in anderen Märkten zu investieren. Mit den Garantien des Bundes können deutsche Unternehmen Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern gegen politische Risiken absichern, etwa gegen Enteignungen oder Kapital- und Transferbeschränkungen.
Kurz vor Beginn der bereits erwähnten Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Singapur verständigte sich die Bundesregierung Mitte November auf Habecks Vorschlag und einen Grundsatzbeschluss, um die Handhabe mit den Investitionsgarantien zu überarbeiten. Habeck selbst sprach sich kurz vor dem Abflug für eine breitere Aufstellung der deutschen Wirtschaft aus. Mit den Investitionsgarantien solle ein Anreiz an Firmen geschaffen werden, zu diversifizieren und „nicht nur“ nach China zu gehen. Zugleich sollen sogenannte Deckungskonditionen in jenen Staaten verschärft werden, in denen es dem Wirtschaftsministerium zufolge zu einer „übermäßigen Ballung“ abgesicherter Projekte gekommen sei – womit in erster Linie China gemeint ist.
Scholz' Diversifizierungsinitiative und Habecks offensive China-Linie werden von einigen Wirtschaftsverbänden prinzipiell unterstützt, etwa vom Außenhandelsverband BGA und vom BDI. Gleichwohl dürfte die möglicherweise auch geopolitisch motivierte Anti-China-Strategie Habecks schnell an ihre Grenzen geraten, wenn sie deutsche Unternehmen zu unrentablen Abenteuern drängen oder signifikante Geschäftseinbußen erzwingen würde.
China – nicht ohne Grund Deutschlands wichtigster Handelspartner
Länder wie Vietnam, Indien, Indonesien oder Thailand bieten zwar durchaus attraktive Bedingungen, um als Alternative zum Standort China zu dienen – China als solches bleibt für die deutsche Industrie jedoch vorerst unersetzlich - auch wenn angesichts der zunehmenden Ballung deutscher Investitionen in dem Land durchaus eine gewisse Vorsicht geboten ist, um ein allzu großes geografisches „Klumpenrisiko“ zu vermeiden.
Die Attraktivität des chinesischen Standortes geht schon aus den blanken Zahlen zu den staatlichen Investitionsgarantien hervor, welche letztendlich ja Entscheidungen des Top-Managements deutscher Konzerne widerspiegeln: So vergab die Bundesrepublik im vergangenen Jahr Garantien im Umfang von 2,6 Milliarden Euro, etwa dem Dreifachen des Vorjahresvolumens. Erneut belegte China den ersten Rang. Insgesamt hat sich die deutsche Wirtschaft dort derzeit Investitionen von rund 29 Milliarden Euro über den Staat absichern lassen – so viel wie in keinem anderen Land.
Vor dem Hintergrund der China-kritischen Linie des Wirtschaftsministeriums (auch das grüne Außenministerium verfolgt übrigens eine sehr ähnliche Linie) sahen sich Unternehmensverbände zuletzt mehrfach gezwungen, auf die Vorteile Chinas als Handelspartner zu verweisen – und auch darauf, wie sehr Deutschland von der Kooperation bisher profitiert hat. Das Ifo-Institut warnte sogar davor, sich der amerikanischen Kampagne gegen das Land anzuschließen. In eine ähnliche Richtung ging das Plädoyer der Europäischen Handelskammer in China, welche vor den Folgen einer wirtschaftlichen „Abkopplung“ warnte.
Angesichts noch immer positiver Risiken-Nutzen-Vorteile und einer leistungsfähigen Infrastruktur dürfte das Land weiter eine wichtige Rolle für die deutsche Wirtschaft spielen – auch wenn das Wirtschaftsministerium Obergrenzen bei den Garantien für ein Engagement in China formulieren sollte.
In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den die Konzernchefs von Siemens, BASF und Schaeffler verfassten, heißt es: „Trotz aller Herausforderungen Chinas und mit China sind wir davon überzeugt, dass dessen grundsätzliche Wachstumsdynamik bestehen bleibt. Ein Rückzug aus China würde uns von diesen Chancen abschneiden.“ Die Präsenz in China sichere Arbeitsplätze in Deutschland.
Der BASF-Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller, dessen Konzern angesichts der aus dem Ruder laufenden Energiepreise in Deutschland Teile seines Geschäfts sukzessive nach China und in andere Länder auslagern wird (!), warnte Ende Oktober in einem Interview davor, einem simplen „China-Bashing“ zu verfallen. BASF rechne mit weiterem Wachstum in China und wolle dort weiter investieren. „Wir kommen in der Summe zum Schluss, dass es vorteilhaft ist, unser Engagement dort auszubauen“, sagte Brudermüller. Die Volksrepublik bleibe für den Konzern ein wichtiger Markt. „Wir machen uns um die langfristige Entwicklung keine Sorgen“. BASF errichtet aktuell einen Verbundstandort in China, für den der Konzern nach früheren Angaben bis 2030 bis zu zehn Milliarden Euro investieren will.
Was häufig in der Debatte zu kurz kommt: China ist nicht nur ein Produktionsstandort und ein riesiger Absatzmarkt für deutsche Unternehmen – allen voran für die Automobilindustrie – sondern auch ein schnell wachsender Standort für Forschung und Entwicklung. So spielen die Chinesen inzwischen weltweit in der ersten Reihe mit, wenn es um die Entwicklung von Elektroautos und autonomes Fahren, die Automatisierung und Vernetzung der Industrie, die Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz, Halbleitertechnologien, die Raumfahrt sowie die Robotik geht.
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Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK teilte unter Verweis auf eine Umfrage mit, dass deutsche Firmen viele Vorteile an ihren Standorten in Asien erkennen. So steche in der Region das Lieferantennetzwerk heraus. Das gelte vor allem in China. Und noch einen entscheidenden Standortvorteil nannten die befragten Unternehmen: sie schätzten in Asien auch die im Vergleich zu Europa viel niedrigeren Energiekosten.
Bidens „America First“
Mindestens ebenso relevant wie die China-Frage sind die Entwicklungen, welche sich derzeit in den Vereinigten Staaten vollziehen. Hier hat die Biden-Administration einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel eingeleitet, der zu einem immensen Problem für die deutsche Wirtschaft werden könnte.
Mithilfe von Milliarden-Subventionen, politischem Druck und steuerlichen Anreizen versucht die US-Regierung derzeit, kritische Lieferketten in die USA zurückzuholen und ausländische Unternehmen zu Investitionen oder gar einem Umzug in die USA zu bewegen.
Angesichts der Vehemenz, mit der in Washington an diesen Plänen gearbeitet wird, mahnten zuletzt mehrere deutsche und europäische Spitzenpolitiker eindringlich eine entschlossene Antwort an. Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte ein entsprechendes Investitionsprogramm scharf kritisiert. „Der Inflation Reduction Act der Vereinigten Staaten hat ernsthafte Konsequenzen für die europäische Wirtschaft. Das müssen wir den USA vermitteln“, sagte der FDP-Politiker Anfang November am Rande eines Treffens der Euro-Finanzminister in Brüssel.
Er warnte vor einem Handelskonflikt, der nur Verlierer produzieren würde. Man müsse das Gespräch mit der US-Regierung suchen. Er gehe davon aus, dass sich Lösungen finden ließen, sagte Lindner. Beide Seiten sollten an Handel und Zusammenarbeit interessiert sein. „Andererseits darf man auch in Washington nicht verkennen, dass wir unsererseits natürlich auch handlungsfähig wären.“
Um eine Lösung zu finden, hatten die EU und die USA eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Erste konkrete Ergebnisse könnte es nach Angaben von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis am 5. Dezember beim Treffen des gemeinsamen Handels- und Technologierats geben.
Fazit
Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Erfolge die grundsätzlich begrüßenswerte Initiative der Bundesregierung zeitigen wird, das Engagement deutscher Unternehmen weltweit breiter aufzubauen und durch allzu große Konzentration entstehende Risiken abzumildern. Während aber Scholz eine besonnene Haltung in der Frage einnimmt (symbolisiert durch den Kompromiss beim Cosco-Einstieg in Hamburg) scheinen die beiden grün geführten Ministerien (Wirtschaft und Außenpolitik) einen politisch motivierten, aggressiveren Kurs einzuschlagen, der immer wieder zu Verstimmungen führt.
Mindestens ebenso entscheidend wie die China-Frage ist, ob es den USA gelingen wird, Teile der deutschen und europäischen Industrie nach Nordamerika zu holen. Die aggressive Subventionspolitik stellt eine direkte und existenzielle Herausforderung dar, auf die europäische Spitzenpolitiker rasch und entschlossen reagieren müssen - am besten unter dem Dach der Europäischen Union.
Letztendlich ist der deutschen Wirtschaft aber am allermeisten geholfen, wenn die Bundesregierung die enorm geschäftsschädigenden Preisexplosionen bei Strom und Energieträgern stoppt und Grundlagen schafft, um den heimischen Standort wieder dauerhaft mit bezahlbarer Energie zu versorgen. Dies wird nicht möglich sein, ohne in einem ersten Schritt die in den vergangenen Jahrzehnten verfolgte Energiepolitik radikal zu hinterfragen.