Politik

USA können chinesischen Spionage-Ballon nicht abschießen

Lesezeit: 4 min
03.02.2023 10:04  Aktualisiert: 03.02.2023 10:04
Die USA haben offiziell bei China protestiert, weil sie weit oben über dem amerikanischen Festland einen chinesischen Spionage-Ballon entdeckt haben.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Nur wenige Tage vor einem geplanten China-Besuch von US-Außenminister Antony Blinken hat das Pentagon einen chinesischen Aufklärungsballon entdeckt. Einem US-Beamten zufolge wurde der Ballon Anfang dieser Woche von einem Passagier eines Verkehrsflugzeugs beobachtet, das über dem US-Bundesstaat Montana flog, nachdem es zuvor die Aleuten - eine Inselkette zwischen Nordamerika und Asien - und Kanada überflogen hatte. In Montana befinden sich landgestützte Atomraketen-Silos der USA.

Ballons werden schon seit vielen Jahrzehnten zu Überwachungszwecken eingesetzt. Sie können für eine Vielzahl von Aufgaben eingesetzt werden, darunter Überwachung, Verfolgung von Raketenbedrohungen und als Knotenpunkte für Kommunikationsverbindungen, zitiert das Wall Street Journal Craig Singleton, Senior Fellow und China-Experte bei der Denkfabrik Foundation for Defense of Democracies.

Singleton zufolge hat das Pentagon im vergangenen Jahr seine Mittel für "aufblasbare Höhenflugzeuge" aufgestockt, auch weil sie Hyperschallwaffen verfolgen können, die ein Vielfaches der Schallgeschwindigkeit erreichen und von China und Russland entwickelt werden. "Wir erleben die Rückkehr zu einem Instrument des Kalten Krieges, das in der Ära einer erneuten Rivalität von Großmächten eingesetzt wird."

US-Präsident Joe Biden wurde über die Angelegenheit informiert und fragte seine Berater nach militärischen Optionen, zitiert das Wall Street Journal einen hohen Regierungsbeamten. Die Verantwortlichen im Pentagon rieten aber davon ab, das Flugzeug abzuschießen, da die Gefahr bestehe, dass Trümmerteile Zivilisten am Boden verletzen könnten.

Der Ballon werde auch von Militärjets aus beobachtet, sagte ein Vertreter der US-Regierung sagte vor Journalisten. Das kanadische Verteidigungsministerium bestätigte, ein Überwachungsballon für große Höhen sei entdeckt worden. Zudem werde ein "zweiter potenzieller Zwischenfall" beobachtet, hieß es ohne weitere Details. Man stehe in engem Austausch mit den USA.

Welche Informationen der Ballon gesammelt hat, ist noch nicht bekannt. Das Pentagon erklärte, der Ballon sei über mehrere "sensible" Gebiete geflogen. Doch da die US-Luftabwehr den Ballon nicht entdeckt hat, ist es unwahrscheinlich, dass er Radar oder andere elektronische Signale nutzte, die seine Anwesenheit verraten hätten.

Diese speziellen Ballons bewegen sich in Höhen zwischen 24 und 37 Kilometern. Der China-Experte der Stiftung zur Verteidigung von Demokratien, Craig Singleton, sagte Reuters, dieser Typ Ballon sei während des Kalten Krieges häufig von der Sowjetunion und den USA eingesetzt worden. Es sei eine vergleichsweise kostengünstige Form der Spionage.

China setzt auf Spionage-Ballons

China hat die Entwicklung moderner Luftschiffe vorangetrieben, wie die Regierung des Landes in der Vergangenheit mitteilte. Im Mai letzten Jahres meldete eine staatliche chinesische Forschungseinrichtung den Rekordflug eines Luftschiffs, das nach Angaben der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua für die Beobachtung der Atmosphäre konzipiert war. Laut Xinhua erreichte es über Tibet eine Höhe von 9.032 Metern.

Ebenfalls im vergangenen Jahr haben die chinesischen Behörden drei Arten von speziell geformten Heißluftballons zertifiziert, die vom staatlichen Luft- und Raumfahrtkonzern Aviation Industry Corp. of China (AVIC) hergestellt werden. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump bezeichnete AVIC einst als militärisches Endnutzerunternehmen, und einige seiner Aktivitäten wurden von den USA sanktioniert. AVIC erklärte, die neuen Heißluftballons seien für die kommerzielle Nutzung bestimmt.

Nach Angaben eines hochrangigen US-Verteidigungsbeamten treibt der Ballon immer noch über den USA. Der Beamte machte keine Angaben zu seinem aktuellen Standort oder seiner Flugrichtung, sagte aber, dass seine Bewegungen verfolgt werden.

Der Ballon "stellt derzeit keine militärische oder physische Bedrohung für Menschen am Boden dar", teilte das North American Aerospace Defense Command, eine gemeinsame Organisation der USA und Kanadas, am Donnerstagabend auf Twitter mit. "Der Ballon befindet sich derzeit in einer Höhe weit oberhalb des kommerziellen Flugverkehrs".

Nach Angaben von US-Beamten hat China mindestens eine Handvoll Mal Überwachungsballons über das US-Festland geschickt. Auch über Japan wurden in den letzten Jahren Höhenballons gesichtet, so auch im Jahr 2020, als einer über der nördlichen Tohoku-Region mit einem kreuzförmigen Objekt darunter gesichtet wurde. Japans Verteidigungsminister sagte damals, der Ballon werde genau beobachtet.

Die Vorteile der Ballons gegenüber Satelliten

Ballons sind nach Ansicht von Experten viel billiger als Satelliten und haben zudem eine längere "Verweildauer", das heißt sie bewegen sich langsamer und können ein bestimmtes Gebiet über längere Zeiträume beobachten. Sie können zur Ergänzung von Satellitenbeobachtungen eingesetzt werden. US-Unternehmen wie Aerostar entwickeln seit Jahrzehnten Höhenballons für militärische und kommerzielle Nutzer, die Kommunikations- und Überwachungsplattformen benötigen, insbesondere in Gebieten, die nicht von Satelliten erfasst werden.

Die Defense Innovation Unit des Pentagons hat Aerostar mit der Erforschung militärischer Anwendungen beauftragt. Das in Sioux Falls, South Dakota, ansässige Unternehmen hat erklärt, dass seine Ballons über Monate in der Luft bleiben können und die an Bord befindlichen Batterien mithilfe von Solarzellen aufladen.

Der jüngste Vorfall kommt zu einem heiklen Zeitpunkt für die angespannten Beziehungen zwischen den USA und China und kurz vor einem geplanten China-Besuch von Außenminister Antony Blinken. Der Minister will kommende Woche nach Peking aufbrechen. US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping hatten die Visite im November vereinbart. Ein US-Beamter sagte dem Wall Street Journal, das Außenministerium habe den Spitzendiplomaten der chinesischen Botschaft in Washington einbestellt, um "eine sehr klare und deutliche Botschaft zu übermitteln".

Die politischen Reaktionen fielen zunächst unterschiedlich aus. Senator Marco Rubio, der höchste Vertreter der Republikaner im Geheimdienst-Ausschuss, erklärte, Spionage-Ballons seien zwar beunruhigend, aber nicht überraschend. Der republikanische Senator Tom Cotton rief Blinken dazu auf, seine China-Reise abzusagen. Der Chef des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, kündigte eine Sondersitzung der führenden Mitglieder des Geheimdienst-Ausschusses an.

Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums warnte vor einer Überbewertung: "Ich möchte betonen, dass bis zur Klärung der Fakten Spekulationen und Aufregung nicht hilfreich für die angemessene Lösung des Problems sind." Der Vorfall erschwert womöglich die angestrebte Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Ländern.

Im vergangenen Sommer war es zu Spannungen zwischen beiden Ländern nach dem Taiwan-Besuch der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, gekommen. Seitdem bemühen sich die beiden größten Volkswirtschaften der Welt um eine bessere Kommunikation. Allerdings hat der Chef des US-Geheimdienstes CIA, William Burns, erst am Donnerstag davor gewarnt, die Taiwan-Ambitionen von Xi zu unterschätzen. Im Westen wird befürchtet, China könne militärisch gegen das demokratisch regierte Taiwan vorgehen, ähnlich wie es Russland mit der Ukraine getan hat. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz. (gu/Reuters)

--- UPDATE 15:39 Uhr ---

China hat Angaben der USA bestritten, einen Spionageballon in den Luftraum über den Vereinigten Staaten geschickt zu haben. Dabei handele es sich vielmehr um ein "ziviles" Luftschiff für Forschungszwecke vor allem meteorologischer Art, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Freitag in Peking. Es sei wegen beschränkter eigener Steuerungsfähigkeit durch starke Westwinde "weit von seinem geplanten Kurs abgekommen". Der Sprecher fügte hinzu: "China bedauert den unerwarteten Eintritt in den Luftraum der USA durch höhere Gewalt." China werde weiter mit den USA kommunizieren und angemessen mit dieser "unerwarteten Situation" umgehen. (dpa-AFX)

--- UPDATE 16:26 Uhr ---

US-Außenminister Antony Blinken verschiebt im Zusammenhang mit einem mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballon über den USA eine Reise in die Volksrepublik. Das verlautete am Freitag aus Washingtoner Regierungskreisen. (Reuters)


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Panorama
Panorama Amokfahrt von Magdeburg: Trauer, Entsetzen und offene Fragen halten Deutschland in Atem
22.12.2024

Fünf Menschen sind tot, 200 verletzt: Nach der folgenschweren Fahrt mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg stellt sich die...

DWN
Politik
Politik Donald Trump hofft: Elon Musk übernimmt (noch) nicht die US-Präsidentschaft
22.12.2024

Kritiker nennen den Tech-Milliardär süffisant «Präsident Musk». Donald Trump stellt klar, wer das Sagen hat - bestreitet aber auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Politik
Politik Steuern und Abgaben: Mehrheit der Steuerzahler zahlt 2025 noch mehr – mit oder ohne Ampel!
22.12.2024

Das „Entlastungspaket“ der Ampel ist eine Mogelpackung, denn Steuersenkungen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Ab dem 1. Januar 2025...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Politik
Politik Migrationskrise: Asyl-Rekordhoch in Deutschland und die illegale Migration an den Grenzen geht ungebremst weiter
22.12.2024

In Deutschland leben fast 3,5 Millionen Geflüchtete, von Asylsuchenden über anerkannte Flüchtlinge bis zu Geduldeten. Das ist ein neuer...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...