Wirtschaft

Wie russisches Rohöl weiterhin in die EU strömt

Seit Anfang Dezember sanktioniert die EU russisches Rohöl. Was nicht überall bekannt ist: Ein EU-Land ist durch eine Ausnahme nicht betroffen. Doch ab Anfang Februar soll auch dieser Lieferweg erschwert werden.
23.01.2023 16:00
Lesezeit: 5 min
Wie russisches Rohöl weiterhin in die EU strömt
Noch immer gelangen Öl und Treibstoff aus Russland in die EU. Das Foto zeigt eine Ölraffinerie in Katar. (Foto: dpa) Foto: Shell/handout

Russland ist durch seinen Krieg gegen die Ukraine von einer Welle westlicher Sanktionen betroffen, die auch den Energiesektor, eine wichtige Einnahmequelle des Kremls, betreffen. Anfang Dezember wurde es für das Land schwieriger, Rohöl zu verkaufen, da es nicht mehr in der Lage war, das schwarze Gold per Schiff in die EU zu transportieren. Außerdem trat am selben Tag eine EU-Obergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel für russische Ölexporte in Kraft. Was viele nicht wissen. Es wird weiterhin Öl nach Europa transportiert, nämlich durch Bulgarien.

Öl landet in der LUkoil-Raffinerie

Während fast die gesamte EU ihre Lieferungen von russischem Öl einschränkt, widersetzt sich Bulgarien, das auch Mitglied der NATO ist, dem Sender Radio Free Europe Bulgaria zufolge, diesem Trend. Ende 2022 war Bulgarien der drittgrößte Abnehmer von russischem Öl in der Welt. Bulgarien widersetzt sich nicht den Sanktionen. Sofia hat sich von Brüssel eine Ausnahmeregelung gesichert, die es ihm erlaubt, russisches Öl auf dem Seeweg zu beziehen. Die Maßnahme fand breite Unterstützung im gesamten politischen Spektrum Bulgariens, wobei sich Kiril Petkov, der ehemalige Premierminister Bulgariens, für dieses Vorgehen einsetzte.

Das gesamte russische Rohöl, das nach Bulgarien geliefert wird, landet in der Raffinerie von Neftochim Burgas, die als die größte Anlage dieser Art auf dem Balkan gilt. Die im Schwarzmeerhafen Burgas gelegene Raffinerie gehört ebenfalls LUKoil, dem zweitgrößten russischen Ölproduzenten. Bulgarien ist in hohem Maße von Neftochim Burgas abhängig, da jedes Auto und jeder Lastwagen im Land mit dessen Gas und Diesel betrieben wird.

Lieferung durch Ausnahmeregelung

Die Einnahmen aus dem Verkauf fossiler Brennstoffe sind zweifellos ein wichtiger Beitrag zum russischen Staatshaushalt. Seit 2006 stammen mehr als 60 Prozent der Einnahmen aus dem russischen Staatshaushalt aus dem Verkauf von Erdöl und Erdgas, wobei der Anteil des Erdöls etwa fünfmal höher ist als der des Erdgases.

Die jüngsten Daten zeigen jedoch, dass das russische Vorzeigeöl Ural zur Hälfte des Weltmarktpreises gehandelt wird. Daten von S&P Global Commodity Insights machen zudem deutlich, dass die russischen Rohölexporte im Dezember 2022 zurückgingen. Die Menge an russischem Rohöl, die Ende 2022 in den Häfen des Landes verladen wurde, belief sich auf durchschnittlich 2,65 Millionen Barrel pro Tag. Das sind etwa 14 Prozent weniger als im November, dem Vormonat. „Die Hauptabnehmer sind China und Indien mit mehr als der Hälfte, und im Dezember (2022) war Bulgarien der drittgrößte Abnehmer von russischem Öl in der Welt“, sagte Kostantsa Rangelova, Energieexpertin am Zentrum für das Studium der Demokratie in Sofia, im Gespräch mit Radio Free Europe Bulgaria. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow reagierte auf die Zahlen gelassen und warnte den Westen vor weiteren Ölpreis-Obergrenzen.

Der Anstieg der bulgarischen Ölkäufe ist auf die Ausnahmeregelung zurückzuführen, die Bulgarien im Juni 2022 von der Europäischen Kommission gewährt wurde und die es dem Land erlaubt, trotz des seit Dezember letzten Jahres geltenden EU-weiten Verbots weiterhin Rohöl und Erdölerzeugnisse aus Russland auf dem Seeweg bis Ende 2024 einzuführen. Im Rahmen einer weiteren Ausnahmeregelung erlaubte die Kommission Bulgarien außerdem, Dieselprodukte, die vor Ort aus importiertem russischem Rohöl raffiniert wurden, in die Ukraine zu exportieren.

„Im Mai 2022 kam es zu einem deutlichen Anstieg dieser Importe im Vergleich zu den typischen Werten der Vormonate, und seither sind sie bis zu den letzten verfügbaren Daten vom Dezember auf diesem hohen Niveau geblieben“, erklärt Rangelova. Die von S&P Global veröffentlichten Daten zeigen, dass Bulgarien im Dezember 2022 etwa 150.000 Barrel russisches Öl pro Tag importierte. Die Kapazität der Raffinerie in Burgas liege bei 140.000 Barrel pro Tag und könne bis zu 10 Prozent über dieser Kapazität betrieben werden. Die Daten für Dezember von 150.000 Barrel pro Tag entsprächen einer 100-prozentigen Verarbeitung von russischem Öl, so die Expertin. Seit Anfang 2022 hat LUKoil in der Raffinerie Burgas mehr als 7 Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet. Das ist fast doppelt so viel wie im Jahr 2021, als rund 4,2 Millionen Tonnen verarbeitet wurden.

Zeit des Investitionsumbruchs bei LUKoil

Für LUKoil und den russischen Staat ist diese Tatsache sehr positiv. Inzwischen weht dem Staat jedoch offenbar ein rauer Wind in Europa und auch in Bulgarien entgegen. Man gerät anscheinend zunehmend unter Druck. Der russische Ölgigant ist dabei, sein Geschäft in ganz Europa neu zu kalkulieren. Am 9. Januar gab das Unternehmen bekannt, dass es eine Vereinbarung über den Verkauf seiner Ölraffinerie ISAB in Sizilien getroffen hat. Dies geschah der Zeitung Balkan Insight zufolge einige Tage nach der Ankündigung, dass es seine Geschäfte in Rumänien und Moldawien verkaufen könnte, darunter Tankstellen, eine Raffinerie in Ploiesti, Rumänien, wo es auch einen Windpark besitzt, sowie Öldepots in beiden Ländern.

In Bulgarien warten die Politiker laut Radio Free Europe Bulgaria gespannt darauf, ob LUKoil endlich in der Lage ist zu zahlen. Als Teil der EU-Ausnahmeregelung verpflichtete sich das russische Unternehmen, lokale Steuern aus den in Bulgarien erzielten Einnahmen zu zahlen. Das ist etwas, was LUKoil seit Jahren nicht getan hat, da die bulgarischen Behörden offensichtlich schon lange den Verdacht hegen, dass das Unternehmen die Bücher frisiert. Mindestens seit 2006 hat das Unternehmen mit wenigen Ausnahmen regelmäßig jährliche finanzielle Verluste zu verzeichnen. Im Jahr 2020 belief sich dieser Verlust auf satte 500 Millionen bulgarische Lew (292 Millionen Dollar). Keine ausgewiesenen Gewinne bedeuten keine Einkommenssteuern, die in die bulgarischen Staatskassen fließen.

EU-Sanktionen können Aus für Neftochim bedeuten

Die Erzielung von Einnahmen wird für LUKoil bald noch komplizierter werden. Gemäß der EU-Ausnahmeregelung darf die Raffinerie Neftochim Burgas ab dem 5. Februar keine Kraftstoffe oder Ölprodukte mehr exportieren, mit Ausnahme von Lieferungen in die Ukraine. Dies soll Teil der neuen Sanktionen der EU gegen Russland sein. Die Raffinerie darf allerdings Nebenprodukte exportieren, die in Bulgarien nicht sicher gelagert werden können und eine Gefahr für die Umwelt darstellen könnten. Da Neftochim Burgas den Diesel nur in Bulgarien verkaufen oder in die Ukraine liefern darf, könnte das Verbot das Aus für das Unternehmen bedeuten und das bulgarische Parlament dazu veranlassen, sich auf eine mögliche Übernahme durch die Regierung vorzubereiten.

Am 13. Januar beschlossen die bulgarischen Gesetzgeber, dass der Staat die Kontrolle über die Raffinerie übernehmen kann, um kritische Infrastrukturen zu schützen und die Kraftstoffversorgung des Balkanlandes sicherzustellen. Neftochim gab keine Antwort auf Nachfragen von Radio Free Europe. Energieexpertin Rangelova deutete jedoch an, dass das Unternehmen nach Möglichkeiten suchen könnte, das neue EU-Verbot zu umgehen. „Es ist sehr einfach, mit der Kennzeichnung des exportierten Treibstoffs zu spielen und mit einer kreativeren Vermischung der Produkte wird sich wirklich nichts ändern.“

Lesen Sie dazu: Russisches Öl wird gemischt und teuer weiterverkauft

Bulgarien unterstützt die Ukraine mit Öl

Eine am 18. Januar veröffentlichte Untersuchung der Welt ergab, dass Bulgarien mit Ex-Premier Petkov an der Spitze die ukrainische Regierung in den ersten Tagen der russischen Invasion entscheidend unterstützt hat, unter anderem durch die Lieferung von Diesel aus der Raffinerie Burgas. „Bulgarien wurde zu einem der größten Exporteure von Diesel in die Ukraine und deckte zeitweise 40 Prozent des ukrainischen Bedarfs“, so der ehemalige Finanzminister Assen Vassilev gegenüber der WELT.

Als Petkow am 28. April letzten Jahres in Kiew eintraf, um dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi seine Unterstützung zu signalisieren, fragten sich Beobachter, was er der Ukraine angeboten hat. Offiziell wurde nichts gesagt. Inoffiziell war trotz der Ablehnung von Petkows Koalitionspartner, der Sozialistischen Partei Bulgariens, klar, dass die Ukraine unterstützt wird. Diese Unterstützung geht offensichtlich durch die Lieferung von Öl in die Ukraine weiter. Es stellt sich angesichts der im Februar anstehenden Sanktionen und der Lieferungen in die Ukraine die Frage, wie lange LUKoil dieses Vorgehen noch mitmacht, oder ob man sich selbst aus Bulgarien zurückzieht.

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