Unternehmen

Lieferkettengesetz: Kaufland setzt Lieferanten massiv unter Druck

In ein paar Wochen tritt das neue Lieferkettengesetz in Kraft. Kaufland versucht über eine Vertragsergänzung extremen Druck auf Lieferanten auszuüben. Dieses Vorgehen sorgt bei Verbänden für starke Kritik.
16.12.2022 19:02
Aktualisiert: 16.12.2022 19:02
Lesezeit: 3 min
Lieferkettengesetz: Kaufland setzt Lieferanten massiv unter Druck
Kaufland setzt im Rahmen des neuen Lieferkettengesetzes auf ein umstrittenes Vorgehen. (Foto: dpa) Foto: Jens Wolf

Mit dem neuen Jahr 2023 soll das Lieferkettengesetz in Kraft treten. Ziel des Gesetzes ist es den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu optimieren und zu verbessern. Mit Einführung sind Unternehmen mit Hauptverwaltung, Verwaltungssitz, Hauptniederlassung, satzungsmäßigem Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland zur Umsetzung spezieller Sorgfaltspflichten gezwungen. Mit dem neuen Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) werden laut der Industrie- und Handelskammer die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und der Koalitionsvertrag verbindlich umgesetzt.

Kaufland drängt Lieferanten zu Sondervereinbarung

Kaufland drängt nun laut Lebensmittelzeitung in einem vom 22. November datierten Schreiben Lieferanten zu einer Vertragsergänzung mit Hinweis auf das kommende Gesetz. Man versucht die Aufgabe, die man gemäß Gesetzesvorgabe selbst sicherstellen muss auf die Lieferanten abzudrücken und verlangt eine Gewährleistung der Einhaltung von Menschenrechten und Umweltrechten in den Lieferstandards.

Um dies zu realisieren, fordert Kaufland seine Lieferanten auf binnen zwei Wochen eine „Sondervereinbarung zu Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ zu unterschreiben. Kaufland begründet, dass die Vereinbarung zwingend erforderlich sei, um gesetzliche Verpflichtungen einzuhalten. In der Sondervereinbarung, die zwei Seiten lang geht und der Lebensmittelzeitung vorliegt, sind die Vertragspartner verpflichtet zu gewährleisten, dass sämtliche einschlägigen gesetzlichen menschenrechts- und umweltbezogenen Bestimmungen und Maßnahmen in der Lieferkette eingehalten werden. Zudem müssen die Lieferanten gleichlautende Vereinbarungen auch mit Vertragspartnern durchsetzen.

Kaufland versucht so die eigenen Verpflichtungen aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz auf die Lieferanten weiterzuleiten und abzudrücken. Dabei macht man keinen Unterschied, ob diese wie gesetzlich festgelegt mehr als 3000 Mitarbeiter haben und damit dem Gesetz unterliegen, oder nicht. Eine Vorgehensweise, die in der Branche für Diskussionen und starke Kritik sorgt.

Rechtsexperte sieht die Vereinbarung als zu pauschal gefasst

Stephan Schäfer von der Berliner Kanzlei Zenk rät gegenüber der Lebensmittelzeitung die Vereinbarung nicht zu unterzeichnen: „Wir raten dazu, die Vereinbarung nicht zu unterzeichnen. Sie ist zu pauschal gefasst und könnte weitreichende Haftungsrisiken auslösen. Die geforderten Gewährleistungen gehen über das hinaus, was Kaufland selbst nach dem LkSG leisten muss. Das Schreiben sollte aber Anlass dazu sein, mit Kaufland Gespräche zur Umsetzung der jeweiligen Lieferkettenverantwortung zu führen. Das LkSG wird ein Listungskriterium werden und es werden sich auch im Hinblick auf das europäische Lieferkettengesetz Branchenstandards etablieren. Diese kann der Handel aber nicht einseitig vorgeben.“

Michael Lendle vom Beratungsunternehmen AFC Risk & Crisis Consult rät wie Schäfer dazu, den Dialog mit Kaufland zu suchen, um gemeinsam die für jeden Einzelfall vorhandenen Risiken in der Lieferkette unter die Lupe zu nehmen und wenn nötig gemeinsam geeignete Maßnahmen festzulegen.

BVE findet Maßnahmen von Kaufland überzogen

Die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) hat bereits Anfang Dezember ein Antwortschreiben an Kaufland geschickt. Darin stellt der Interessensverband laut Lebensmittelzeitung klar, dass man der Meinung ist, dass Kaufland mit seinem Verhalten zu weit geht. Man ist der Ansicht, dass bei Lebensmittelherstellern im Inland das Risiko für die Verletzung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten weitestgehend ausgeschlossen werden kann. Die von Kaufland gedrängte Verpflichtung für Onlineschulungen beim Händler sei überzogen.

Ähnlich kritisch geht auch der Markenverband mit Kaufland ins Gericht und kritisiert in einer Antwort an das Unternehmen die Vereinbarung: „Aus unserer Sicht sind Sie in der Pflicht gegenüber jedem einzelnen Unternehmen individuell darzulegen, woraus sich das konkrete Risiko angeblich ergeben soll.“

Bundesamt: „Pflichten können nicht an Zulieferer weitergegeben werden“

Rechtsanwalt Christoph Schork, Partner der Kanzlei Heuking sieht das Vorgehen von Kaufland schwierig und problematisch: „Der risikobasierte Ansatz des Lieferkettengesetzes wird nicht berücksichtigt. Die im LkSG vorgesehen Präventionsmaßnahmen, wie vertragliche Zusicherungen oder Schulungen, werden einfach pauschal auf die Lieferanten übertragen, ohne dass zuvor im Rahmen der Risikoanalyse ein konkretes Risiko festgestellt wurde.“

Für die Durchsetzung des LkSG ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) zuständig. Mann will nicht auf Einzelfälle eingehen. Dennoch stellt das Bundesamt gegenüber der Lebensmittelzeitung klar: „Generell gilt, dass die Pflichten aus dem LkSG ihrer Natur nach nicht einfach an die Zulieferer weitergegeben werden können.“ Das Bundesamt erklärt, dass man im ersten Quartal 2023 Informationen für Unternehmen zu publizieren, die nicht in den Anwendungsbereich des LkSG fallen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

DWN
Unternehmen
Unternehmen NATO-Ostflanke: Drohnenhersteller Quantum Systems unterstützt die Bundeswehr-Brigade in Litauen
22.11.2025

Der deutsche Drohnenhersteller Quantum Systems expandiert nach Litauen und baut dort ein umfassendes Wartungs- und Logistikzentrum für...

DWN
Technologie
Technologie Digitale Souveränität: Wie Deutschland bei Breitband, 5G und Cloud die Abhängigkeit verringern kann
22.11.2025

Verpasst Deutschland die digitale Zeitenwende? Der Wohlstand von morgen entsteht nicht mehr in Produktionshallen, sondern in...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz-Erfinder warnt: „Meine Schöpfung kann uns vernichten“
22.11.2025

Er gilt als einer der „Väter der Künstlichen Intelligenz“ – jetzt warnt Yoshua Bengio vor ihrer zerstörerischen Kraft. Der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zwischen Škoda-Erfolg und Chinas Einfluss: Was die Abhängigkeit für deutsche Autobauer bedeutet
22.11.2025

Elektromobilität ist längst kein Nischenphänomen mehr, sondern prägt zunehmend den europäischen Massenmarkt. Doch wie gelingt es...

DWN
Panorama
Panorama Weihnachtsmarkt-Sicherheit: Was bringen Beton, Kameras und Co. auf Weihnachtsmärkten wirklich?
22.11.2025

Deutsche Weihnachtsmärkte stehen für Atmosphäre, Tradition und Millionen Besucher. Gleichzeitig wächst die Debatte über Schutz,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ticketsteuer sinkt: Flugbranche verspricht mehr Verbindungen – Passagiere bleiben skeptisch
22.11.2025

Die Bundesregierung will den Luftverkehr mit einer Absenkung der Ticketsteuer ab Mitte nächsten Jahres entlasten. Die Flug- und...

DWN
Politik
Politik New York-Wahl: Was Mamdanis Sieg für Europa bedeutet
22.11.2025

Der Sieg eines radikalen Sozialisten in New York, Deutschlands Stillstand und Polens Aufstieg: Ein Kommentar darüber, wie politische und...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto-Crash: Wie Zinsen und KI die Kryptomärkte unter Druck setzen
21.11.2025

Die jüngsten Turbulenzen an den Kryptomärkten stellen Anleger, Unternehmen und Regulierer gleichermaßen auf die Probe. Welche Kräfte...